Im ersten Teil habe ich meine eigenen Überlegungen, Erfahrungen und Empfehlungen zur Optimierung der Chancen, als forensischer Genetiker in Deutschland zu arbeiten, aufgeschrieben. Da ich erstens aus besagten Gründen nicht repräsentativ bin und zweitens nur n = 1 Person, habe ich mal ein bißchen herumgefragt und netterweise haben ein paar Kolleginnen und Kollegen von mir, aber auch Quereinsteiger und Interessierte, die ich kenne, ihren Werdegang für mich aufgeschrieben. Danke allen, die hierzu beigetragen haben!

Im Folgenden nun also die Berichte, in denen ich jeweils Punkte (Studienfächer, Stationen, Entscheidungen und Entwicklungen), die ich für wichtig für den Weg der jeweiligen Person halte, markiert habe. Ich fand sie allesamt schön und anschaulich geschrieben und habe sie daher unverändert hier übernommen. Am Ende habe ich lediglich jeweils einen kurzen, abschließenden Kommentar angefügt.

“Qua CV und Qualifikation bin ich als bald promovierter Biochemiker im Bereich der Forschung zu viraler Gentherapie zuhause. Im Laufe meines Grundstudiums habe ich mich (zu stark) von meinen Modulverlaufsplänen leiten lassen. So hangelte ich mich von den sich im Biochemischen Institut anbietenden, geradezu aufdrängenden Bachelor- und Masterarbeiten von Krebsforschung über Autoimmunerkrankungen bis hin zu eben meiner Promotion im Bereich viraler Gentherapie im kardialen Kontext.

Mich hat im Laufe meiner zugegebenermaßen bisher jungen Forschungskarriere zunehmend frustriert, dass der klassische Forschungsalltag viel zu sehr davon geprägt ist, dass man auf Teufel komm raus Kausalitäten sucht, wo höchstens Korrelationen vorliegen. Dass man sich und seine Daten zu häufig gnadenlos aufbauschen muss, um Vor- und Anträge erfolgreich zu gestalten. Und dass man höchst selten Kapitel genüsslich zuklappen kann – schließlich eröffnet eine mühsam erkämpfte Antwort meist mindestens drei neue Fragestellungen.

Meine molekularbiologischen Kenntnisse und Fähigkeiten wollte und will ich dennoch nicht über die berufliche Bordplanke werfen und so stieß ich endlich auf die forensische Genetik, die genau den wissenschaftlichen Rahmen bietet, den ich mir persönlich wünsche. In diesem Bereich herrscht die oberste Priorität, äußerst exakt mit seinen Ergebnissen und Befunden umzugehen – nötigenfalls natürlich auch negativ. Die Arbeit ist zutiefst sinnerfüllt, weil er keinen diffusen, sondern sehr konkreten und hohen Anliegen wie beispielsweise der Aufklärung von Straftaten oder der Identifizierung von Verstorbenen dient. Und schließlich bietet die Forensik mit seinem akkreditierten Charakter ein Arbeitsumfeld mit klaren Strukturen und einem hohen Anspruch an Transparenz.

Ich mache mir keine großen Illusionen darüber, dass mir all dies sehr wahrscheinlich zu spät aufgefallen ist, um mich beruflich gegen einschlägig ausgebildete und erfahrene Leute in diesem großartigen, aber recht nieschigen Feld behaupten zu können. Und so bereue ich ziemlich, das Pferd während meines Studiums nicht von hinten aufgezäumt zu haben: überlegen, wo man LANDEN will und sich dafür dann gezielt qualifizieren.

Christopher B., M.Sc., Doktorand der Biochemie an der Uni Kiel

Christopher ist die forensische Genetik bzw. seine eigene Faszination dafür vergleichsweise spät in seiner akademischen Ausbildung aufgefallen. Seine Einschätzung, daß es seine Chancen nicht verbessert, später in diesem Feld arbeiten zu können, wenn man erst gegen Ende der Doktorarbeitszeit in einem ganz anderen Feld Kontakt mit der Forensischen Genetik aufnimmt, ist wohl leider nicht unzutreffend. Was Leuten wie Christopher dann fehlt, ist die forensische Erfahrung, nicht die genetischen Kenntnisse oder Fähigkeiten im Labor. Um zu beginnen, erstere zu sammeln, hat Christopher seine Promotionsarbeit kurz pausiert und ein wissenschaftliches Praktikum mit eigenem kleinen Projekt an unserem Institut absolviert (daher seine Einblicke, die er oben schildert). Wenn er sich entscheidet, nach Abschluß seines Dr. weiterhin zu versuchen, in unserem Feld Arbeit zu finden (und damit meine ich Arbeit auf einem Niveau, wo man Promovierte einstellen würde), wird es trotzdem wahrscheinlich nicht einfach für ihn werden. Aber hey, unmöglich ist nichts, s. yours truly 😉

“Nach einer früh entdeckten Begeisterung für Naturwissenschaften im Allgemeinen und Biologie und Chemie im Besonderen habe ich mich für ein Studium der Biochemie und Molekularbiologie an der CAU Kiel entschieden. Nach den ersten Jahren und einer Bachelorarbeit im Bereich der Grundlagenforschung wurde mir klar, dass mich vor allem die Anwendung naturwisschenschaftlicher Prinzipien auf Fragestellungen aus dem „alltäglichen Leben“ begeisterte und ich begann mich nach Forschungsfeldern mit hohem Anwendungsbezug umzusehen. Das Feld der forensischen Molekularbiologie, welches auf Basis humangenetischer und molekularbiologischer Methoden einen objektiven Beitrag zur Beantwortung kriminalistischer Fragestellungen leistet, hat mich schnell besonders fasziniert.
So wählte ich im Master verschiedene, für die forensische Molekularbiologie relevante Studienmodule (wie etwa Humangenetik oder Biostatistik) und jobbte nebenher als HiWi in einem Labor für ancientDNA-Analysen. Weiterhin wollte ich gerne eine Masterarbeit im Institut für Rechtsmedizin des UKSH schreiben, da ich wusste, dass die dortige Abteilung für forensische Genetik spannende Forschungsfelder wie Molekulare Ballistik und Forensische RNA-Analyse bearbeitet. Nach mehrfachen Interessensbekundungen und einigem Hin und Her auf Grund der geringen verfügbaren finanziellen Mittel erhielt ich schließlich die Möglichkeit, meine Masterarbeit in der forensischen Molekularbiologie zu dem spannenden und hochaktuellen Thema des DNA-Transfers zu schreiben. Neben der Forschungsarbeit konnte ich spannende Einblicke in die Fallarbeit und weitere forensisch-genetische Forschungsfelder erhalten. Insgesamt zog sich meine Masterarbeit dadurch zwar ein gutes Stück über die Regelstudienzeit hinaus, ich habe dabei jedoch viele wertvolle Erfahrungen sammeln können.
Die Arbeit machte mir extrem viel Spaß und ich wollte gerne alles daran setzen, weiter auf dem Feld arbeiten zu können. In diesem Bestreben wurde ich zwar tatkräftig von meinem Abteilungsleiter unterstützt, Forschungsförderungsanträge für meine Promotionsstelle wurden jedoch zunächst allesamt abgelehnt (die forensische Molekularbiologie „konkurriert“ bei Förderungsgeldern mit Projekten aus der Medizin, zum Beispiel auch der Tumor- oder Entzündungsforschung, denen häufig eine höhere Relevanz und somit mehr Forschungsgelder zugeschrieben werden). Zum Glück durfte ich in dieser Zeit der Antragsstellung und Warterei auf die Antragsbearbeitung (durchschnittlich weit mehr als 6 Monate) weiter als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forensischen Genetik arbeiten und an einem zwar nicht Promotions-geeigneten, aber dennoch sehr interessanten Projekt zur forensischen DNA-Phänotypisierung mitwirken. In dieser Zeit ist dann schließlich – über zwei Jahre nach Einreichung des ersten Antrags zur Forschungsförderung – ein Forschungsprojekt durch die DFG bewilligt worden, sodass ich nun seit Mai 2021 an dem sehr spannenden Thema der forensischen Tageszeitpunktsbestimmung (ein weiterer Aspekt der Spurenkontextualisierung, der durch die forensische RNA-Analyse ermöglicht werden könnte), forschen darf (Promotionsprojekt).”

Annica G., M.Sc., Doktorandin der forensischen Molekularbiologie am Institut f. Rechtsmedizin, Uni Kiel

Annica ist also seit der Masterarbeit in Kontakt mit dem Feld und hat danach noch viel Zeit und Arbeit investiert und Wartezeiten in Kauf genommen, um die Chance, eine Promotionsgelegenheit zu bekommen, zu verbessern, was schließlich gelungen ist. Um diese zu vollenden, wird sie auch ihren Wohnort verändern und ihre Heimat verlassen. Wenn sie die Promotion erfolgreich abgeschlossen haben wird, wird sie bereits über jahrelange Erfahrung als forensische Molekularbiologin mit Spezialkenntnissen, einschlägige Publikationen und Kontakte mit vielen Leuten im Feld verfügen. Ihre Chancen, später irgendwo dauerhaft als forensische Genetikerin arbeiten zu können, schätze ich daher als sehr gut ein.

“Mein Weg in und durch die Forensische Genetik– Vor gefühlt einer ewigen Zeit, quasi wie in einem anderen Leben, war in der Tat die Wissenschaft gar nicht meine erste berufliche Wahl. Nach dem Abitur wollte ich eigentlich Medizin studieren – was mit einem eher mittelmäßigem Notenschnitt natürlich mit einer mir bevorstehenden, nicht zu vermeidenden beachtlichen Sammlung von Wartesemestern verbunden war. Neben diversen anderen Dingen über die Jahre habe ich dann auch in Köln einen auf Medizinstudienplatzwartende ausgerichteten Lehrgang zum „Biomedizinischen Assistenten“ entdeckt. Als Zusatzqualifikation stand auch „Molekularbiologie und Molekulare Medizin“ in dessen Curriculum, wo ich dann zum ersten Mal mit Molekularbiologie und forensisch-biologischem Arbeiten in Kontakt kam. Dies hat sofort mein Interesse geweckt und mir auch viel Spaß gemacht. Als dann als Gastdozent ein gewisser Cornelius Courts aus (damals) der Rechtsmedizin Bonn zu uns gekommen ist und einen Vortrag über Forensische Genetik gehalten hat, wurde mein Interesse dann auch konkreter. Wir hatten uns sofort aufgrund ähnlich gelagerten und nach außen sichtbaren musikalischen Vorlieben gut verstanden, und er hat mich dann auch auf die Existenz des Studiengangs „Naturwissenschaftliche Forensik“ aufmerksam gemacht, welcher damals noch recht frisch an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg angeboten wurde. Bei nächster Gelegenheit habe ich mich dann neben Medizin auch dort beworben und wurde durch meine zahlreichen Wartesemester auch direkt zugelassen. Ich habe den Studienplatz dann auch angenommen, selbst wenn es nach all den Jahren nicht leicht war, von der Medizin abzulassen. Im Laufe des Studiums, welches neben der von mir sehnlichst erwartenden forensischer Biologie und Kriminalistik den Fokus vor allem auf Chemie und Materialwissenschaften legte, wurde mir sehr klar, dass ich auch auf jeden Fall in der Forensischen Biologie bleiben und mich dorthin spezialisieren möchte. Durch meine bereits vorhandenen Kontakte zu Cornelius konnte ich dann auch in seiner Abteilung in Bonn meine Bachelorarbeit anfertigen und erste Erfahrung in einem „richtigen“ forensischen Labor sammeln. Der Wille dort auch in Zukunft zu arbeiten war da, allerdings ebenso die Gewissheit, dass der nun anstehende weitere Weg aber nicht leicht werden würde. Immerhin sind die beruflichen Möglichkeiten in der Forensik begrenzt. Mein weiterer Bildungsweg musste mir also eine Vertiefung in die Biologie gestatten, um zumindest grob in der Thematik zu bleiben, gemäß des Falls, dass es in der Zukunft keine Stellen in forensischen Instituten für mich gäbe. Dazu gibt es keinen entsprechenden Forensik-Master in Deutschland, und die Bio-Credits aus dem Bachelorstudium waren nicht so zahlreich, um problemlos für einen (Molekular-)Biologischen Masterstudiengang zugelassen zu werden. Glücklicherweise hat es nach einigen Rückschlägen und Ablehnungen dann mit einem Masterstudienplatz in „Molecular Life Sciences“ in Jena funktioniert. Nachdem ich dort meine molekularbiologischen Sporen verdient und den Abschluss gemacht hatte, war es wiederum eine recht glückliche Fügung, dass Cornelius – diesmal schon in Kiel – mir eine Doktorandenstelle über Drittmittel im Bereich der „Molekularen Ballistik anbieten konnte – er hat darüber schon in diesem Blog berichtet! 😊Nun bin ich fertig promoviert und beginne bald, demütig aber froh, in Kiel als stellv. Abteilungsleiter eine Stelle für die Routinearbeit in der Forensischen Genetik: tatsächlich genau die Arbeit, die mir am meisten Spaß macht. Wohlwissend, dass ich dahin durch viel Geduld, noch mehr Glück, eine Tonne Vitamin B und mit mehr Schweiß und Tränen als ich hier berichten könnte gelangt bin! Per Aspera ad Astra…”

Jan E., Dr. rer. nat., wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für forensische Genetik am Institut für Rechtsmedizin des UKSH

Jan ist seinem durch einen Vortrag geweckten Interesse an forensischer Genetik sehr konsequent gefolgt – immerhin hat er dafür ein Fach, auf das er schon länger gewartet hatte, sausen lassen – indem er zunächst naturwissenschaftliche Forensik studiert und seine Bachelorarbeit gleich zu einem forensischen Thema an einem Institut für Rechtsmedizin geschrieben hat. Seine Lücken in Molekularbiologie und Genetik, die der Bachelorstudiengang leider mit sich brachte, hat er durch ein Masterstudium gefüllt, ist aber für die Doktorarbeit in die forensische Genetik/Rechtsmedizin zurückgekehrt. Er war bereit, dafür seine Heimatregion zu verlassen und erst weit in den Osten und dann hoch in den Norden zu ziehen. Er hat gerade seinen Dr. fertig, aber durch seine inzwischen jahrelange Erfahrung in forensischer Genetik mit Spezialkenntnissen in molekularer Ballistik war er der ideale Kandidat für eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechtsmedizin des UKSH.

“Getreu dem Motto „Nur die inneren Werte des Menschen zählen“, welches ich als Abiturientin in mein Jahrbuch kritzelte, begab ich mich nach meinem Schulabschluss, mit der genauen Vorstellung Päläogenetikerin zu werden, auf Studienplatzsuche. Ziemlich schnell musste ich feststellen, dass solche Studiengänge wie „Forensik“ und „Anthropologie“ im deutschen Bildungssystem nur selten vorkommen oder aber die Jobchancen in den Bereichen nicht gutstanden. Also startete ich ein allgemeines Biologiestudium und spezialisierte mich im Hauptstudium, um meinem Traum näher zu kommen, auf die Fächer Genetik und Anthropologie. Im Rahmen der Vorlesungen in diesen Schwerpunktfächern wurden auch Themen aus dem Bereich der Forensik angeschnitten. Ich wurde neugierig und besuchte alle Vorlesungen, die vom Institut für Rechtsmedizin angeboten wurden, und belegte Rechtsmedizin sogar als nicht-biologisches Prüfungsfach (ja, im Diplomstudiengang war sowas noch möglich!). Nach längerer Wartezeit konnte ich sogar einen der raren und heiß begehrten Praktikumsplätze im DNA-Labor am Institut für Rechtsmedizin ergattern. Mit viel Eigenengagement und langem Atem konnte ich nach zahlreichen Bewerbungen (und ebenso vielen Absagen aus Kapazitätsgründen) eine Zusage für ein weiteres Praktikum im Bereich der forensischen Entomologie verbuchen. Das war der game changer: Das Praktikum mündete in eine Diplomarbeit am selbigen Institut und diese wiederum verhalf mir zu meiner Promotionsstelle in der Forensischen Genetik in einem anderen renommierten Institut. Mittlerweile schaue ich auf über zehn Jahre Erfahrung im Bereich der Forensik zurück und bin überzeugt, dass wohl doch nicht nur die inneren Werte zählen! Vielmehr verhalf mir eine Mischung aus Hingabe für die Forensische Genetik (um es mit den Worten eines Kollegen zu sagen „Ich liebe Elektropherogramme.“), Netzwerk, das ich mir in den Jahren im Fach aufgebaut habe, (die Gruppe der Forensiker ist sehr familiär) und sorgfältiger Arbeit gepaart mit dem Quäntchen Glück – über Umwege – letztlich doch an mein Ziel zu gelangen!”

Galina K., Dr.rer.nat., Sachverständige für forensische DNA-Analyse in einer amtl. Kriminaltechnikstelle

Galina hat Ihre gesamte Ausbildung/Studium auf eine Karriere in der forensischen Biologie (später: Genetik) ausgerichtet und zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Diplomarbeit) bereits Kontakt mit dem Feld aufgenommen. So konnte sie auch eine Promotionsstelle mit einem forensisch-genetischen Projekt an einem Institut für Rechtsmedizin bekommen, nach Abschluß derer und mit bereits jahrelanger Erfahrung ausgestattet sie sich mit sehr guten Chancen auf entsprechende Stellen bewerben konnte. Auch Galina mußte aber mehrfach den Ort wechseln, um zu promovieren und später im Beruf arbeiten zu können. Sie hat die Rechtsmedizin verlassen und ist seit mehreren Jahren auf ihrer jetzigen Stelle im “Amt”.

“Dass ich mal in der Rechtsmedizin lande, hätte ich mir nach der Schule auch nicht träumen lassen. Schon allein, weil ich gar nicht wusste, was das eigentlich ist. Klar, “Quincy” war bekannt, aber da hörte mein Wissen zur Forensik auch auf.

Ich hatte in der Schule viel Spaß an Naturwissenschaften und dabei ganz besonders an Biologie. Deshalb hatte ich mich schon ab etwa der 10. Klasse für ein Bio-Studium entschieden. Nach meinem (eher mittelmäßigen) Abi wurde ich von der ZVS an die Uni Göttingen verteilt, was für mich als Küstenkind ein wenig sonderbar war…so weit weg von Strand und Meer. Aber es gibt ja kein schöner Leben als Studentenleben, weshalb ich dann schnell festgestellt hab, dass der Studienort eher nebensächlich ist 😉

Das Studium (damals noch prä-Bachelor/Master) begann mit vier Semestern Grundstudium. Da biss man sich einmal quer durch alle Bereiche der Biologie und die anderen MINTs, damit eine gewisse Grundlage für die Entscheidung bestand, was man ab dem fünften Semester im Hauptstudium denn gerne vertiefen möchte.

Eigentlich ging ich einst mit dem Entschluss in das Bio-Studium, mich genauer mit Biochemie zu beschäftigen…was ich aber nach wenigen Stunden Biochemie schnell verworfen habe^^. Da mir auch Genetik Spaß gemacht hat, wollte ich dann das gerne als Hauptfach wählen, aber auch da war mir schnell klar, dass die Materie für mich etwas zu “trocken” war. Also habe ich nebenher noch ein paar freiwillige Praktika in der Humangenetik eingeworfen, wo es mir deutlich besser gefiel. Diagnostik und Forschung für konkrete Fragestellungen, die Patienten helfen, fand ich viel besser als Grundlagenforschung oder abstrakte Forschungsvorhaben. Aber da Humangenetik ein medizinisches Fach ist und ich als Biologe zuerst mal einen Abschluss vorweisen muss, damit ich dort quereinsteigen kann, half das bei der Entscheidung auch nicht weiter. Zumindest hatte ich neben den Pflichtfächern auch noch genug Zeit für Vorlesungen und Praktika anderer Fachbereiche, die mich einfach nur interessiert haben. Wie sich aber über die Jahre gezeigt hat, lohnt es sich wirklich, den Kopf auch mal aus dem eigenen (Fach-)Schneckenhaus zu stecken und sich inspirieren zu lassen. Ob es nun Geologie, Astrophysik oder Notfallmedizin ist, man kann später von diesem Wissen zehren und es auch konkret anwenden. Wobei die Möglichkeiten eines solchen “Studium generale” wohl heutzutage arg beschränkt sind. Leider.

Dennoch blieb mir also die Frage nach dem Hauptfach. Entwicklungsbiologie fand ich auch total interessant…aber der Professor war ein schrecklicher Choleriker und hat schon in der Vorlesung ständig Leute zusammengefaltet. Bei dem wollte ich nun auch nicht die nächsten Jahre verbringen. Rein zufällig begleitete ich eine Kommilitonin zu einer Vorlesung in die Anthropologie. Dazu gab es zwar im Grundstudium eine Vorlesung, die mich aber nicht so mitgerissen hatte. Aber jetzt wurde es interessant: In Göttingen liegt einer der Schwerpunkte auf der molekulargenetischen Analyse von alter DNA (aDNA) aus Knochen in alten Grabzusammenhängen. Damit konnten dann Fragestellungen zu Verwandtschaften geklärt werden, die bei der rein anthropologischen Begutachtung nur vermutet werden können. Also Genetik…und Knochen…und konkrete Fragestellungen! Genau meins. 🙂 So kam ich zu meinem Hauptfach. Als Nebenfach habe ich mir dann Humangenetik anerkennen lassen und als nicht-biologisches Nebenfach Physik.

Neben der Genetik wurden im Hauptstudium natürlich auch die klassischen anthropologischen Bereiche abgehakt. Ich habe also Skelette wieder zusammengesetzt und deren Alter, Geschlecht und sonstige Körpermerkmale abgeschätzt (Osteologie), einiges über unsere frühen Vorfahren gelernt (Paläoanthropologie) und Affen beobachtet und deren Verhalten analysiert (Verhaltensforschung). Hängengeblieben bin ich allerdings bei der Genetik und anderen Analysen im Labor. Und weil der Weg von der aDNA aus mittelalterlichen Knochen nicht weit ist zur nicht ganz so alten DNA aus Knochen oder anderen Geweben, war das Labor schon damals in die GEDNAP(German DNA Profiling)-Ringversuche der Spurenkommission eingebunden.

Und weil die nicht weit entfernt lag und mir das Thema irgendwie interessant vorkam, habe ich während der Hauptstudiums auch noch diverse Vorlesungen in der Rechtsmedizin angehört. So war ich dann tief drin im forensischen Sumpf und kam irgendwie auch nicht mehr heraus^^

Nach Abschluss des Studiums bin ich dann wieder in den Norden zurück und habe in Hamburg nach einer Stelle gesucht. Leider war die Anthropologie in Hamburg nicht sehr DNA-affin und in der Rechtsmedizin gab es keine Stelle, weshalb es mich zuerst einmal in die medizinische DNA-Diagnostik verschlagen hat. Bei einer privaten Firma, die für niedergelassene Ärzte DNA-Analysen für diverse genetisch bedingte Erkrankungen angeboten hat, sollte ich eine neue Methode zur SNP-Analyse etablieren.

In dieser Zeit habe ich mir wieder einmal Vorlesungen in der Rechtsmedizin angehört und das Thema erschien mir immer interessanter. Zumal ich mit der Zeit etwas verärgert darüber war, dass in der Privatwirtschaft die Wissenschaft dem Profit untergeordnet wird. Irgendwann habe ich dann einfach gewechselt (in die Rechtsmedizin, Anm. CC) . Weil es immer noch keine Stelle gab, habe ich erst ein paar Monate als Praktikant meinen Fuß in die Tür gesetzt und danach einige Jahre als HiWi gearbeitet. Wie üblich mit vielen unbezahlten Überstunden.

Inzwischen bin ich als Wissenschaftler angestellt, aber eine Stelle gibt es auch nach über 10 Jahren immer noch nicht. So ist es leider wie in vielen Bereichen der Naturwissenschaften, dass man sich von Befristung zu Befristung hangelt und dabei meist auch mehreren Töpfen bezahlt wird. Wer einen festen Job mit guter Bezahlung und festen Arbeitszeiten sucht, ist hier eher fehl am Platz.

Andererseits hat man eine extrem spannende, abwechslungsreiche Tätigkeit mit hoher Verantwortung. Es ergeben sich immer wieder Ansätze aus den Fällen und Fragestellungen durch die Polizei oder Staatsanwaltschaft, etwas zu erforschen. Neben der Arbeit im Labor kommt man auch mal in den Sektionssaal, fährt an Tatorte und geht als Sachverständiger zu Gericht. Langeweile kommt garantiert nicht auf. Man sollte allerdings ein wenig leichenfest sein.

Im Gegensatz zu meiner Arbeit in der klassischen Anthropologie hat meine Arbeit konkrete Auswirkungen. Wenn man den Ermittlungsbehörden wichtige Hinweise liefern kann oder einer Familie Gewissheit und die sterblichen Überreste eines Verwandten, ja, selbst wenn es “nur” um eine simple Vaterschaft geht, ist es schon ein tolles Gefühl, wenn man helfen konnte.”

Oliver K., Dipl.-Biol., wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für forensische Genetik am Institut für Rechtsmedizin des UKE Hamburg

Olli hat über Genetik, Humangenetik und Anthropologie an der Uni sein Interesse geformt, Kenntnisse gesammelt und wurde so “empfänglich” für die Rechtsmedizin bzw. die Aufgaben der forensischen Genetik dort. Er war nach nach der Uni nach kurzem Abstecher in die Wirtschaft dann so entschlossen, dort als forensischer Genetiker zu arbeiten, daß er viele Entbehrungen auf sich genommen hat (keine bis schlechte Bezahlung, prekäre Verträge etc.) und gleichzeitig sich selber unentbehrlich gemacht hat, so daß er unbeirrt jetzt schon mehr als 10 Jahre im Job ist. Immerhin konnte er im Institut in seiner Heimat bzw. zumindest im Norden unterkommen. (Wenn Ihr ihn mal trefft: quetscht ihn aus, er hat viele sehr spannende Geschichten auf Lager :))

„Wie man forensischer Genetiker wird“. Tja, wenn ich das wüsste. Seit mehreren Jahren versuche ich in dieses spannende Fachgebiet zu wechseln. Ende offen! Daher kann ich hier eigentlich nur berichten, wie man es offenbar NICHT anstellen sollte. Oder ist mein Weg am Ende vielleicht gar nicht so verkehrt?

Nach der Schule studierte ich Biologie und promovierte im Anschluss an mein Diplom im Bereich Evolutionsbiologie. Momentan baue ich unbefristet und in Vollzeit in einem medizinischen Labor als wissenschaftliche Leitung die molekulargenetische Diagnostik im Bereich Blutkrebs mit auf und kümmere ich mich um die Coronasequenzierung mittels Next Generation Sequencing.

Gegen Ende meiner Promotionszeit entwickelte sich in mir der Wunsch, in eine angewandte und den Menschen direkt nutzbringende Richtung umzuschwenken. Als ich bei meinen Recherchen auf die Forensische Genetik stieß, hatte ich das Gefühl „Das ist es!“. Abgesehen von einer Toxikologievorlesung waren mir forensische Themen an der Uni nie begegnet. Ich fand Figuren wie „Abby“ aus NCIS oder Quincy zwar schon immer sympathisch, hätte mir diese Thematik aber nie als Möglichkeit einer realen beruflichen Zukunft zugestanden. Schließlich soll man ja „etwas Vernünftiges“ lernen – nicht, was der gemeine Fernsehzuschauer gerade in amerikanischen Serien cool findet. In meiner Bewerbungsphase fing ich an, zusätzlich zu den ausgeschriebenen Stellen, nach und nach Initiativbewerbungen durch die ganze Republik bis einschließlich Innsbruck, Rotterdam und Den Haag zu schicken (RM, LKÄ, private Labore). Meine persönliche Liste der forensischen Labore wuchs parallel zum Stapel der Absagen. Immerhin – ein Gutachter an einer Rechtsmedizin (und zufällig Autor dieses Blogs ;-)) stellte mir in seiner Absage die Möglichkeit eines Praktikums in Aussicht. Yeahy, ein unbezahltes Praktikum als frische Frau Dr., die endlich mit ihrem angesammelten Wissen Geld verdienen will… Letztlich nahm ich ein paar Monate später doch etwas kleinlaut meinen Mut zusammen und den Hörer in die Hand. Kurz darauf wurde ein Kennenlerntermin vereinbart und DER war dann gewissermaßen die Initialzündung.

Zu Hause im stillen Kämmerlein ein paar Kriminaltechnikbücher lesen und sich auszumalen, wie man nett ein paar DNA-Profile auswertet oder tatsächlich das erste Mal mit anderen Menschen über Schusskanäle und Spermiennachweise auf gesicherten Textilien zu fachsimpeln, während drei Räume weiter echte Leichen seziert werden, sind zwei völlig verschiedene Dinge. Jetzt war ich heiß! Vor meinem Praktikum besuchte ich noch den Spurenworkshop in Jena, weil ich wissen wollte, mit welcher Spezies ich es mit den forensischen Biologen so zu tun bekommen würde. Während meines Praktikums versuchte ich natürlich an Eindrücken mitzunehmen, was ging. Mit den gesammelten Erfahrungen und einem ersten (und anerkannten) forensischen Kontakt im Lebenslauf wurde ich in der Folge zumindest öfter zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. Letztlich gingen die Stellen aber doch immer an Kandidaten mit „mehr Erfahrung“. Dass ich während meiner Doktorarbeit STRs nicht nur angewandt, sondern Primer dafür selbst entwickelt hatte – noch dazu für einen Nicht-Modellorganismus – und durch meinen fachlichen Hintergrund Erfahrung in komplexen statistischen Modellen mitbrachte, interessierte leider nicht wirklich. Auch machen meiner Erfahrung aus diversen Gesprächen mit behördlichen Mitarbeitern nach formale Kriterien (Stichwort „Über-“ bzw. „Fehlqualifizierung“) den Einstieg über praktische Stellen als Technische Assistentin oder Sachbearbeiterin Spurensicherung für studierte und gar promovierte Wissenschaftler nahezu unmöglich.

Sich erst nach der Promotion für den Einstieg in die Forensik zu entscheiden und damit in einen Fachbereich, in dem man selbst und auch der Doktorvater unbekannt ist, fordert einiges an Geduld, Frustrationstoleranz und Einsatz. Mehrere Absagen pro Woche über einen Zeitraum von vielen Monaten hinweg muss man auch seelisch erstmal wegstecken. Ob sich das Ganze am Ende lohnt? Wir werden sehen.

Anna R., Dr. rer. nat., wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Labor für molekulargenetische Diagnostik

Anna hat in meinen Augen genau das gemacht, was man machen muß, um zumindest eine Chance zu haben, wenn man erst nach der Promotion zur forensischen Genetik kommen will. Sie hat sich ein (unbezahltes) Praktikum in einer entsprechenden Abteilung ergattert (,das sie nur bekommen hat, weil wir wußten, daß sie Laborarbeit und genetische Kenntnisse schon drauf hatte), war auf einem sehr wichtigen Kongress, hat genetzwerkt, Bewerbungen in der ganzen Republik verschickt an Rechtsmedizinen und KÄ. Nebenher arbeitet sie sich durch einschlägige Bücher und Paper und bleibt mit der Community in Kontakt. Sie besitzt also die von ihr selbst genannten Geduld, Frustrationstoleranz und Einsatzwillen und wir wünschen ihr sehr, daß sich das bald auszahlt und sie den Sprung ins Feld schafft!

“Zahlreiche Serien, Bücher und der Tatort ließen mich davon träumen forensische Genetikerin zu werden, weshalb ich bereits in der Oberstufe eine Facharbeit über die forensische Entomologie geschrieben habe. Damals wusste ich noch nicht, dass man hierfür Biologie studieren kann, weshalb ich zunächst traurig war, nicht den nötigen NC im Abitur für Medizin erreicht zu haben. Mittels Losverfahren startete ich schließlich im April 2008 mein Diplom-Studium der Biologie an der Universität Mainz und konnte mich glücklicherweise in meinem Hauptstudium u.a. auf die forensische Genetik/Rechtsmedizin spezialisieren. Ich habe dabei jede freie Minute genutzt, um Einblicke in die Forensik zu bekommen, weshalb ich meine Semesterferien damit verbracht habe, mehrwöchige Praktika an den rechtsmedizinischen Instituten Mainz, Frankfurt und Köln zu absolvieren. Meine Diplomarbeit durfte ich an der Rechtsmedizin Köln bei Prof. Schneider anfertigen, wo mir neben einem sehr spannenden Thema nochmals ganz neue Möglichkeiten geboten wurden. Ich wurde in die forensische DNA-Analytik eingearbeitet, durfte Obduktionen besuchen und merkte sehr schnell, dass genau das meine Leidenschaft war. Dieser Scienceblog, ich entdeckte ihn zufällig im Internet, verhalf mir u.a. dazu, in meiner forensisch genetischen Diplom-Prüfung die Note 1,0 zu erzielen ( :-), Anm. CC). Nach dem Studium im August 2014 arbeitete ich einige Monate als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Prof. Schneiders Labor an einem spannenden RNA-Projekt. Leider gab es für mich im Anschluss nicht die Möglichkeit, meine Promotion anzufertigen, weshalb ich mich ab April 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Labor Dr. Wisplinghoff mit onkologischen Fragestellungen und der Pränataldiagnostik beschäftigte. Im Januar 2017 bekam ich schließlich die Möglichkeit, meine Doktorarbeit bei der Labcon-OWL GmbH (Bad Salzuflen) in Kooperation mit der Rechtsmedizin Ulm anzufertigen und gleichzeitig als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abstammungsanalytik zu arbeiten. Zu meinen aktuellen Forschungsschwerpunkten gehören neben der forensisch-molekularen Identitäts- und Körperflüssigkeitsbestimmung mittels Next-Generation Sequencing derzeit auch die SARS-CoV-2-Diagnostik. Heute, einige Jahre später, leite ich bereits eigenverantwortlich die forensische Genetik der Labcon-OWL und bekleide darüber hinaus die Position der stellvertretenden Abteilungsleiterin unserer Routinediagnostik mit mehr als 60 Mitarbeiter*innen. Damals hätte ich mir nie vorstellen können, meinem Ziel so nahe zu kommen, aber ich habe mir mehr als bewiesen, dass es sich lohnt an seine Träume zu glauben.”

Janine F. S., Dipl.-Biol., wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Labcon-OWL GmbH

Jane hatte schon sehr früh eine starke Affinität zur forensischen Biologie/Genetik, so daß sie schon in der Schulzeit begann, Arbeiten darüber zu schreiben. Danach hat sie ein geeignetes Studium begonnen und  sich währenddessen extrem zielstrebig und örtlich beweglich Gelegenheiten gesucht, Praktika zu absolvieren und forensisch zu arbeiten, so daß sie später auch ihre Diplomarbeit über ein forens.-genetisches Thema machen konnte. Nach ihrer Doktorarbeit, die derzeit die Arbeit in einem kommerziellen Diagnostik-Labor mit der Rechtsmedizin/forens. Genetik verbindet, wird sie sehr gut aufgestellt sein, um entweder im Privatlaborsektor zu bleiben (wo sie auch forens.-genetisch arbeiten könnte) oder sich wieder Richtung universitäre forensische Genetik zu orientieren.

Nachtrag am 11.08.2021: 

“Wie vermutlich bei vielen, kam das erste Interesse an dem Themengebiet Forensik bei mir durch die Lektüre von Kriminalromanen. Auch wenn das darin vermittelte Bild oft nicht der Realität der Arbeit eines Forensikers entspricht, sprach mich die Möglichkeit, durch objektive Analysen etwa ein Puzzlestück zur Aufklärung von Straftaten beizutragen oder Familienverhältnisse aufklären zu können an.

Da es einen Studiengang “Forensik” in Deutschland zu dem Zeitpunkt noch nicht gab und ich mir ein Medizinstudium nicht vorstellen konnte, entschied ich mich für den Studiengang Biologie, um die naturwissenschaftlichen Grundlagen zu erlernen. Nach dem Vordiplom erkundigte ich mich dann, ob die Möglichkeit bestünde, Rechtsmedizin als nicht-biologisches Nebenfach zu belegen. Obwohl ich an meiner Uni zu diesem Zeitpunkt die erste Studentin mit diesem Antrag war, wurde dem glücklicher-weise zugestimmt und so konnte ich in die forensische Toxikologie, Entomologie und Genetik hineinschnuppern. Aufgrund dieser Praktika und durch ein Auslandssemester im Studiengang Forensic Science verfestigte und spezifizierte sich mein Ziel und als es Zeit für die Diplomarbeit war, fragte ich bei der Forensischen Genetik an der Rechtsmedizin in Bonn an. Nachdem ich zunächst zähne-knirschend eine Absage hinnehmen musste, bekam ich zwei Wochen später doch noch eine E-Mail, die in etwa besagte: „Wir haben vielleicht doch ein interessantes Projekt, aber dafür müsstest Du ins Ausland”. Und so kam es, dass ich meine Diplomarbeit an der Rechtsmedizin Bonn verfasste und die praktische Laborarbeit in einem anerkannten Labor in den Niederlanden durchführen durfte.

Durch diesen sprichwörtlichen Fuß in der Tür bekam ich nach erfolgreich abgeschlossenem Studium in der Bonner ForGe ein sehr interessantes Promotionsthema angeboten, welches ich sofort zusagen und beginnen wollte – nur leider ließ die Finanzierung auf sich warten. So überbrückte ich fast 1,5 Jahre als Praktikantin, mit Vorversuchen und kleineren Projekten. Eine Zeit in der durchaus von Freunden und Familie mal nachgefragt wurde, ob nicht vielleicht doch ein anderes Fachgebiet, in dem man leichter an Stellen käme, auch interessant sein könnte. Aber ich war noch nicht bereit meinen Traum aufzugeben und das Warten sollte sich lohnen: die Finanzierung durch die DFG wurde genehmigt und einige Jahre, ein tolles Projekt, viele Erfahrungen und einen Umzug nach Kiel später war die Doktorarbeit geschafft.

So sehr ich die Arbeit an den rechtsmedizinischen Instituten mochte, wurde mir mit der Zeit aber klar, dass ich mich auf Dauer mehr in der Routine-Fallarbeit als in der Forschung sah. Daher bewarb ich mich einige Monate nach meiner Verteidigung auf die Stellenausschreibung eines Landeskriminalamtes, und bin heute glücklich meinen Platz als Sachverständige „im Amt“ gefunden zu haben.

Zusammenfassend würde ich sagen war der Weg hierher eine Mischung aus Zielstrebigkeit, Geduld, viel Arbeit, vielen Umzügen und einer ordentlichen Portion Glück und passendem Timing.”

Eva S., Dr. rer. nat., Sachverständige für forensische DNA-Analyse an einem Landeskriminalamt

Evas Weg ist also dem von Galina sehr ähnlich: auch Eva war von Anfang an auf das Ziel “Forensische Genetik” fokussiert, verfolgte es konzentriert und hat sogar als Pionierin Rechtsmedizin als zweites Nebenfach im Rahmen des Biologie-Studiums durchbekommen. Wie Annica hat dann auch Eva Ausdauer und Durchhaltevermögen bewiesen, um auf Drittmittel für ihr Promotionsprojekt zu warten. Und wie viele andere war auch Eva bereit, ihre Heimat zu verlassen, um ihr Ziel zu erreichen. Dafür war sie, nachdem sie mit mir nach Kiel gegangen war, hier ihr Projekt (mit Verlängerung) zuendegeführt, den Dr. fertig und schon viel Erfahrung in der Routine gesammelt hatte, sehr gut aufgestellt, um die (wie sie inzwischen gemerkt hatte) präferierte Stelle an einem KA (, das übrigens auch nicht nahe Evas Heimat ist,) zu bekommen.

#Ende des Nachtrags#

Alle bisherigen waren Beispiele aus Deutschland. Zum Kontrast habe ich auch eine Schweizer Kollegin um Ihre Geschichte gebeten:

“Mein beruflicher Werdegang hat mit einer Berufslehre angefangen. Ich bin also hochoffiziell gelernte Drogistin 🙂 Nach vier Jahren Lehre wollte ich aber doch noch «ein bisschen mehr» und habe zwei Jahre berufsbegleitend die Berufsmatura absolviert. Nebenbei habe ich in der Drogerie weitergearbeitet.

Die Berufsmatura hat es mir anschliessend erlaubt, an die Fachhochschule zu gehen. Nach drei Jahren hatte ich den «Bachelor of Science in Molecular Life Sciences» in der Tasche. In einer Genetikvorlesung hatte ich das erste Mal von der forensischen Genetik gehört und war gleich Feuer und Flamme dafür.

Anschliessend hat es mich doch noch an die Universität verschlagen, wo ich den «Master of Biology, Genetics» abschliessen konnte. Für die Bachelor- sowie die Masterarbeit bekam ich die Chance, in zwei verschiedenen Instituten für Rechtsmedizin an spannenden Projekten zu arbeiten.

Am vielversprechenden Projekt meiner Masterarbeit durfte ich anschliessend im Rahmen meiner Doktorarbeit weiterarbeiten. Nun bin ich seit zwei Jahren an einem Institut für Rechtsmedizin als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und gleichzeitig absolviere ich die Weiterbildung zur forensischen Genetikerin (offizieller Fachtitel der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin).”

Ina S.*, Dr. sc. nat., wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem universitären Institut für Rechtsmedizin (*Name geändert, Anm. CC)

Ich weiß nicht genau, wie die Lage in der Schweiz ist, glaube aber zu wissen, daß es dort keine mit unseren KÄ vergleichbaren Behörden gibt und es gibt natürlich deutlich weniger Institute für Rechtsmedizin mit Abteilungen für forensische Genetik. Letztere müssen dann auch die ganzen Spuren aus Kriminalfällen bearbeiten und einige der Abteilungen sind deshalb in Routine- und Forschungsbereiche aufgeteilt. Dennoch wird es wegen der kleineren Zahl an Instituten vermutlich weniger Stellen für forensische Genetiker geben. Insofern passt Inas Werdegang, der nur insofern etwas untypisch ist, als sie vor dem Studium erst noch eine Ausbildung gemacht hat, ins Bild: auch sie hat sehr früh ihr Interesse für das Fach entdeckt und dann ganz gezielt Bachelor-, Master- und Doktorarbeit im Feld geschrieben. Nicht verwunderlich also, daß sie gleich nach dem Dr. eine Stelle als forensische Genetikerin an der Uni/Rechtsmedizin bekommen hat.

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P.S.: falls noch andere von Euch, die schon mit uns Kontakt hatten und/oder sich in der gleichen Situation befinden/befanden, hier mitlesen: bitte sehr gerne in den Kommentaren Eure eigenen Erfahrungen/Empfehlungen berichten.

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Kommentare (6)

  1. #1 H. Auwärter
    08/08/2021

    Hammer! Vielen Dank an Sie alle, dass Sie Ihre Geschichte aufgeschrieben haben und viel Glück an die, die noch nicht angekommen sind!

  2. #2 Dr. Webbaer
    08/08/2021

    Ischt sicherlich “Hardcore”, naturwissenschaftliche Anwendung meinend, auch nicht immer appetitlich, Dr. Webbaer mag auch Einschätzungen wie gleich ganz oben beigebracht : ‘Die Arbeit ist zutiefst sinnerfüllt, weil er keinen diffusen, sondern sehr konkreten und hohen Anliegen wie beispielsweise der Aufklärung von Straftaten oder der Identifizierung von Verstorbenen dient.’
    Allen viel Erfolg!

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  3. #3 Aspirant
    09/08/2021

    von mir auch großes Dankeschön.
    Ganz schwer, über diesen Beruf was zu finden, hier an der Uni weiss kaum einer was und ein Praktikum zu bekommen ist ziemlich schwer.
    Hat auf jeden Fall geholfen, mir ein Bild zu machen und über Möglichkeiten nachzudenken!

  4. #4 Aspirant
    09/08/2021

    P.S.: grüsse gehen raus an den Olli – voll sympathischer Kerl 🙂

  5. #5 Cornelius Courts
    11/08/2021

    Es gibt noch einen Nachtrag: ich habe noch die Geschichte von Eva, meiner ersten Doktorandin, eingefügt. Danke Eva, für’s Teilen!

  6. #6 Gasterosteus
    12/08/2021

    Yey, den Beitrag von Eva hatte ich schon vermisst.
    Schön, die vielen Beiträge zu lesen.