Dann gab es noch ein Update zu den “Berner Steinen” (dazu gab es ja schon in Bielefeld dieses Jahr einen Vortrag): inzwischen hatten die Berner Kollegen auch Wurfexperimente gemacht und geprüft, ob sich die Reihenfolge, mit der verschiedene Leute einen Stein berührt haben, anhand der DNA-Analyse von Mischspuren von zwei Personen auf dem Stein nachweisen lässt, um so z.B. Behauptungen der Art zu prüfen: „Ich habe den Stein nicht geworfen, ich habe ihn XY gegeben und der hat ihn dann geworfen“. Das Ergebnis der Studie war, daß sich allein anhand der DNA-Befunde diese Unterscheidung nicht sicher treffen läßt. Die individuelle Neigung von Personen, DNA-haltiges Hautmaterial abzustreifen (sog. „shedder status“), kann hier höchstens einen schwachen Hinweis geben.
Auch V. Birne, die in Bielefeld über ihre Ergebnisse bei der Analyse von sterblichen Überresten in Mexico erzählt hatte, war auf Malta dabei und berichtete ebenfalls von neuen Entwicklungen in ihrem Projekt: es gibt jetzt ein neues Kooperationsprojekt namens „ID-Mex“, an dem sich auch das auswärtige Amt und die UNFPA beteiligen, um Mexiko bei der Identifikation seiner vielen unbekannten Toten (> 50.000!), die in erster Linie durch den Krieg gegen die Drogen bzw. Kartellkriminalität getötet wurden, zu unterstützen. V. Birne beschrieb nun den erfolgreichen Einsatz eines Extraktionroboters zur Verbesserung der DNA-Extraktion aus Knochen, Nägeln und Sehnen:
Ein dritter Kollege, dessen Projekt bereits in Bielefeld von seinem Doktoranden (s.u.) vorgestellt worden war (das ich aber in meinem Bericht nicht erwähnt hatte), M. Zieger aus Bern, zeigte eindrucksvolle Ergebnisse von einer in Bern entwickelten Methode, genannt „Total Human DNA Sampling“ (THDS) [2], um Tatortfußböden großflächig abzusaugen, das aufgesaugte Material zu sichern, aufzuteilen und von jedem Segment eine DNA-Analyse durchzuführen. Die Idee ist, auf diese Weise Zellen des Täters zu finden, wenn dieser sonst nirgends, z.B. am Opfer, Zellen hinterlassen hat. M. Zieger konnte zeigen, daß die Methode sehr gut funktioniert, schnell und günstig einsetzbar ist und empfahl, sie bei Kapitaldelikten auch standardmäßig einzusetzen: man würde dann Tatorte immer sofort und bevor andere Personen dort herumlaufen, absaugen und die Absaugfilter zunächst zurückstellen und könnte bei Bedarf, z.B. wenn sonst keine brauchbaren Spuren auffindbar sind, jederzeit auf sie zurückgreifen. Sehr coole Sache!
Ganz zum Schluß gab es noch einen Überraschungsgast: Chris Phillips, ein englischer Kollege, der aber schon ewig in Santiago de Compostela (wo 2024 die ISFG-Tagung stattfinden wird) in A. Carracedos Gruppe arbeitet, war zufällig auf Malta, erfuhr von dem Kongress und fragte, ob er vorbeikommen und etwas erzählen sollte. Sollte er und tat er auch
über die Vorschläge / Empfehlungen der ENFSI zur Vereinheitlichung der Nomenklatur für STR-Allele, die mittels massiv-parallelen Sequenzierens analysiert wurden (da ist die Allelbezeichnung wegen der ganzen zusätzlichen Sequenzinformation ja viel komplexer als bei der Standard-Analyse durch elektrophoretische Auftrennung) und natürlich ist es von zentraler Wichtigkeit, daß alle forensischen Labore identische Allele identisch benennen, sonst wären DNA-Profile nicht mehr untereinander vergleichbar und damit fast wertlos.
Nach dem offiziellen Ende des Meetings hatte die ausrichtende Firma einige Kollegen und mich noch zu einer sogenannten „focus session“ gebeten; sie haben uns dort eine neue Produktidee, zu der sie schon ein paar exploratorische Experimente gemacht hatten, vorgestellt und wollten unsere Meinung, Bedenken, Interesse und Feedback dazu erhalten. Ich fand, so viel darf ich hier sagen, die Idee gut, habe ein paar Gedanken dazu beigetragen und hoffe, die Firma verfolgt das weiter : )
Insgesamt war es wieder eine schöne, ausgezeichnet organisierte aber auch produktive und inspirierende Tagung an einem ungewöhnlichen Ort, der noch dazu eine kurze Rückkehr in den Sommer bot.
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