In diesen Tagen wird in der amerikanischen Library of Congress ein einmaliges historisches Dokument als Dauer-Exponat enthüllt: Eine Karte des Freiburger Kosmographen Martin Waldseemüller aus dem Jahr 1507, in der zum ersten Mal der Name “America” für die Neue Welt verwendet wird.

Fast jeder kennt die Geschichte. Vor ziemlich genau 500 Jahren, im April 1507, musste der Mönch und Kartograph Martin Waldseemüller eine Entscheidung treffen: Welchen Namen sollte er der gerade entdeckten neuen Welt geben? Seine Entscheidung für “America” – oder “Land des Americus”, zu Ehren des vermeintlichen Entdeckers Amerigo Vespucci – beschäftigt noch heute die Gemüter. Vor sechs Jahren erwarb die Library of Congress das einzige erhaltene Exemplar von Waldseemüllers Kartenwerk, das sie als den “Taufschein Amerikas” bezeichnet, von dem baden-württembergischen Prinzen Johannes Fürst zu Waldburg-Wolfsegg.

Die aus 12 Einzelblättern bestehende Karte wird in einem 2,95 mal 1,85 Meter großen Schaukasten aufbewahrt, der von der amerikanischen Normenbehörde NIST (National Institute of Standards and Technology) speziell für das kostbare Exponat (zehn Millionen Dollar hat die Kongressbibliothek dafür hingeblättert, die Hälfte davon aus Steuergeldern) konstruiert wurde. Der Glas- und Aluminiumkasten ist mit Argon gefüllt, die Dichtungen sollen mindestens für die nächsten 20 Jahre halten.

Ob Vespucci diese Ehre als “Taufpate” wirklich verdient hatte (einige Quellen beschreiben ihn als Aufschneider und Ideenklauer, andere nur als Opfer gefälschter Reiseberichte) oder ob Amerika, wie der Philosoph und Schriftsteller Ralph Waldo Emerson NIST 1856 in seinen “English Traits” schrieb, “den Namen eines Diebes tragen muss”, darüber wird heute noch gelegentlich gestritten. Dass Waldseemüller selbst den Namen in einer späteren Karte durch “Terra incognita” ersetzte”, wirkt zwar wie ein Rückzieher, lässt aber himmel- und erdweiten Raum für Interpretationen.

Viel spannender als die Nomenklatur ist, aus der Sicht des Geographen, sowieso die Tatsache, dass Waldseemüllers Karte Details über den neuen Kontinent enthält, die er zu jener Zeit noch gar nicht hätte wissen können. Den Verlauf der südamerikanischen Pazifikküste, zum Beispiel, oder die Rocky Mountains im nordamerikanischen Westen. Eine Antwort darauf wird noch gesucht.

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