Ich spiel’ hier erst mal nur den Überbringer der Botschaft: In der heutigen New York Times lese ich, dass ein Gremium des nationalen Forschungsrats der USA (National Research Council) die Regierung in Washington dafür kritisert, dass sie sich nicht genug um die Identifizierung und Überwachung von Risiken kümmert, die durch die wachsende Verbreitung von Nanomaterialien in alltäglichen Produkten wie Zahnpasta oder Klebstoffen oder Tennisschlägern entstehen könnten.

Aus einem weiteren Artikel lerne ich, dass es sich dabei um keineswegs nur hypothetische Gefahren handelt: Eine schottische Studie hatte bereits im Mai dieses Jahres nachgewiesen, dass Nanomaterialien in ihren Gesundheitsrisiken mit Asbest vergleichbar sind. Die NY Times zitiert in ihrem aktuellen Artikel den Toxikologen Martin Philbert (University of Michigan), der auch der stellvertretende Vorsitzende des Gutachtergremiums war: “Derzeit haben wir keine gute Methode, um zu messen, wie viel von diesem Material in der Umwelt ist und in welcher Form es vorliegt, ohne einen herkulischen Aufwand zu betreiben und teure Geräten zu benutzen, die nicht leicht im Feld einsetzbar sind.” Mit anderen Worten: Wir wissen nix.

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Kommentare (7)

  1. #1 Marc
    11. Dezember 2008

    Wir wissen nix.

    Das würde ich so zwar nicht unterschreiben (denn wir bzw. die Wissenschaft weiß schon recht viel im Hinblick auf das Risikopotential von nanoskalierten Substanzen), aber prinzipiell ist die Sache tatsächlich hochinteressant und das aus zweierlei Gründen:

    1. Es wird am Beispiel Nanotechnologie sichtbar, daß (möglicherweise zwangsläufig) bestimmte Innovationen und Produkte eingeführt werden, aber erst danach bestimmte (Gesundheits-)Risiken beurteilt werden können. Das hat mit mangelndem Wissen zum Zeitpunkt der Produkteinführung (egal ob Nanobeschichtungen oder nanopartikel in Lebensmitteln) zu tun, aber auch der Tatsache, daß bestimmte Nebenfolgen bzw. Beeinträchtigungen erst nach ein gewissen Zeit auftreten und dann gezielt untersucht werden. (Hier ist also die Expositionszeit der limitierende Faktor).

    2. Das Mysterium Risikowahrnehmung. Während das Suffix “gen-” als böse, gefährlich, riskant eingestuft wird (jedenfalls in großen Teilen der öffentlichen Wahrnehmung), liegt die Sache bei “nano-” ganz anders. “Nano” klingt modern, chic, innovativ, clever. Wenn Technikhersteller gar ihre Produkte so taufen, wieso soll das schlecht sein?

    Fazit: Die Sache illustriert ganz gut die übergroße Naivität. Der Produzenten von (Risiko-)Technologien, als auch der Nutzer und Konsumenten. Und: ja, man sollte auch bei Artikeln, die “nano” in ihrem Namen tragen, besser hinsehen.

    Hinweis: Ich selbst bin ja von Haus aus Technik- und Wissenschaftssoziologe und habe mich schwerpunktmäßig genau mit dem Umgang mit riskanten Technologien befasst. Im Frühjahr hatte ich in meinem Blog einen kurzen Eintrag zum Risiko Nanofood geschrieben. Und hier gibt es ein Dokument des Bundesamts für Risikobewertung zu den “Chancen und Risiken von Nanomaterialien”. (PDF-Download

  2. #2 Jürgen Schönstein
    11. Dezember 2008

    @Marc
    Nur damit es keine Missveständnisse gibt: Das “nix” bezog sich ja nicht auf das Wissen im Hinblick auf das Risikopotential, sondern auf die tatsächliche Verbreitung der Nanopartikel in unserer Umwelt.

  3. #3 Marc
    11. Dezember 2008

    @Jürgen: O.k., was die Verbreitung von Nanopartikeln angeht, so lässt sich das wohl kaum bestreiten. Stimmt natürlich.

  4. #4 Marion
    12. Dezember 2008

    Bin seit fast 20 Jahren Asbestsachverständige und habe heute noch mit den Asbest-Sünden der 50er Jahre zu tun. Damals begann man damit, dieses “Supermaterial” überall einzusetzen. Man weiß gar nicht genau, wie viele Privatleute daran gestorben sind, da nur die Berufserkrankungen registriert wurden(manchmal wurden betroffene
    Familienmitglieder registriert). Dieses Szenario kann uns auch mit Nanopartikeln blühen, da sie zudem noch die Blut-Hirn-Schranke durchbrechen. Ich habe ein ungutes Gefühl, da man sich jetzt mit Euphorie auf diese neue Technik stürzt wie damals auf das Material Asbest.

  5. #5 Chris
    12. Dezember 2008

    Und dazu kommt noch, dass die Nanomaterialien noch kleiner als die Asbestfasern sind…

  6. #6 Fischer
    12. Dezember 2008

    Der große Unterschied zu Asbest ist natürlich, dass hier schon seit geraumer Zeit Risikoforschung betrieben wird. Da hört man nur nichts von, weil die Resultate nicht allzu spektakulär sind.

    Ich verfolg das Thema ja einigermaßen aufmerksam, aber das ist alles weit unter der Erregungsschwelle, was da so publiziert wird. Das höchste der Gefühle waren vor ner Weile mal ein paar mehr ROS bei einigen Metalloxiden, aber danach ist es wieder ziemlich still geworden.

    @ Georg:
    *hatte bereits im Mai dieses Jahres nachgewiesen, dass Nanomaterialien in ihren Gesundheitsrisiken mit Asbest vergleichbar sind*
    Dieser Satz ist hochgradig irreführend. Schon weil bereits seit Jahren bekannt ist, dass die genauen physiologischen Eigenschaften von CNT stark von der chemischen funktionalisierung abhängen. Und auf “Nanomaterialien” generell übertragen kann man das schon gar nicht.

  7. #7 Anhaltiner
    12. Dezember 2008

    Mir scheint jede neue Technologie hat so ihre Tücken. Ob nun Energiesparlampe oder Biodiesel, nur mal so als Beispiele, früher oder (meistens) später kommen Probleme. Und die sind dann auch noch um so größer, je weiter sich eine Technologie durchgesetzt hat, bzw. wahrgenommen wird. Leider wird man in vielen Fällen erst hinterher schlauer weil dann Zusammenhänge auftreten die vorher kaum jemand kannte.

    Dazu hab ich eine Frage: kann man nicht einfach Nano-Food oder Nano-Substanzen an Schweine (z.B. Ferkel) verfüttern und nach einem Jahr schauen was sich wo ab- oder angelagert hat? (und wenn “ja”, wer soll diese Versuche bezahlen?)