Wichtig ist, zu verstehen, daß wir, gerade in der Rechtsmedizin, bei der Untersuchung von Spuren und Asservaten, die im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen durchgeführt werden, eine völlig unabhängige und neutrale Instanz sind, die zwar im Auftrag aber nicht im Dienst von, also nicht  f ü r  die Polizei oder die Staatsanwaltschaft, sondern einzig im Interesse der Wahrheit tätig wird, welche auch lauten kann, daß der Tatverdächtige entgegen allem Anschein unschuldig ist. Unser Ziel ist und muß daher sein, einzig anhand vorhandener physikalischer Evidenz, so viele Details des Tathergangs wie möglich zu rekonstruieren und zwar so objektiv wie möglich und mit so wenigen Annahmen wie nötig.

hierarchieDieser Anspruch wird durch unsere Position in der dreistufigen Interpretationshierarchie widergespiegelt: Unsere Befunde ermöglichen vermittels Erstellung und Vergleich von DNA-Profilen in erster Linie die Individualisierung, d.h. die eindeutige Zuordnung von Spuren zu einer Person und bewegen sich damit auf der tiefsten Ebene der Hierarchie, der Quellenebene. Unter Verwendung von die DNA-Methodik komplementierenden Techniken, wie der forensischen RNA-Analytik, können wir, oft auch zusammen mit anderen forensischen Disziplinen wie der forensischen Toxikologie und der Rechtsmedizin, zur Kontextualisierung von Befunden beitragen und damit auf der nächsthöheren Interpretationsebene, der Handlungsebene, eine empirisch begründete Aussage dazu machen, wie es zu der Entstehung der gesicherten Spur gekommen sein kann. Die dritte und höchste Ebene jedoch, die Schuldebene, auf der die Befunde und Hypothesen der Quellen- und Handlungsebenen gewürdigt und dann juristisch die Schuld einer tatverdächtigen Person beurteilt wird, wird von forensischen Wissenschaftlern grundsätzlich nicht berührt.

Die wichtigste Methode auf der Quellenebene zur Individualisierung von Spuren ist die Analyse sogenannter „short tandem repeats“ also kurzer, hintereinander gelagerter Wiederholungsabschnitte im Erbgutmolekül, der DNA. Diese Abschnitte unterscheiden sich bei den meisten Menschen durch ihre Länge und werden unabhängig voneinander weitervererbt und wenn man eine ausreichende Zahl, (Faustregel: 8 oder mehr) davon kombiniert, analysiert und in einem Profil zusammenstellt, dann ist diese Kombination in aller Regel einzigartig auf der Welt für einen Menschen. Durch den Einsatz der Polymerasekettenreaktion (PCR) ist die moderne DNA-Analyse außerdem extrem empfindlich und es können inzwischen selbst aus Spuren die nur einige wenige Hautzellen enthalten, noch vollständige DNA-Profile generiert werden.

Die Beantwortung der Fragen auf der Handlungsebene, etwa, wie eine Spur entstanden ist oder aus welchen Komponenten eine Mischspur besteht, kann entscheidend für die Rekonstruktion eines Tathergangs sein, doch lassen sich diese Fragen durch die DNA-Analyse allein nicht beantworten. Zur Ergänzung dieser Methode verfügt die forensische Molekularbiologie daher über eine ganze Reihe von Techniken, von denen ich die RNA-Analyse, die einen meiner Forschungsschwerpunkte darstellt, besonders hervorheben möchte.

rna versatil

Vielseitige RNA-Analyse

RNA besteht aus ähnlichen Bestandteilen wie die DNA, erfüllt aber ganz andere Funktionen in der Zelle und man kennt inzwischen eine Vielzahl verschiedener RNA-Arten. Seit der Entwicklung der ‘quantitativen reverse-transcription PCR‘ im Jahr 1996, einem Verfahren, das die exakte Bestimmung der Menge einer bestimmten RNA in einer Probe ermöglicht und damit eine Aussage über ihren differentiellen Expressionsstatus erlaubt, ist das Interesse an der RNA-Analytik und auch ihren forensischen bzw. rechtsmedizinischen Anwendungsmöglichkeiten deutlich angestiegen. Von forensischer Relevanz sind dabei vor allem die Boten-RNA (mRNA) und die micro-RNA, weil die Zusammensetzung der Gesamtheit dieser RNA-Arten spezifisch, d.h. jeweils kennzeichnend für einen Zell- oder Gewebetyp ist. Die RNA-Zusammensetzung in Blut ist also eine andere als in Speichel, Sperma oder Hautzellen und wenn man aus gesichertem Spurenmaterial sowohl DNA als auch RNA analysiert, kann man nicht nur sagen, von welcher Person das Material stammt, sondern auch aus welcher Körperflüssigkeit oder von welchem Gewebe, was einen entscheidenden Hinweis auf die Art der Betätigung und damit den Handlungsverlauf, der zur Deponierung der Spur geführt hat, liefern kann. Diese Art der Analyse ist inzwischen sehr gut erforscht und wird in fortschrittlicheren Ländern auch bereits in der Fallarbeit eingesetzt und vor Gericht anerkannt.

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Kommentare (25)

  1. #1 RPGNo1
    17/07/2017

    @CC
    Danke für die Niederschrift deines Vortrags.

  2. #2 tomtoo
    17/07/2017

    Klingt jetzt Arrogant sry.
    1 Million Sockel ??? Das ist aber üppig !!

  3. #3 tomtoo
    17/07/2017

    Sry, Nachtrag: Was ist eigentlich Sockel fürs Abgeordneten catering ?

  4. #4 Cornelius Courts
    17/07/2017

    @tomtoo: “1 Million Sockel ??? Das ist aber üppig !!”

    Nee, leider nicht. Ist immer noch hart an der Grenze.

  5. #5 anderer Michael
    17/07/2017

    Bei Erwähnung der FDP fällt mir das akademische Geschwisterpaar Lipphardt aus Freiburg ein. Was wohl aus ihrer Initiative geworden ist?

  6. #6 anderer Michael
    17/07/2017

    Die hatten ein Symposium organisiert und ich will nicht gemein wirken und verlinke daher die Vorträge, die ich noch nicht angehört habe.
    https://stsfreiburg.wordpress.com/vortragsmanuskripte-und-video-podcasts/

  7. #7 tomtoo
    17/07/2017

    @CC
    1.1 ? ; )

    Spass beiseite , 1 Mio. für ein Bundesland ? Das ist ja nicht mal ein Schmalspur IT Projekt in einer großen Firma ? Könntest du das näher erklären ?

  8. #8 tomtoo
    18/07/2017

    @CC

    Es war wohl doof von mir da Ironie zu benutzen, wo ich mich nicht auskenne. Sry. Aber was bedeuted das Sockel ? Ich mein 1Mio für einen Forschungsbereich ? Das ist ja wohl nahezu nix. Aber ich verstehe das auch nicht so ganz was das nun bedeutet. Bitte um Hilfe.

  9. #9 Cornelius Courts
    18/07/2017

    @tomtoo: Sockel heißt, daß das Land noch mal zusätzlich Geld in die Rechtsmedizin investiert, um das bekannte und leidige strukturelle Defizit, das alle Institute für Rechtsmedizin plagt (Grund: man kann gem. JVEG nicht genug für Obduktionen abrechnen, um kostendeckend zu arbeiten), auszugleichen. Da Obduktionen hoheitliche Aufgaben (im Auftrag von StA und Gerichten) sind, müssen wir sie durchführen und dafür ist entsprechendes Personal und Infrastruktur erforderlich. Die Unikliniken denken/handeln hingegen eher marktwirtschaftlich und mögen die Rechtsmedizin als ewigen Rote-Zahlen-Kandidaten daher nicht so besonders. Mit Leichen und Geschädigten ist eben nicht so das dolle Geschäft zu machen. Daß unsere Aufgaben gesamtgesellschaftlich extrem wichtig sind, wozu auch gehört, gute Lehre zu machen, bei der die Studenten, die u.a. Leichenschau lernen sollen, mal eine echte Leiche sehen/anfassen können, ist da für manche Leute leider nur zweitrangig (Folgen: s. auch https://scienceblogs.de/bloodnacid/2013/03/11/rechtsmedizin-weiterhin-hip-und-in-bedrangnis/ und https://scienceblogs.de/bloodnacid/2011/04/20/ein-paradies-fur-morder/).
    Insofern ist Schleswig-Holstein zu loben, denn sie geben uns jetzt diese Sockelfinanzierung (in anderen Bundesländern träumen sie davon), die wenigstens ein bißchen Last von uns nimmt.
    Davon ist übrigens kein einziger Cent für die Forschung. Unser Forschungsbudget ist… laß uns nicht darüber sprechen :’-( Aber es gibt schon einen guten Grund, daß ich neben meiner sonstigen Arbeit auch noch versuche, Drittmittel einzuwerben.

    Es bleibt dabei: die Rechtsmedizin ist tendentiell (je nach Bundesland mehr oder weniger) und ganz sicher, was Forschung angeht, unterfinanziert. Ob das eine gute Idee ist? Eher mal nicht aber Tote, Vergewaltigte, Verprügelte, SIDS-Kinder etc. haben eben keine Lobby und wir forschen hier eben auch nicht an Krankheiten, die Millionen betreffen und wo richtig Geld dahinter steckt, sondern “nur” z.B. an ganz seltenen Erscheinungen, wie dem plötzlichen Kindstod (https://scienceblogs.de/bloodnacid/tag/sids/) oder an Möglichkeiten, Schußwaffendelikte besser aufzuklären. Ich finde das sinnvoll (https://scienceblogs.de/bloodnacid/2017/01/11/warum-sollte-man-ueber-schusswaffen-forschen/), andere wohl weniger… bis es sie eines Tages selber trifft…

  10. #10 tomtoo
    18/07/2017

    @CC
    Vielen Dank ! Das muss ich jetzt erst mal geistig verdauen.

  11. #11 zimtspinne
    19/07/2017

    vielen dank auch von mir, habe leider erst am WE Zeit für genaueres Nachlesen.

    Nehme mir, seit ich den ersten Artikel dazu bei dir las, immer wieder vor, mal eine CSI-Folge zu schauen, bisher bin ich immer schon anfangs ausgestiegen, da mir das Format und die Aufmachung einfach nicht zusagen.

    Ich habe mich vor nicht langer Zeit sehr geärgert über die Mundo-Doku, in der der verurteilte Doppelmörder aus Kelkheim auch selbst immer wieder zu Wort kam.
    In der Doku wurden Zweifel gesät an seiner Schuld, er selbst leugnet bis heute die Taten.

    Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar, da die Toten am Fundort in Südfrankreich in Teppiche aus dem Mundohaus gewickelt waren, mal abgesehen von all den anderen Merkwürdigkeiten.
    Soweit ich mich erinnere, wurden überhaupt keine eindeutigen Spuren gefunden, die ihn klar überführen als Täter, weder im Haus noch am Fundort…. ist das möglich?? Es war einiges an Zeit vergangen, da die Behörden erst sehr spät Vermisstenanzeigen von Nachbarn nachgegangen waren, obwohl Mundo-Junior sich von Anfang an ziemlich verdächtig verhielt in der Sache.
    Der ganze Fall wirft kein gutes Licht auf deutsche und fast noch weniger auf französische Ermittlungsarbeit, die beide auch zu einer komplett unterschiedlichen Bewertung kamen (deutsch – schuldig und verurteilt, französich – Zweifel, letzten Endes arbeiteten die nicht mal mehr zusammen, weil sie sich überworfen hatten).

    Hört sich an wie in einem typischen konstruierten Krimi, tja……… man kann ruhig mal über das perfekte Verbrechen nachdenken, wenn man mal Langeweile hat 😉

  12. #12 Laie
    22/07/2017

    Leider ist für die wichtigen Bereiche in diesem Staat nicht genug Geld da. Hätte ich mitzubestimmen, dann gäbe es Geld für diesen und andere wichtige Bereiche aus Naturwissenschaften. Stimmt schon, wie CC sagt, die Opfer haben keine Lobby, die Medien berichten zu wenig darüber und haben kein Interesse.

  13. […] Blood’N’Acid bricht eine Lanze für die Forschung und weist darauf hin, dass Rechtsmedizin zum einen unabhängig ist und zum anderen die Forscher keine Schuldsprüche fällen. Wer mehr über RNA-Abschnitte und Forensik wissen will, dem sei dieser Beitrag empfohlen. […]

  14. #14 Robert
    23/07/2017

    zimtspinne,
    …..Merkwürdigkeiten,
    mein erstes Zusammentreffen mit einem Kriminalkommisar war bei einem Taxifahrer in Karlsruhe. Wir waren gleichzeitig die ersten am Tatort und der Kommisar schloss innerhalb von 5 Minuten auf Selbstmord. Er meinte, die äußeren Umstände lassen auf einen Selbstmord schließen. Ich als Anfänger war skeptisch und gleichzeitig verwundert, wie man so schnell auf ein Ergebnis kommt, damit war für die Polizei der Fall erledigt.
    Ich erzähle das nur, weil CC hier sich viel Mühe gibt, Aufklärungsarbeit zu betreiben und im konkreten Fall, “gar keine Untersuchung” stattfand.

  15. #15 Kollege
    23/07/2017

    Volle Zustimmung.
    Großartiger Text!

  16. #16 Cornelius Courts
    24/07/2017
  17. #17 RPGNo1
    25/07/2017

    @CC
    Herzlichen Glückwunsch. Ist der Preis dotiert?

  18. #18 Cornelius Courts
    25/07/2017

    @RPGNo1: “dotiert”

    gute Frage… ich hoffe es mal 🙂
    Vielleicht reicht es ja für einen Kasten Malzbier fürs Institut 😉

  19. #19 RPGNo1
    25/07/2017

    Malzbier? So etwas trinkt ihr im Institut? *brrrr*
    Habt ihr denn keine bessere Kieler Spezialität?

  20. #20 Beobachter
    25/07/2017

    @ # 19:

    Doch, hätten sie:
    Kieler Sprotten – runtergespült mit einem Kieler Sprotte Aquavit

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kieler_Sprotte

    Anm.:
    Oder vielleicht gibt`s auch schon Fisch in flüssiger Form und ganz innovativ als Smoothie – wie auch schon Fleisch und das in verschiedenen Geschmacksrichtungen wie “Schnitzel”, “Braten” etc.; für “to go” im Fläschchen, weil die Leute in ihrem stressigen Berufsleben keine Zeit mehr haben zum Essen (im Sitzen).
    Soll “wie bei Oma” schmecken (alles lt. Radio-Bericht heute bei SWR 1 – und kein Witz).

  21. #21 Cornelius Courts
    25/07/2017

    @RPGNo1: “So etwas trinkt ihr im Institut? ”

    “Ihr” ist übertrieben. Aber ein gewisse Biologe Deines Vertrauens 😉

    Wer mich übrigens erheblich für sich einnehmen möchte, der/die kredenze mir dies: https://feldschloesschen-brauerei.de/feldschloesschen-malz-klassik/ 🙂 (btw: bestes mir bekanntes Malzbier)

  22. #22 noch'n Flo
    Schoggiland
    25/07/2017

    @ CC:

    Wir haben hier in der Schweiz auch eine “Feldschlösschen”-Brauerei (in Rheinfelden), aber ich fürchte, die hat mit den deutschen Namensvettern eher wenig gemein…

    Nur mal so als Vorwarnung, wenn Du im kommenden Februar nach Basel kommst – Malzbier kennt man hierzulande so gar nicht… müssen wir immer aus Deutschland einführen… (Muddi ist ja ein grosser Fan dieses Gesöffs)

  23. #23 RPGNo1
    25/07/2017

    @CC
    Malzbier habe ich zuletzt als Kind getrunken. Heutzutage kann ich mich nicht mehr unbedingt dafür begeistern

    @Beobachter

    Kieler Sprotten – runtergespült mit einem Kieler Sprotte Aquavit

    Also DAS hört sich doch weitaus leckerer an.
    Es ist schon lange her, dass ich Sprotten gegessen habe, aber zu einem guten Aquavit sage ich nicht nein.

  24. #24 Cornelius Courts
    26/07/2017

    @noch’n Flo: “wenn Du im kommenden Februar nach Basel kommst – Malzbier kennt man hierzulande so gar nicht”

    die paar Tage komme ich auch ohne aus. Ich schlürf dann ‘ne Ovo oder ‘ne Rivella (die gibt’s doch noch?) 🙂

    “Muddi ist ja ein grosser Fan dieses Gesöffs”

    das spricht freilich für ihren guten Geschmack 🙂
    Du kannst sie ja mal (mit schönen Grüßen von mir) überraschen (falls sie hier nicht gerade mitliest #spoileralarm) und ihr ‘ne Kiste Feldschlösschen aus Deutschland besorgen, damit sie nicht immer diese Vitamalzplörre o.ä. trinken muß 🙂

  25. #25 noch'n Flo
    Schoggiland
    26/07/2017

    @ CC:

    Klar, Rivella gibt es noch. Auch zuckerfrei und lactosefrei (was bei einem Getränk auf Molke-Basis m.E. ein Anachronismus ist – so wie alkoholfreies Bier).

    Nebenbei: “Ovomaltine” wird bei uns als “Ovi” abgekürzt, nicht “Ovo”.