Der Postmodernismus vertritt einen radikalen Skeptizismus gegenüber der bloßen Möglichkeit, objektives Wissen zu erlangen und erklärt Wissen, Wahrheit, Bedeutung und Moral zu kulturell konstruierten, relativen Produkten individueller Kulturen, deren keine die nötigen Mittel und Werkzeuge besitzt, die jeweils anderen zu beurteilen. Damit lehnt der Postmodernismus also auch die schiere Möglichkeit der Grundlagen, auf denen die Moderne steht, ab und brüstet sich gar mit Pluralität, Widersprüchlichkeit und Ambiguität und die Zweifel, die er an der Struktur des Denkens und der Gesellschaft hegt, sind so radikal, daß er letztlich als eine Form von Zynismus gesehen werden kann. In gewissem Sinne strebt er also die Abwicklung der Aufklärung an und fordert eine Abwendung vom Individualismus („Tod des Subjekts“) und Hinwendung zum Kollektivismus. Nicht verwunderlich also, daß einem das religiös vorkommen kann.
Im Gegensatz zum originären Postmodernismus aber, der von nihilistisch verzweifelten Akademikern spielerisch und höchst ironisch gedacht wurde und der in seinem radikalen epistemologischen Skeptizismus natürlich völlig verkopft und theoretisch war, nimmt die „angewandte“ bzw. anwendbare Version an, die aus dem „applied turn“ hervorging, an, daß es doch einige faktische, objektive Wahrheiten gibt: Unterdrückung und Ungerechtigkeit der und Leid durch Unterdrückung. Ihr Axiom, Descartes überwindend, wäre demnach: „Ich erfahre Unterdrückung, also bin ich…und also sind Beherrschung und Unterdrückung“. Und das wird zur Linsen, durch die die ganze Welt betrachtet wird. Mehr zu diesen Hintergründen und Begriffen gibt es bei [2].
Die „ReLi-gion“, die über den Trümmern der dekonstruierten „alten Religionen“ und auf diesem Fundament des angewandten Postmodernismus neu gegründet wurde, nennt sich „Social Justice“ (Soziale Gerechtigkeit, SG) und ihre Ausübenden werden manchmal als Social Justice „Warriors“ (Krieger) bezeichnet. Diese nehmen die Welt durch jene Linse wahr, mit der sie in jeder Interaktion, Äußerung und jedem kulturellen Artefakt Machtdynamiken finden, auch wenn sie nicht offensichtlich oder überhaupt real sind. So entsteht eine Weltsicht, in deren Zentrum soziale und kulturelle Kränkungen stehen, die aus allem ein politisches Nullsummenspiel um Identitätsmarker wie „Rasse“, Geschlecht, Gender, Sexualität und natürlich deren „Intersektion“ machen will und alle menschlichen soziologischen Interaktion auf die zynischstmögliche Weise interpretiert: die Gesellschaft sei demnach aufgeteilt in dominante und marginalisierte Identitäten und unterbaut mit unsichtbaren Systemen von „weißer Vorherrschaft“ (white supremacy), Patriarchat, Cisnormativität, Ableismus und „Fettphobie“.
An den Universitäten hat die postmoderne SG-ReLi inzwischen eine ganze Batterie von Studienfächern, die man mit L. Lindsay als „Grievance Studies“, also in etwa „Kränkungs- und Mißstands-Lehren“ bezeichnen könnte, hervorgebracht, darunter Queer-Theorie, Critical race theory, Disability Studies, Fat Studies und Gender Studies – über einen halb scherzhaften, halb ernstgemeinten Streich, den ein paar Kritiker den Leuten aus letzteren gespielt haben, habe ich hier einmal berichtet: Die Kritiker wollten damit beweisen, daß die „Forschung“ zu Rasse, „Gender“, Sexualität, zusammen mit Soziologie, durch Gruppendenken, Bestätigungsfehler und Wunschdenken geleitet wird, wodurch in diesen (Unter)fächern regelmäßig Falsches und regelrechter Unfug publiziert wird. Die ReLi hingegen, und das ist das Problem, würde sagen, daß die Forderung, daß Behauptungen mit belastbaren und nachprüfbaren Belegen gestützt werden müssen, einem konstruierten Verständnis von Wissen(serzeugung) in einem andere, „alternative“ Formen des Diskurses unterdrückenden Macht-Narrativ entspringt und daher abgelehnt werde. Wenn man dann fragt, wie sie wiederum diese Behauptung begründen und belegen können, verweisen sie abermals auf ihre Prämisse, dies nicht zu müssen und daß eine solche Forderung erst gar nicht zu stellen sei und dann wir haben eine petitio principii bzw. einen infiniten Regress, die in meiner Welt das Ende eines Argumentes bedeuten würde, aber in der relativistischen epistemologischen Balla-balla-Welt der ReLi-Welt natürlich nicht :-/
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Das macht konstruktive Diskussionen sehr schwer, da jeder Widerspruch, jedes Gegenargument als untrügliches Zeichen der moralischen Verworfenheit des sie Äußernden und dessen Komplizenschaft mit den Unterdrückern interpretiert und er mit den üblichen Etiketten als „Rassist“, „Sexist“, „Ableist“, „Chauvinist“ und dergleichen mehr gebrandmarkt wird. Natürlich verwässert das die Wucht dieser Begriffe bis zur Bedeutungslosigkeit und erschwert die Identifizierung, Abgrenzung und Bekämpfung echter Rass- und sonstiger Isten. Besonders deutlich wird die Gefahr, die die ReLi und die kompromißlose Anwendung ihrer Prinzipien für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft darstellen, aber auch noch an einer anderen Stelle, nämlich wenn man sich ihre Position zum Islam vergegenwärtigt:
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