In seiner Rede zum Amtsantritt hatte Barack Obama versprochen, der Wissenschaft wieder ihren angemessenen Platz zurück zu geben:.
Dafür gab’s berechtigten Applaus. Doch wie schwierig sich dies in der Praxis gestaltet, zeigt sich jetzt: In seinem 410 Milliarden Dollar schweren Ausgaben-Paket, das dem Senat vorliegt, sind insgesamt 8570 so genannte “Earmarks”, also speziell geförderte Sonderausgaben (im Volksmund auch “pork barrel” genannt – ein Begriff, der sich auf die altertümliche Bevorratung von gepökeltem Schweinefleisch in Fässern bezieht, dessen genaue Bedeutungsentwicklung aber obskur ist), im Gesamtwert von irgendwo zwischen 3,8 und 7,7 Milliarden Dollar vorgesehen. Und die liefern den Kritikern einen griffigen Hebel, denn Obama war ja ausdrücklich mit dem Versprechen angetreten, solche Sonderausgaben – die meist nur einer kleinen Gruppe dienen und oft als “Wahlgeschenke” von Senatoren oder Abgeordneten propagiert werden – aus dem Haushalt zu tilgen.


Der Haken ist nur, dass nicht wenige dieser “Earmarks” für die Forschung gedacht sind – fwie etwa das Vulkan-Frühwarnsystem, über das sich Bobby Jindhal, Gouverneur des Staates Louisiana, in seiner landesweit übertragenen Gegenrede zu Obamas erster Rede vor dem Kongress lustig gemacht hatte. Oder die 1,7 Millionen Dollar, die der Staat Iowa zur Bekämpfung des Gestanks von Schweinefarmen erhalten soll. Oder die knapp 2,2-Millionen-Dollar-Subvention, die für die Rebsorten-Forschung am Center for Grape Genetics gedacht sind, das an der Cornell University in Geneva (New York) gemeinsam mit einem Forschungslabor des US-Landwirtschaftsministeriums betrieben wird. Oder 6,6 Millionen Dollar für Termiten-Forschung in New Orleans, oder 819.000 Dollar für ein genetisches Forschungsprogramm mit Welsen (“Catfish”) in Alamaba …

Die Kritik an solchen Programmen ist leicht – wie viele Leute interessieren sich schon für den Gencode von Welsen oder leben im Gefahrenbereich eines Vulkans (kleiner Tipp: doch eine ganze Menge, vor allem im pazifischen Nordwesten, also Seattle, Tacoma etc.) Für eine schnelle politische oder kolumnistische Pointe sind sie immer gut. Und vielleicht sollten sie tatsächlich nicht durch solche “Earmarks”, sondern durch ein gut ausgestattetes breiteres Forschungsbudget finanziert werden. Doch auch das würde nichts daran ändern, dass Forschung nicht immer nur der Bekämpfung von Krebs oder der Endeckung neuer, friedensfördernder Energiequellen oder sonstigen hehren Zielen dienen kann. Sie ist oft detailliert, penibel und, ja, für den uninformierten Beobachter, manchmal auf fast lächerliche Weise spezialisiert. Aber so funktioniert Forschung nun mal, wenn sie an ihrem rechtmäßigen Platz ist, nicht wahr?

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Kommentare (6)

  1. #1 Oliver
    6. März 2009

    Richtig, aber die Frage, ob Earmarks das richtige System dafür sind ist trotzdem berechtigt, denn gerade die Finanzierung über Earmarks untergräbt ja den Glauben an die Seriosität des Projektes zu einem beträchtlichen Teil. Die unberechtigte Aufregung wäre sicher geringer gewesen, wäre das ganze im Rahmen eines Forschungsförderungsprogramms finanziert worden. Aber das System in den USA sorgt leider dafür, dass in äusserst unübersichtlicher Weise derartige Earmarks and Gesetzgebung angehängt werden, die man bisweilen nicht im Traum mit ihnen in Verbindung bringen würde. Damit suggeriert man aber durchaus, man wolle damit das “Radar” unterfliegen und jemandem heimlich etwas Geld zuschanzen.

  2. #2 Jürgen Schönstein
    6. März 2009

    Die unberechtigte Aufregung wäre sicher geringer gewesen, wäre das ganze im Rahmen eines Forschungsförderungsprogramms finanziert worden.
    Stimmt. Das hatte ich ja auch geschrieben. Aber die Häme, die über solche Projekte ausgeschüttet wird, hat ja primär gar nichts mit den Modalitäten der Budget-Verabschiedung zu tun – im Gegenteil: Durch diese “Earmarks” werden die Projekte ja eben nicht “unter dem Radar durchgeflogen”, sondern explizit im Gesetzesentwurf aufgelistet. Ich glaube nicht, dass die Akzeptanz größer wäre, wenn diese Forschungsprojekte in einem separaten Wissenschafts-Förderungsprogramm aufgeführt würden. Es geht den Kritikern ja nicht darum wie diese Projekte gefördert werden, sondern dass sie gefördert werden. Und darin sehe ich das Problem – dass Wissenschaft auch weiterhin als Watschenmann für Verschwendung herhalten muss, nur weil ein paar Polit-Populisten nicht begreifen (oder begreifen wollen), dass man nicht immer nur Dinge erforschen kann, die für Sensations-Schlagzeilen auf den Titelseiten von Boulevardzeitungen gut wären. Und die Summen, um die es hier geht, sind – selbst wenn man alle addiert – fast schon lächerlich klein, im Vergleich zu anderen Ausgabenposten.

  3. #3 Oliver
    10. März 2009

    Sie sind explizit im Gesetzesentwurf aufgelistet, aber in einem Gesetzesentwurf, der allzuoft mit der Thematik eigentlich gar nichts zu tun hat. Das sprichwörtliche “Kleingedruckte” ist auch explizit in einem Vertrag genannt. Dennoch hat es ein “Geschmäckle”, dort etwas hineinzuschieben. Im Rahmen eines Forschungsförderungsprogramms kann man sich immer hinstellen und sagen “das ist alles begutachtet worden”. Bei sachfremden “Earmarks” hat man immer den Verdacht, da will der Senator XYZ seinen Spezis etwas zuschanzen. Damit ist schonmal der Generalverdacht gegeben. Ich kann noch so sehr recht haben, wenn meine Botschaft nicht wahrgenommen wird, dann finde ich keine Käufer.

  4. #4 Jürgen Schönstein
    10. März 2009

    @Oliver
    Mag ja sein, dass die Methode nicht die eleganteste ist. Andererseits sind solche Earmark-Hintertürchen manchmal nötig, weil andernfalls gar keine Gelder dafür zu kriegen wären. Die Häme richtete sich ja nicht gegen die Methode, sondern die geförderten Forschungsprogramme – und diese weit verbreitete Forschungsskepsis ist, soweit ich das aus meiner Mitteldistanz zum US-Kongress (lebe in New York, habe aber schon auch ein Auge darauf, was in Washington passiert) beurteilen kann, das grundlegendere Problem.

  5. #5 Oliver
    11. März 2009

    @Jürgen:

    Ich habe mehr als drei Jahre in Texas gelebt und geforscht/gearbeitet… Und mittlerweile arbeite ich im wissenschaftlichen Marketing. Und ich fürchte, Du unterliegst einem klassischen Fehlschluss. Ja, die Forschungsskepsis ist das grundlegende Problem, aber denkst Du, trägt es zur Lösung bei, sich hinzusetzen und darüber aufzuregen? Insbesondere dann nichts, wenn eben MIT der Methode eben jener Skepsis zusätzlich der Boden bereitet wird. Nein, die Häme richtet sich nicht gegen die Methode, aber die Methode unterstützt die Häme.

    Es bringt doch nichts, sich hinzusetzen und zu seufzen, wie böse doch wie Welt ist. Es bringt nur etwas pragmatisch DIE Punkte anzugehen, bei denen man auch etwas tun kann. Dazu kommt der zweite Faktor, dass die Finanzierungsmethode nicht nur dem ganzen ein Geschmäckle anhängt, sie bringt das ganze auch noch auf den Boden des Kongresses, der im wesentlichen besseres zu tun hat, als den kompletten Katalog der Forschungsprojekte der National Science Foundation, geschweige denn des NIH nach jedem Einzelposten durchzuackern. Ich erweise mir also einen Bärendienst.

  6. #6 Jürgen Schönstein
    11. März 2009

    @Oliver
    Ich bestreite ja nicht, dass ein ausgeruhtes Forschungsbudget der bessere Weg zu guter Forschung wäre. Aber wenn man sich anschaut, wie sich die Forschungsausgaben in den vergangenen Jahren entwickelt haben – wie etwa in diesem Bericht der American Association for the Advancement of Science geschehen – dann sieht man, dass es mit der Forschungs-Förderung halt doch hapert, wenn man von den Geldern mal absieht, die direkt in die Rüstungsentwicklung fließen. Forschung ist aber mehr als Waffenentwicklung, oder?