Der folgende Text ist die Verschriftlichung meines gleichnamigen Vortrags auf der Night of the Profs des Jahres 2016. Er wird voraussichtl. auch in der Ausgabe 83 der Christiana Albertina erschienen.
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Vom „CSI-Effekt“ (CSI als Abk. für „crime scence investigation“) spricht man, wenn die Auswirkungen kriminologischer Fernsehserien auf das Verhalten sowohl von Gerichten, Anwälten als auch Verbrechern untersucht werden.
Der Begriff bezeichnet den Umstand, daß bei Gerichtsverhandlungen seit Mitte der 1990er Jahre, beeinflußt durch zahlreiche, die Forensik bzw. forensische Wissenschaften thematisierende Fernsehserien wie „CSI: Den Tätern auf der Spur“ verstärkt auf forensische Beweise gepocht wird und beim Fehlen ebendieser Angeklagte eher für unschuldig befunden, oder aber, wenn die Beweise gegen den Angeklagten sprechen, er unter Mißachtung weiterer Umstände schuldig gesprochen wird.
Sogar die Fachliteratur befaßt sich inzwischen mit diesem “Problem” und die Darstellung der forensischen Wissenschaften in den Medien suggeriert ja, daß mit den zu Gebote stehenden modernen Methoden fast alle Verbrechen aufklärbar seien, wodurch den Forensikern eine mit der Wirklichkeit kaum korrelierbare Bringschuld zugeschoben wird: in den wissenschaftlichen Anschein erweckenden und vermeintlich realistischen Forensik-Sendungen werden die CSI-Ermittler gerne inmitten eines Parks modernster Maschinen und Apparate in merkwürdig blau beleuchteten Räumen stets als coole, über den Dingen stehende und jeder Situation gewachsene Detektive dargestellt, die sich um die teils astronomischen Kosten und juristischen Probleme ihrer “Lösungswege” nicht scheren (müssen).
Diese Darstellung generiert eine stark verzerrte Wahrnehmung und damit Erwartungshaltung gegenüber den forensischen Wissenschaften und blendet zudem aus dem öffentlichen Bewußtsein aus, daß forensische Wissenschaft vor allem (zugegeben visuell unglamouröse) Forschung bedeutet. Das ist ein nicht unerhebliches Problem, weil sich so auch die Notwendigkeit unserer Forschung, der sich überhaupt und einzig der durchaus geschätzte Erfolg unserer Disziplin, auf die sich die Justiz immer stärker verläßt, verdankt, schwer vermitteln läßt. Denn viele forensische Wissenschaftler haben wegen zu schwacher Personalbesetzung vor lauter „Routine” gar nicht genug Zeit, um nebenher noch gute Forschung zu betreiben und auch die Drittmittelförderung solcher Projekte läßt zu wünschen übrig.
Es ist daher eine triviale Beobachtung, daß die mangelnde Forschungsförderung und die anhaltende Bedrängung und Beschneidung von rechtsmedizinischen Instituten (Schleswig-Holstein bildet hier übrigens und seit Kurzem eine rühmliche Ausnahme: unser Bundesland stellt sich hinter seine Rechtsmedizin und hat zu ihrer sicheren Finanzierung einen jährlichen Sockelbetrag von knapp 1 Mio. € eingerichtet), wo in Deutschland fast ausschließlich forensisch-molekularbiologische Forschung stattfindet, auf die Dauer dazu führen wird, daß die Modernisierung und Verbesserung unserer Techniken und Methoden ins Hintertreffen gerät. Das dürfte kaum im Interesse von Bevölkerung, Rechtsprechung und Staat liegen und auf ihrer 79. Konferenz in Celle wiesen die deutschen Justizministerinnen und Justizminister bereits „[…] mit allem Nachdruck darauf hin, daß ein weiterer Rückbau rechtsmedizinischer Institute und Einrichtungen dem berechtigten Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen Strafverfolgung, insbesondere der Aufklärung schwerer Straftaten gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit, zuwider läuft.“
Wer es also für sinnvoll und anstrebenswert hält, daß Verbrechensaufklärung und damit auch Opferschutz auf höchstem technischen und wissenschaftlichen Niveau betrieben wird, der müßte eigentlich notwendig zugleich die Förderung – und das heißt: Finanzierung – der forensischen Forschung für wichtig halten. Leider bleibt es oft beim Konjunktiv…
Dabei hat die forensische Wissenschaft und speziell die forensische Molekularbiologie, die ich hier vertrete, sehr viel zu bieten und ist, das behaupte ich, spannender und besser als CSI und Konsorten: Unsere Routinetätigkeit läßt sich beschreiben als der Einsatz molekularbiologischer Methoden zur Unterstützung der Aufklärung und Beurteilung (straf)rechtlich relevanter Sachverhalte oder Begebenheiten. Darunter fallen, je nachdem, welche Behörde oder Institution man betrachtet, neben der allseits bekannten Analyse von Spuren und Asservaten, die im Rahmen von Ermittlungen nach Straftaten und Verbrechen gesichert wurden, auch die Identifikation unkenntlich gewordener Verstorbener, etwa durch Fäulnisveränderungen oder schwerste Verletzungen des Gesichts, mittels DNA-Analyse, aber auch die Begutachtung von Abstammungsverhältnissen in gerichtlichem oder privatem Auftrag.
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