Der Gute ist in den USA zwar noch in aller Munde – von der allüberall gebrauchten (Gruß)-Floskel “God bless America”, über den von der Verfassung zwar nicht vorgeschriebenen, aber generell praktizierten Eides-Schlussatz “So help me God” und den morgendlichen Fahneneid in vielen Schulen (“Pledge of Allegiance”) mit der ebenfalls nachträglich eingefügten Passage “One Nation under God”, bis hin zu den alltäglichen Münzen und Geldscheinen (ok, die sind hoffentlich in niemands Munde) und ihrem Motto “In God We Trust”. Doch die Zahl seiner Anhänger seiner Anhänger sinkt stetig – oder, wenn mann so sagen wollte, die der potenziellen Mitfahrer in eventuellen Atheistenbussen wächst immer weiter. Laut dem American Religious Identification Survey (ARIS), der vom Program on Public Values am Trinity College in Hartford (Connecticut) durchgeführt wurde, bezeichnen sich inzwischen 15 Prozent der Amerikaner als religionslos. Den Report findet man hier.


Sicher, religionslos ist nicht gleich gottlos … oder so ähnlich wird jedenfalls oft argumentiert. Die Zahl der “bekennenden’ Atheisten (also jene, die sicher sind, dass es keinen Gott gibt) oder Agnostiker ist in der Tat deutlich geringer als die der bekennend Religionslosen – nur 1,6 Prozent der Befragten (54.461 Erwachsene, statistisch repräsentativ ausgewählt) kreuzten dieses Feld an. Doch beim Nachhaken zeigte sich, dass auf der Basis ihrer Glaubens-Einstellung mehr als zwölf Prozent entweder als Atheisten (2,3 Prozent) oder Agnostiker (10 Prozent) eingestuft werden müssten. Umgekehrt glauben “nur” knapp 70 Prozent aller erwachsenen Amerikaner an einen Gott im judäo-christlich-moslemischen Sinn (die Frage wurde 2008 erstmals gestellt, daher gibt es keine Vergleichszahl) – also jenem Gott, der in den oben erwähnten Formeln und Ausdrucksformen so alltäglich beschworen wird.

Der Anteil der Religionslosen – also jene eingangs genannten 15 Prozent – ist gegenüber dem letzten ARIS im Jahr 2001 zwar “nur” um 0,8 Punkte gestiegen, aber als Folge des Bevölkerungswachstums in den USA entspricht dies einem absoluten Zuwachs von etwa 4,7 Millionen Erwachsenen. Im Verlauf der vergangenen knapp zwei Jahrzehnte hat sich die Zahl dieser Nicht-Gläubigen sogar mehr als verdoppelt – von insgesamt 14,3 Millionen auf 34,2 Millionen. Sie sind die am stärksten wachsende “Glaubens”-Gruppe in den USA, und auch die einzige Gruppe der Umfrage, die in allen US-Bundesstaaten zahlenmäßig zulegen konnte.

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Kommentare (8)

  1. #1 catta
    10. März 2009

    Kleine Definitionsberichtigung/-ergänzung/-vertiefung: Atheisten sind sich nicht sicher, daß es keine Götter gibt. Sie sind sich nur sicher genug, um nicht sich nicht auf “man kann es nicht wissen” zu beschränken.

  2. #2 Arnd
    10. März 2009

    @catta: Das kommt drauf an. Atheisten a’la Dawkins sagen nur dass sie nicht an einene Gott glauben. Es gibt aber auch die “fundamentale” Position derer, die sich 100% sicher sind. Die meisten (ich inklusive) sagen aber wohl dass sie erst dann an einen Gott glauben wenn es handfeste Beweise für seine Existenz gibt.

  3. #3 Tim
    10. März 2009

    Die Bezeichnung “Atheist” ist wenig sinnvoll, da empörend defensiv. Eigentlich ist sie nur historisch zu verstehen. “Humanist” trifft die Sache wesentlich besser. Da muß man gar nicht über die Wahrscheinlichkeit der Existenz metaphysischer nachdenken.

  4. #4 b-age
    10. März 2009

    natürlich gibt es gott. und auch seine ganzen “verwandten”. aber nicht sie haben uns erschaffen sondern wir sie. götter sind keine übermenschlichen wesen (diese wesenheit stelle ich entschieden in abrede, sehr schwache und typisch menschliche hilfsvorstellung) sondern ein menschgemachtes geistiges und soziales konstrukt, das eine doppelfunktion erfüllt: zum einen hilft es dem einzelnen sich über (selbst- und andere)zweifel hinwegzusetzen und zum anderen ist es ein stark verbindenendes soziales element das wir-gruppen erzeugt die deutlich mächtiger sind als kleingruppen oder einzelne. die durchsetzungsstärke dieser gruppen wird auch der grund sein warum JEDE menschliche gesellschaft unabhängig voneinander religiöse strukturen entwickelt, vielleicht auch der grund dafür, dass wir eine region im hirn haben die bei reizung empfindungen von religiöser erkenntnis auslöst.
    u.U. lässt sich also mit darvin (naja, sagen wir mal evolutionär) auch die religion erklären und damit gott. ist das nicht herrlich 😉
    somit bleibt jeder gott solange real wie eine hinreichende anzahl menschen daran glaubt, wenn auch nicht in der art wie es sich die die daran glauben vorstellen.
    jedenfalls ist gott kein “wesen” sondern eine idee, so real wie andere ideen auch. was bin ich dann jetzt? atheist? agnostiker? ideeist? ideologe? brauchen wir diese begrifflichkeiten?

  5. #5 Robert
    10. März 2009

    Mir ist eher vor einem “gläubigen” Amerika Angst, als vor einem, das “gottlos” ist; eigentlich würde ich die letzte Vokabel eher für den tatsächlichen Stand des Landes verwenden, während die Amis sich selbst eher als gottgefällig ansehen würden.
    Und so recht kann ich die Zahl auch nicht glauben, wenn an anderer Stelle zu lesen war, über 70% der Amerikaner wären Kreationisten, würden also daran glauben, dass die Welt inkl. Universum so entstanden ist, wie’s in der Bibel beschrieben wurde. Gut, – traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast! Aber hier scheint mir doch eine gewaltige Diskrepanz zu herrschen.
    Letztlich würde das bedeuten, dass jeder Gottgläubige auch gleich Kreationist wäre. Nun kenne ich persönlich einige Amerikaner, auch gläubige, weiß aber von einigen ziemlich sicher, dass sie der wissenschaftlichen Interpretation der Erdentstehung den Vorzug geben.

  6. #6 Jürgen Schönstein
    10. März 2009

    @catta
    In der ARIS-Umfrage wurden als Atheisten diejenigen eingestuft, die auf die Frage “Hinsichtlich der Existenz Gottes, glauben sie …” mit “so etwas gibt es nicht” geantwortet hatten. “Das kann man nicht wissen” und “ich bin nicht sicher” wurde als Agnostizismus gewertet.

  7. #7 Bert Steffens
    23. April 2009

    “Gottloses” Amerika? Gäbe es so etwas wie einen “Gott”, dann wäre nichts und niemand “gottlos”, auch kein Amerikaner. So betrachtet – und wie sollte man es anders betrachten können – braucht niemand sich Gedanken über die Frage nach “Gottlosigkeit” zu machen. Die sogenannten Gottgläubigen wissen auch selbst, dass sie nur etwas glauben, sonst müssten sie sich ja “Wissende” nennen.
    Den ernsthaft Sinnsuchenden ist bewusst, dass sie sich in Bescheidenheit üben müssen, weil sie längst wissen, dass sie ihrem letztendlichen Nichtwissen nicht entkommen können.
    Aber lesen Sie selbst, was zum “Glauben” – in Amerika und sonstwo – noch zu sagen ist:

    Gekürzter Auszug aus
    „ZEIT DER AUFKLÄRUNG ZWEITER TEIL“, Buch 1 „Die Entdeckung der Selbst-Bestimmtheit“.
    Autor: Bert Steffens, Freier Philosoph, Andernach
    Copyright 2004-2009 Bert Steffens
    E-Mail: steffens@bestomatic.com
    _____________________________________________________________________________

    BERT STEFFENS

    Von fünf wesentlichen „Herrenmenschenideen“

    Die irrigen Prinzipien von „Herrenmenschenideen“ lauten ganz allgemein:

    Wer seinen Willen mit Gewalt durchsetzen kann, wer also beispielsweise an militärischer oder wirtschaftlicher Macht überlegen ist und zudem den „wahren Glauben“, die „wahre Gesinnung“, die „richtige“ Hautfarbe oder die „überlegene“ Kultur zu besitzen glaubt oder wer einfach nur seine Gier nach Herrschaft und Beherrschung befriedigen will oder auch nur dem „stärkeren“ Geschlecht angehört, der ist „von Natur aus“ Herr oder Herrin, selbst über „seine“ Umwelt.

    Das irrationale Festhalten an einem irrealen Weltbild, wie jenem der „Herrenmenschenidee“, machte und macht es möglich, dass überall auf der Erde größere Menschengemeinschaften für sehr lange Zeit – für Jahre, Jahrhunderte oder auch Jahrtausende – Opfer einer ihre Kultur bestimmenden und damit auch kulturbildenden Macht gewisser Irrtümer werden konnten, bzw. immer noch Opfer sind. Die irrige Idee „von Natur aus“ Herr über andere zu sein, wurde auch im „aufgeklärten“ Europa nicht als grundlegender, kulturbestimmender Irrtum erkannt.

    Ein allgemeines Bewusstwerden und Ächten dieses grundlegenden Irrtums und die Erkenntnisse hieraus als Kulturgut zu begreifen, das ist wohl die derzeit bedeutendste noch ausstehende Kulturleistung der Menschen.

    Es ist gleichgültig, ob irreale Weltvorstellungen, welche die Menschen in „Klassen“ verschiedenen Wertes und unterschiedlichen Rechts aufteilen oder den Besitz der alleinigen „Wahrheit“ für einen beschränkten Kreis von Menschen behaupten, als Religion oder als politische Ideologie daherkommen. Der Mensch kann sich davor nur durch das Beobachten und Deuten an Hand der Realität mittels des Gebrauchs seiner individuellen Erkenntnisfähigkeit schützen.
    Wesentliche Ursache des Wirkenkönnens irrealer, auf bloßen Ideen beruhender Weltvorstellungen auf Erkenntnisprozesse und damit auf das Handeln des Menschen, ist nicht etwa ein minderentwickeltes Gehirn einer Vielzahl von Menschen oder eine „Minderwertigkeit“ der einen oder anderen Kultur, sondern letztlich der Einfluss erlernter, weil kritiklos übernommener Irrtümer und/oder ein Mangel an Wissens- und Erkenntniszuwachs oder ein mangelndes Streben danach.

    Fünf der wesentlichen kulturbestimmenden Irrtümer aus „Herrenmenschenideen“ werden nachstehend in verschiedenen Ausprägungen beschrieben. Meist entfalten sie miteinander vermischt ihre Macht, wobei eine in der Regel als „Leitidee“, mitunter auch „Leitkultur’“ genannt, dominiert.

    […]

    5. Es ist ein fünfter kulturbestimmender Irrtum, demnach nicht die Menschenwürde, vielmehr eine religiöse Idee, die auf ein bloßes Glauben an etwas Irreales, „Jenseitiges“ baut, den Menschen bestimmen müsse und diese Idee solle zugleich Leitschnur auch im Staate sein.
    Nicht nur in der sogenannten „westlichen Welt“, die sich als aus aufgeklärten Gesellschaften zusammengesetzt betrachtet, breiten sich wieder religiöse, insbesondere fundamentalistisch-monotheistische Ideen aus. Im Extremfall glauben jene Menschen, die den „wahren Glauben“ zu besitzen behaupten und Herrschaftsgewalt auszuüben in der Lage sind, sie seien verpflichtet, den „Ungläubigen“ oder „Gottlosen“ ihren Glauben mit Gewalt aufzuzwingen und diese notfalls zu töten oder zu vertreiben. Solches Verhalten zeigt die Gegenwart und lehrt die Geschichte. Letzteres wird in Europa beispielhaft durch sogenannte „Heilige Kriege“ oder „Religionskriege“ belegt, seien es die „Kreuzzüge“ Ende des 11. bis hin zum 15. Jahrhundert, die Hugenottenkriege in den Jahren 1562 bis 1598 oder der Dreißigjährige Krieg der Jahre 1618 bis 1648 und nicht zuletzt die zahllosen grausamen Judenpogrome. Selbst die kriegerischen Auseinandersetzungen jüngerer Zeit, wie beispielsweise die in Nordirland, im Nahen Osten, im Iran, in Pakistan und Indien – um nur einige zu nennen – haben letztlich religiöse Ideen als Ursache oder werden als Ursache behauptet. In seiner 1993 in Chicago veranstalteten Tagung, stellte das sogenannte „Parlament der Weltreligionen“ fest, dass nach wie vor rund 67 Prozent der Kriege einen religiösen Hintergrund haben.

    Irrtümer aus religiösen Überzeugungen können als kulturbestimmende Macht ganze Völker beherrschen. Deren Protagonisten sahen und sehen sich nicht selten im „göttlichen Auftrag“ handelnd und schämen sich ihres Tuns nicht. Religiöse Ideen sind Teil des politischen Programms, wie beispielsweise der Iran und die Vereinigten Staaten demonstrieren. Das tägliche Leben der Bürger, ihre Welt- und Wertvorstellung und somit auch deren Sprachgebrauch, die Bildung von Begriffen, die Riten und Gebräuche, ebenso die Erziehung, Philosophie, bildende Kunst, Literatur und die Wissenschaften, die Ausbildung der Staatsform, die angebliche Legitimation des Herrschers oder der Herrschenden, wie auch die Rechtsvorstellungen und –regeln: Alles ist durchdrungen und damit bestimmt von religiösen, metaphysischen und mystischen Glaubensideen. Solche behaupten oft einen nur den Anhängern ihrer religiösen Ideen von „Gott“ gegebenen Auftrag oder ein „Auserwähltsein ihres Volkes“ gegenüber anderen Völkern. Es ist leicht zu erkennen: Vorstellungen dieser Art beruhen auf nichts anderem als auf „Herrenmenschenideen“. Sie führen unvermeidbar zu Spannungen mit den Nachbarstaaten, bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen, insbesondere dann, wenn einer der Nachbarn ebenso im wesentlichen von religiösen, irrealen Ideen geleitet ist.

    Für Menschen, welche in Gesellschaften aufwachsen, die ihre Existenzberechtigung oder Daseinsaufgabe auf religiöse Ideen stützen und die sich mehrheitlich mit diesen Ideen identifizieren, kann das Leben einen tragischen, weil ihre Identitätsvorstellung zerstörenden Verlauf nehmen, wenn ihr Weltbild in seinen tragenden Grundlagen erschüttert wird. Solches kann vielleicht schon in naher Zukunft im Nahen Osten beobachten werden, wenn in Israel lebende Menschen letztlich erkennen müssen, dass die ihnen von Kindheit an gelehrte Entstehungsgeschichte und Inhalte ihrer Religion, insbesondere die darauf aufbauenden Geschichte eines „jüdischen“, wie „auserwählten Volkes“ , eine in wesentlichen Teilen bloß erfundene ist. Wenn gleichzeitig zu dieser fundamentalen Änderung deren Weltsicht, die seit der gewaltsamen Gründung des Staates herrschenden kriegerischen Spannungen mit zwar militärisch schwächeren, aber an Bevölkerungszahl überlegenen Nachbarn hinzukommen, kann dies zum Zusammenbruch der schwächeren Gesellschaft führen, denn: Eine Fortführung ihres bisherigen Kampfes für ein nur noch fiktives „jüdisches Volk“ kann insbesondere den Jüngeren als sinnlos erscheinen. Ein Zusammenbruch all dessen, was die Menschengemeinschaft bisher identitätsstiftend zusammenhielt, wird um so eher der Fall sein, wenn der wesentliche Teil der Nachbarn selbst radikal-religiösen Ideen folgt, mit denen sich diese, auch unter Aufopferung von Leben identifizieren.
    Um eine hieraus unvermeidbar scheinende Katastrophe zu verhindern, ist es u. a. erforderlich, dass die miteinander streitenden Staaten sich von dem sie beherrschenden Irrtum eines paradoxen Absolutheitsanspruchs auf „die Wahrheit“ ihres jeweiligen Glaubens als irreale Idee erkennen und verabschieden und weiter nicht versucht wird, einen Frieden auf weiterem Unrecht aufzubauen.

    Stellt man beispielsweise die irrealen monotheistischen Weltvorstellungen der Christen den ebenso irrealen, aber polytheistischen Weltvorstellungen frommer Hindus gegenüber, so entdeckt man im Grundsätzlichen keinen wesentlichen Unterschied zwischen beidem, nur dass Christen einen dreiteiligen Gott und Hindus eine Vielzahl von Götter in Tier- und Menschengestalt zum Gegenstand ihrer religiösen Ideen und Anbetung gemacht haben, die ihre Weltvorstellungen von der Geburt bis zum Tod bestimmen.
    Streng „gläubige“ Hindus wie Christen sind davon überzeugt, dass sie jeweils allein dem „richtigen Glauben“ anhängen und doch: Beide unterliegen dem Fürwahrhalten des Irrealen. Das Irreale hinduistischen Glaubens ist beispielsweise in einer völligen Hingabe des individuellen „Schicksals“ in das Wohlwollen der Götter und einen fast unendlichen Kreislauf von Wiedergeburten gekennzeichnet, hingegen das Irreale christlicher Ideen sich nicht nur im Gottglauben und an einer „Auferstehung der Toten“ manifestiert, vielmehr beispielsweise auch darin, dass zwar oft „Meinungsfreiheit“ behauptet, gleichzeitig aber ein Verleugnen und Unterdrücken menschlicher Selbst-Bestimmtheit zum „Glaubensinhalt“ erhoben wird, obwohl doch Selbst-Bestimmtheit Bestandteil ausnahmslos jedes Menschseins und damit der Menschenwürde ist. Letzteres zu verleugnen ist Teil des vorbeschriebenen kulturbestimmenden Irrtums.

    Bloßes „glauben“ religiöser Ideen wird erneut und zunehmend weltweit zur Tugend erhoben. Führer unterschiedlicher Religionen, wie auch viele ihre Anhänger behaupten, dass allein ihr Glaube ein ethisch verantwortungsvolles Leben ermögliche. Die Widersprüchlichkeit solchen Anspruchs – bereits aus der Vielzahl der Religionen – erkennen sie nicht und sie leugnen, das gerade Religionen es waren, die den heute erklären Menschenrechten entgegenstanden und diese auch heute noch zu einem nicht geringen Teil missachten oder bestreiten.
    Ideen, die wegen ihrer Mängel schon lange im Papierkorb der Erkenntnis gelandet waren, werden von sogenannten „Kreationisten“ oder von Vertretern eines sogenannten „Intelligent Design“ – eine Variante der „Kreationisten“ mit pseudo-wissenschaftlichen Anstrich – wieder hervorgeholt: Nicht die Erkenntnisse aus der Evolutionstheorie sind zutreffend, vielmehr bestimmt die „Schöpfungsgeschichte“ der Bibel die Entstehung der Arten und natürlich auch des Menschen, wie des gesamten Weltalls. Wissenschaft soll durch Religion ersetzt werden und das Denken und Leben der Menschen und die Politik bestimmen. Von den Vereinigten Staaten herkommend, haben Anhänger solch religiös indoktrinierter Pseudo-Wissenschaft es tatsächlich geschafft, dass ihre phantastischen religiösen Ideen den Weg in die Politik und selbst in Schulbücher gefunden haben. Aber nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern beispielsweise auch in Deutschland, Italien, Polen und der Schweiz sind Schulbücher das erklärte Ziel. In der deutschen Öffentlichkeit jedenfalls war und ist der Protest durch jene, die sich als „geistige Elite“ wähnen, eher schwächlich, wohl, weil diese die möglichen gesellschaftlichen Folgen für die Unabhängigkeit der Wissenschaften und des politischen Lebens aus solch religiös verbrämten Ideologien nicht erkannten und nicht erkennen. Das erklärt auch, dass Dieter Althaus, seit Mitte 2003 Ministerpräsident von Thüringen, im September 2005 einem deutschen evangelikalen Kreationisten ein öffentliches Diskussionsforum bieten wollte. Der Ministerpräsident musste das Projekt absagen, nachdem der vorgesehene Diskussionskontrahent nicht mehr gewillt war mitzuwirken. Althaus, früher selbst als Lehrer für Physik und Mathematik tätig, blieb indes in seinen Grundeinstellungen zu seinem Vorhaben uneinsichtig. Kein Wunder – hatte er doch Jahre zuvor ein pseudowissenschaftliches Buch des selben Kreationisten öffentlich gelobt.

    Wenn auch insbesondere in Europa die Zahl der Anhänger der katholischen, wie der protestantischen Kirche abnimmt, sind gleichzeitig in fast allen Kontinenten in relativ kurzer Zeit „Mega-Kirchen“ meist sogenannter „Evangelikalen“ entstanden, die 30.000 „Gläubige“ und mehr aufnehmen können. Ähnliches ist beim Bau von Groß-Moscheen, selbst in Deutschland zu beobachten. „Glauben“ ist für die meisten Veranstalter zum Multi-Millionengeschäft geworden und übt zunehmend wirtschaftlichen und politischen Einfluss aus. Medien unterschiedlichster Art, zum Teil im Besitz der Religionsgemeinschaften selbst, verbreiten eindrucksvolle, die Gefühle ansprechenden Bilder von jubelnden und – je nach Veranstaltungsziel – meist jungen Menschen. Viele die einem bloßen „Glauben“ folgen, erkennen darin allen Ernstes eine Möglichkeit zur „spirituellen Erfahrung“ , obwohl der rational denkende Mensch im extrem vieldeutigen und zum bloßen Modewort gewordenen Begriff „Spiritualität“ nichts anderes entdecken kann, als eine Art „Anbetung des Irrealen“ und damit ein Missachten eigener Selbst-Bestimmtheit und Selbst-Verantwortung. Solches Verhalten ist gleichbedeutend mit dem Verleugnen der Möglichkeiten menschlicher Erkenntnisfähigkeit. Ein „gläubiger“ Mensch will nicht akzeptieren, dass er dem letztendlichen Nichtwissen ausgeliefert bleibt, er nicht „hinter die letzten Wahrheiten“ blicken, nicht den „Ursprung von Allem“ und nicht die „erste Ursache“ erkennen kann und sucht ein vermeintliches, in Wahrheit nur imaginäres „Heil“ im Transzendenten, in mystisch-spekulativen Ideen. Er will das unvermeidbare letztendliche Nichtwissen durch ein schieres und zudem erkennbar irreales bloßes „Glauben“ ersetzen, ohne hierdurch auch nur ein Jota an Erkenntnis zu gewinnen. Religionen sind das gelebte Ergebnis selbst erzeugter oder von anderen versprochenen Hoffnung auf Erlösung von „irdischen Übeln“. Dies kann, so die Hoffnung von „Gläubigen“, erzielt werden durch ein Einswerden mit einem „göttlichen“ Element oder zumindest eine Annäherung daran. Doch auch ein solches Element – es können Götter oder ein einzelner Gott sein – hat nur in eigener oder fremder Phantasie seinen Ursprung.
    Auf seiner Suche nach Erkenntnis und aus dem Bemühen, sich aus den Widersprüchlichkeiten seiner religiösen Weltvorstellungen zu befreien, beschreibt ein von Berufs wegen mit Religion befasster Mensch sein Verhältnis zu „seiner“ Religion wie folgt:

    „…ich begreife Religion als eine spirituelle Tradition, die einem vieles geben kann, aber auch immer wieder angesichts neuer Erkenntnisse kritisch hinterfragt werden muss. Religionen sind wie Krücken. Sie sind nützlich und gut, aber man muss lernen, sich von ihnen zu emanzipieren.“

    So der Professor am Lehrstuhl für Islamkunde an der Uni Münster, der vom Protestantismus zum Islam konvertierte Muhammad Sven Kalisch in einem Interview der Wochenzeitung DIE ZEIT am 01.10.2008. Nach dem Wollen des zuständigen Wissenschaftsministers in NRW, Andreas Pinkwart, darf Kalisch keine Lehrer für den Islamunterricht mehr ausbilden. So wird die Freiheit der Forschung aus Art. 5 GG grob missachtet und zugleich unfreiwillig demonstriert, dass die Verbreitung von religiöse Ideen nicht ernsthaft Gegenstand von Wissenschaft sein können..
    Auch Letzteres zeigt unverkennbar, dass in den meisten „aufgeklärten“ westlichen Gesellschaften die Religionen im Staate immer noch einen Stellenwert einnehmen, der diesen gemäß den Staatsverfassungen oder –zielen nicht zukommt, wäre Demokratie die wirklich herrschende Kraft. Dies ist auch in Deutschland nicht anders. Die Folge: Auch nichtchristliche Religionen, wie beispielsweise der Islam, streben einen mit den christlichen Religionen vergleichbaren Einfluss auf Staatsorgane und Gesellschaft an, selbst dort, wo Laizismus – wie beispielsweise in Frankreich – Bestandteil der Verfassung ist. Wenn nun aber der HAUPTSATZ DER DEMOKRATIE aus Art. 20 Abs. 2 GG richtig ist, demnach „alle Staatsgewalt vom Volke“ ausgeht, wie kann dann die Verwirklichung dieses Satzes von einem wesentlichen Teil der Gesellschaft getragen werden, wenn dieser sein Leben auf jeweils „seinen Gott“ ausgerichtet sehen will und zudem wesentliche religiöse Grundsätze denen des Grundgesetzes und der Menschenrechte widersprechen?

    Richtig ist: Zu vielen Menschen fehlt im fast wörtlichen Sinne ein „Halt“, an dem sie ihr Leben ausrichten und ihm einen „Sinn“ geben können. Und genau diesen suchen sie in religiösen Gemeinschaften, weil er ihnen in der übrigen Gesellschaft nicht vorgelebt wird. In Deutschland werden Werte, die einen solchen Halt bieten könnten, selbst im Grundgesetz bestenfalls nur angedeutet und dies auch noch im Wesentlichen widersprüchlich und unvollständig. Es fehlt an allgemein gültigen Wertvorstellungen und damit auch an Grundregeln – einmal abgesehen von leeren, weil von den Staatsorganen beliebig gehandhabten Phrasen. Und so fehlt es nicht nur an einer Gesetzesbestimmten Menschenwürde – deren Fehlen wird noch nicht einmal wahrgenommen, geschweige dass darüber eine öffentliche Diskussion ernsthaft geführt würde.
    Der durch ein religiöses Weltbild geprägte Mensch hofft auf ein Weiterleben im Jenseits oder an eine Auferstehung, um so – je nach dem ihm anerzogenen oder angenommenen Weltbild – seinem unvermeidbaren, tatsächlichen Ende zu entgehen oder er glaubt eine Wiedergeburt in ein neues, besseres Leben auf der Erde erlangen zu können. Solche Wunschvorstellungen sind verständlich, jedoch: Der Mensch erkennt nicht, das sein Lebenssinn nicht in einem nur imaginären „Jenseits“ oder in anderem Irrealen liegt, sondern in den vielfältigen Möglichkeiten seines im mehrfachen Sinne einmaligen Lebens, in der Achtung und Wertschätzung der bewunderungswürdigen, letztendlich unbegreifbaren, nicht nur äußeren Schönheit alles Lebendigen, seines eigenen Menschseins und das seiner Mitmenschen, der weiteren Natur und des Weltalls. Doch selbst der „gläubige“ Christ verkennt den klugen Rat des „Neuen Testaments“, der über die sogenannten „Goldenen Regeln“ weit hinausgeht: Seinen Nächsten zu lieben, wie sich selbst. Auch eine reduzierte Fassung dieser Forderung, welche das Wort „lieben“ durch „achten“ ersetzt, findet als Element eines Wertefundamentes keinen Platz. Würde eine Mehrheit von Menschen das Vorbeschriebene erkennen und anerkennen, dann könnte jeder einzelne einen wesentlichen Teil seines Lebenssinns entdecken, wenn er auch den eigenen und den fremden Unvollkommenheiten des Menschseins und des Naturgeschehens insgesamt ausgesetzt bleibt.

  8. #8 bernd
    22. Mai 2009

    Nach den vedischen Wissenlehren ist das Jetzt-Zeitalter das Zeitalter des Eisens, oder des Kali-Yuga, oder das Zeitalter der Heuchelei und des Streites. Diese Zeitalter wiederholen sich in sehr langen Zeitepochen zyklisch. Das Kali-Yuga begann vor 5.000 Jahren und endet in 527.000 Jahren. Danach beginnt wieder das Goldene Zeitalter, in dem die Religiösität 100 % beträgt. Im Kali-Yuga betrug die Religiösität bei Beginn des Zeitalters nur noch 25 % und nimmt kontinuierlich entlang der Zeitachse ab. Am Ende des Kali-Yuga sind die Menschen so gottlos und ethisch-moralisch abgesunken, dass die Menschen nur noch 20 Jahre alt werden und von Kalki, der 10. Inkarnation Krishnas getötet werden müssen. Da die Seelen ewig und nur von Gott gänzlich ausgelöscht werden können (Antimaterie), werden die meisten nach einer Zeit der unmanifestierten Ruhe wieder in die Materie geschickt und können sich wieder weiterentwickeln. In diesem Falle ist der religiöse und ethische Abfall ein zyklisch wiederkehrendes Geschehen, auf welches wir keinen Einfluss haben. Jedoch können wir, soweit unser geistiger Fortschritt das zuläßt, den Abfall unseres Selbst verringern und verbessern – und zwar durch ein wirkliches, bewußtes Leben im Einklang mit der Schöpfung. Das dürfte wohl der einzige Weg sein, den aber jeder für sich gehen muss.
    Die Masse und der Materialismus ist da wenig hilfreich.