In seinem Blogpost über Politische Genetik hat Ali Arbia von zoon politikon auf die Problematik hingewiesen, wenn komplexes soziales Verhalten auf genetische Ursachen reduziert und dabei die einschlägigen Zwillings-Studien als Methode und Basis eingesetzt werden. Dazu passt auch diese Studie, die in einer der nächsten Ausgaben der Proceedings of the National Academy of Sciences erscheinen wird und die sich mit der genetisch bedingten Komponente der Fähigkeit befasst, Freunde zu machen und sich in Netzwerke einzugliedern.
Ohne den Artikel im Detail gelesen zu haben (den Volltext erhält man nur per Abo oder Gebühr), kann und will ich mich gar nicht zur Kernaussage äußen – die mag ja, bis zu einem gewissen Grad, durchaus plausibel sein. Wer eine Chance hat, Kinder aufwachsen zu sehen, der wird auch ohne wissenschaftlichen Rahmen leicht feststellen können, dass Geselligkeit eine Begabung ist, die sich schon sehr früh zeigen kann und die sich mit den Jahren nur wenig verändert. Nein, auch hier gilt die Kritik der Methode – genauer gesagt, der Annahme, dass die einzige Variable, die monozygote (eineiige) von dizygoten (zweieiigen) Zwillingen unterscheidet, ihre DNA sei. Und ich verweise hier auch auf die gleiche Arbeit von Elizabeth Suhay, Nathan Kalmoe und Christa McDermott an der University of Michigan, wie auch schon Ali im oben erwähnten zoon-politikon-Post.
Die übrigens den Vorteil hat, plausibler zu sein als das – offenbar fast schon axiomatisch akzeptierte – Postulat einer gleichförmigen Umwelt (Equal Environment Assumption), das ja das Herz- und Kernstück der Zwillingsforschung ist: Nur weil sie das gleiche Geburtsdatum und die gleiche Familie teilen, bedeutet das nicht, dass Zwillinge immer exakt die gleiche Sozialisation durchlaufen. Im Gegenteil: Das unter Geschwistern sowieso schon normale Bedürfnis, sich gegen die anderen durchzusetzen (was man im Englischen als “sibling rivalry” bezeichnet), wird bei zweieiigen Zwillingen sicher eher noch verstärkt – wofür ich im Moment allerdings nur meine anekdotischen Beobachtungen im Familien- und Bekanntenkreis anbieten kann.
Die These, dass selbst so komplexes soziales Verhalten wie politische Partizipation, Parteienpräferenz oder die Begeisterung für Facebook im Prinzip durch unsere Gene bestimmt (und damit nur bedingt Ausdruck eines freien Willens) sind, finde ich einfach zu brisant, wenn nicht gar beängstigend. Und dafür möchte ich schon härtere Beweise sehen. Ich will damit aber nicht behaupten, dass Zwillingsstudien grundsätzlich unsinnig wären, im Gegenteil: Wenn es um die genetischen Komponenten physiologischer Phänomene geht, wäre ich nicht überrascht, wenn die verhaltensrelevanten Aspekte dieser “sibling rivalry” wenig Auswirkungen auf die Resultate zeigen. Aber wer dann den noch ziemlich riskanten Spagat von angeborenen Körpermerkmalen zu angeborenem Komponenten des Sozialverhaltens wagen will, sollte vielleicht erst mal das Instrument der Zwillingsforschung neu kalibrieren.
Kommentare (5)