Na gut, “unbekannt” ist leicht übertrieben, denn natürlich kennt inzwischen wohl fast jeder, der in der Gegend südlich von Houston, Texas, unweit der Golfküste lebt, die etwa drei bis vier Millimeter langen roten Insekten. Doch wissenschaftlich sind diese Ameisen bisher noch nicht klar identifiziert: Sicher ist, dass sie enge Verwandte von Paratrechina pubens sind, die auch als “Crazy Caribbean Ant” bekannt ist. Aber die Unterschiede sind groß genug, dass die Forscher der Texas A&M-Universität sie bisher nur als “near pubens”, also der verrückten Karibikameise nahe stehend, einordnen wollten.
Wissenschaftlich mag diese Ameise ja noch ungetauft sein, aber in der Praxis hat sich bereits ein Name etabliert: Crazy-Rasberry-Ameise, benannt nach ihrem Entdecker. Und das ist sicher, neben der erstaunlichen Fortpflanzungsfähigkeit dieser neuen Ameisenart (dazu gleich noch mehr) das Außergewöhnlichste an der Geschichte. Denn Tom Rasberry ist kein Wissenschaftler, sondern ein Kammerjäger.
Ihm waren vor sechs Jahren erstmals diese kleinen, zum Glück nicht all zu bissigen Ameisen aufgefallen, die den ihrerseits sehr bissigen (und zudem noch mit einem Giftstachel am Hinterleib ausgestatteten) Feuerameisen nachstellen. Damals seien es ein paar Tausend gewesen, die er mit Insektengift scheinbar leicht unter Kontrolle kriegen konnte, erzählte er der “New York Times” – doch im Jahr darauf kehrten sie Millionenfach zurück. Denn diese Rasberry-Ameisen – bleiben wie mal vorerst bei diesem Namen – leben in Kolonien mit mehreren Ameisenköniginnen; die vergleichsweise kleinen Kolonien (mehrere Hundert bis ein paar Tausend Individuen) bilden sehr schnell Ableger in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Gängige Bekämpfungsmethoden scheinen bisher kaum zu helfen.
Inzwischen haben sich diese Ameisen so stark vermehrt, dass sie mit ihrer Masse die Gärten und Wälder wie mit einem Teppich bedecken können und gelegentlich schon zu Kurzschlüssen in elektrischen Schaltkästen führten. Und sie bedrohen die gefürchtete Rote Feuerameise, nicht nur als Fressfeind, sondern auch als Konkurrent um Futter und Lebensraum. Diesen Feuerameisen – einer invasiven Spezies, die erst in den 20-er Jahren des 20. Jahrhunderts eingeschleppt wurde – würde in Texas sicher niemand eine Träne nachweinen: Ihre Bisse sind schmerzhaft, zahlreich (mehr als jeder zehnte Texaner wird jährlich Opfer einer Feuerameisen-Attacke) und, wenn sie Allergien oder Schockreaktionen auslösen, eine Gefahr für die Gesundheit oder gar das Leben.
Im Vergleich dazu ist diese neue Ameisenart eher nur lästig. Aber wenn sie zu zahlreich werden, birgt dies auch Gefahren, vor allem für Haustiere: Angeblich sollen verrückte Karibikameisen den Tod von Hühnern und sogar von Rindern verursacht haben, indem sie die Atemwege der Tiere verstopften.
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