… wüsste heute wahrscheinlich jeder gerne, der sich über die scheinbar (oder auch tatsächlich) irreführenden Medienberichte über den Large Hadron Collider ärgert. Leider habe ich derzeit mit meinem Hauptjob genug zu tun, dass für eine ausführliche Recherche keine Zeit blieb, aber ich habe dennoch mal ein paar Datenbanken danach durchkämmt, wann der LHC zum ersten Mal in direktem Zusammenhang mit Schwarzen Löchern oder dem Urknall erwähnt wurde.
Wie gesagt, es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. Aber die erste – scheinbar beiläufige – Erwähnung der Urknall-Komponente fand ich in einem Beitrag des britischen Physikers Kenneth Pounds (der, wie ich nach der Lektüre seiner Wikipedia-Kurzbiografie annehme, den einschlägigen Fachleuten ein Begriff sein wird), den dieser in der Londoner “Times” vom 25. August 1995 veröffentlicht hatte. Darin ging es eigentlich um die Zukunft der Physik. Und als Trost für alle, die nicht an solch eine Zukunft glauben wollten, schrieb er:
“The Large Hadron Collider at CERN will create energies not seen since one million-millionth of a second after the Big Bang.”
Er sagt natürlich nicht, dass der LHC diesen Urknall rekonstruieren würde, aber er rückt die Vorgänge schon in eine für den Laien kaum noch differenzierbare Nähe zu jenem Ereignis, von den unvorstellbaren Energien, auf die er anspielt, ganz zu schweigen.
Dass schwarze Löcher bei den Experimenten mit ins Spiel kommen, finde ich erstmals im Hinweis auf einen Artikel, den Stephen Hawking irgendwann im Jahr der “Physical Review D” zur Veröffentlichung überstellt hatte (er erschien dann im Juni 1996). Über dieses Paper wiederum schrieb der “New Scientist” am 2. Dezember 1995, dass Hawking darin die Möglichkeit bezweifle, dass der LHC sein Ziel, das Higgs-Boson zu entdecken, erreichen könne – und zwar genau wegen der bei den Versuchen entstehenden kleinen Schwarzen Löcher.
Der “New Scientist” erklärt zwar mehrfach, dass es sich dabei um Mini-Löcher handelt, die wie Schaum enstehen und zerplatzen und sich auf Größenordnungen der Planck-Skala abspielen. Alles noch ziemlich unaufgeregt, also, und eigentlich nur für Fachleute interessant.
Aber ausgerechnet am 11. September 2001 – ein Tag, an dem nicht viele Leute gründlich Zeitungen gelesen haben dürften, und die es taten, hatten bestimmt keine positiven Perspektiven an diesem Tag – erschien jedoch im Wissenschaftsteil der “New York Times” ein Beitrag über den LHC, mit der Schlagzeile “Physicists Strive to Build A Black Hole“. Ob sich der Times-Autor George Johnson selbst auf diesen Aspekt versteift hatte oder von Wissenschaftlern darauf gestoßen wurde, kann ich ohne weitere Recherche(und vermut selbst mit) nicht sagen. Aber es sind nicht nur seine Worte, die diesen Zusammenhang groß herausstellen. Ausgerechnet Dr. Stephen B. Giddings , dessen Gemeinschaftsarbeit mit Michelangelo Mangano später eine der Grundlagen für den neuesten LHC-Sicherheitsreport bildete, wird darin mit den Worten zitiert, dass solche Detektoren Beschleuniger “Schwarze-Löcher-Fabriken” sein werden:
“Die Produktion Schwarzer Löcher dürfte die Detektoren aufleuchten lassen wie Christbäume.” (Black hole production should light up the detectors like Christmas trees.)
Sicher, er sagt auch, sie würden im Sekundentakt auftauchen und wieder harmlos verpuffen – aber wer sich ausmalen kann, welche Assoziationen der Begriff “Schwarze Löcher” im Bewusstsein selbst der akademisch (wenn auch nicht einschlägig) Gebildeten weckt, der weiß auch, dass dieser Satz einfach nicht die gleiche Haftkraft im Gedächtnis haben kann wie die “Schwarze-Loch-Fabrik”. Spätestens ab da mussten sich die Geister gerufen fühlen …
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