Dass ich Themen wie Klimawandel und Umweltzerstörung für dringend und bedrohlich halte, muss ich wohl niemandem hier mehr beweisen. Trotzdem – oder gerade deshalb – muss es erlaubt sein zu sagen: Es gibt noch dringendere Probleme. Den Hunger, beispielsweise. Etwa ein Sechstel der Weltbevölkerung, rund eine Milliarde Menschen. leiden darunter, wie die Vereinten Nationen am Dienstag mitteilten. Vielleicht wird es etwas anschaulicher, wenn man sich vorstellt, dass in München alle Einwohner von Schwabing, Milbertshofen und Bogenhausen an Hunger leiden (für Berliner: Die kompletten Bezirke Mitte und Kreuzberg; für Hamburger: der komplette Bezirk Hamburg Nord). Oder, für Deutschland insgesamt: Alle so genannten “neuen Bundesländer”.
Das Problem sei dabei nicht, dass zu wenig Nahrungsmittel weltweit produziert werden, erklärte der Sonderberichterstatter Olivier de Schutter vor der Generalversammlung, sondern dass es zu viele Menschen gibt, die sich diese Lebensmittel nicht leisten können (die UN betrachtet den Hunger daher primär als ein Menschenrechts-Problem): “Wenn Sie die Zahl der Supermärkte in New York verdoppeln, werden die, die heute hungrig sind, immer noch hungrig sein, wenn sie keine Einkommenssteigerungen erleben und ihre Kaufkraft zu niedrig bleibt, um sich die Lebensmittel leisten zu können, die auf dem Markt sind.”
New York ist übrigens als Beispiel gar nicht so schlecht gewählt, wie es angesichts des Überflusses in der Stadt auf den ersten Blick scheinen möchte: Die Schlangen vor der Armenspeisung am Tompkins Square, gleich um die Ecke von meiner Wohung im East Village, ist über die vergangen Jahre hinweg wieder enorm länger geworden. Vor etwa zehn Jahren standen hier vielleicht ein Dutzend Obdachlose an, um sich eine kostenlose Suppe und ein Stück Brot abzuholen – heute geht die Schlange zeitweise um den halben Park herum. Und es sind nicht nur Leute, die immer schon durch das Raster der Gesellschaft gefallen wären, sondern vor allem auch Rentner.
Das Problem ist also nicht nur die Menge der Lebensmittelproduktion, wie de Schutter erklärt, sondern vor allem die Art und Weise: “Wir müssen unter allen Umstanden vermeiden, dass wir unter dem Vorwand, mehr Nahrungsmittel zu produzieren, die Marginalisierung der Kleinbauern verstärken und die Dualisierung der Landwirtschaft zi Gunsten einiger weniger, großer Agrarproduzenten fördern”, warnte er.
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