Bei der Lektüre dieses Artikels in der “New York Times” (in dem sich der Verfasser John Tierney mit der Frage beschäftigt, ob der Erwerb einer Reiseversicherung etwa vergleichbar ist zu den den Stieropfern antiker griechischer Reisender oder der rituellen Schlachtung zweier Ziegen auf dem Flughafen von Katmandu im vergangenen September, mit der ein hartnäckiger Schaden an einer Boeing 757 behoben werden sollte) stieß ich auf eine bereits im vergangenen Herbst veröffentlichte Studie, die das öfter schon zitierte “Ziegenproblem” (das nichts mit dem gerade erwähnten Tieropfer zu tun hat) um einen meiner Ansicht nach sehr erleuchtenden Aspekt bereichert.
Im “Ziegenproblem”, das im amerikanischen Sprachgebrauch auch “Monty Hall Problem” genannt wird (nach dem Leiter der TV-Spielshow “Let’s Make A Deal”, die auf diesem Problem beruhte), muss der Spieler eine von drei verschlossenen Türen auswählen – hinter einer befindet sich ein neues Auto, das er damit gewinnt, hinter den beiden anderen eine Ziege. Der Clou des Spiels ist, dass der Kandidat sich für eine Tür entscheidet, die erst mal verschlossen bleibt. Der Spielleiter (der genau weiß, hinter welcher Tür das Auto ist), öffnet dann eine der beiden “Ziegentüren” und bietet dem Spieler an, entweder bei seiner ursprünglichen Wahl zu bleiben oder seine Entscheidung zu ändern. Die Frage ist: Sollte er sich umstimmen lassen, oder wäre es besser, wenn er bei seiner ursprünglichen Wahl bleibt?
Rein statistisch gesehen wäre es besser, wenn er sich umentscheidet (wer wissen will, warum, der sollte “Ziegenpoblem” einfach mal googeln), weil die vom Spielleiter übrig gelassene Tür mit einer Zweidrittel-Wahrscheinlichkeit das Auto enthält, während die Chancen des Spielers in der ersten Runde ja nur bei eins zu drei lagen.
Die spannendere Frage schien mir hier immer, warum trotz der schlüssigen Mathematik so viele Menschen Probleme mit der Lösung haben. Und hier kommen die Beobachtungen ins Spiel, die Jane L. Risen von der University of Chicago Graduate School of Business und Thomas Gilovich von der Cornell University in Ithaca (New York) im Experiment mit Studenten gemacht und in einem Artikel für das Journal of Personality and Social Psychology veröffentlicht haben. Leider gibt’s den Artikel nicht frei im Internet, aber so weit ich verstanden habe, zeigten sich die Probanden unwillig, ein Lotterieticket gegen ein anderes mit gleichen Chancen auszutauschen, weil sie befürchteten, damit eventuell ein Siegerlos aus den Händen zu geben.
Und dies kommt auch beim Ziegenproblem ins Spiel. Sicher, rein statistisch wären die Chancen größer, wenn man dem Moderator folgt, der ja erstens nicht raten musste, sondern über einen Informationsvorsprung verfügt, und zweitens garantiert immer mindestens eine Niete = Ziege aus dem Verkehr zieht, (und damit die Erfolgswahrscheinlickeit der verbliebenen Tür verdoppelt).
Aber andererseits ist dies ja kein Roulette, wo man das Spiel theoretisch unbegrenzt oft wiederholen und damit statistisch existierende Vorteile seiner Gewinnstrategie trotz unvermeidlicher gelegentlicher Verluste überhaupt erst realistisch ausnutzen kann – jeder hat eine einzige Möglichkeit zum Spiel, mehr nicht. Und dies ist der Aspekt, der bei einer rein mathematischen Analyse des Problems übersehen wird: Da jeder Kandidat das Spiel nur ein einziges Mal spielen darf, wiegt die statistische Chancenverteilung (die ja erst in der zahlreichen Wiederholung wirklich relevant wird) weitaus geringer, als die Angst, seiner eigenen Intuition misstraut und dadurch den Sieg verspielt zu haben.
Mit anderen Worten: Verlieren alleine ist nicht so schlimm wie der Gedanke, einen möglichen Gewinn schon in den Händen gehalten und dann unbedacht abgegeben zu haben.
Kommentare (8)