Ja, warum schreib’ ich denn dann darüber? Weil ich den Copenhagen Consensus in Diskussionen immer wieder mal als ein “Argument” gegen den Klimawandel finde und der Initiator des Consensus, Professor Bjørn Lomborg quasi als “Anti-Al-Gore” zum Vorzeigehelden der “Klimaskeptiker” (wie immer verwende ich diesen Begriff mit dem warnende Hinweis, dass ich ihn für absurd halte – aber dies scheint, so weit ich es verfolgen kann, noch das neutralste Etikett zu sein, das man dieser Gruppe geben kann) stilisiert wurde. Letzteres zeigt ja schon, wie absurd diese Idee ist: Gore ist kein Klimaforscher, er ist ein Politiker und (Achtung, Pleonasmus!) Selbst-Promoter. Allerdings vertritt er eine Position, die im Prinzip mit zahlreiche Klimaforscher mit ihm teilen.


Eine blödsinnige Antipodierung (egal, wer dafür nun verantwortlich ist), denn es bestand nie wirklich ein wissenschaftlicher Dissenz zwischen der Position des IPCC und dem Klima-Aspekt des Copenhagen Consensus – im Gegenteil. Dort steht ganz ausdrücklich

We begin in Section 1 by offering a brief overview of the state of knowledge
about the risks of climate change. We rely heavily in this overview on the IPCC’s AR4 (IPCC, 2007a and 2007b). Perhaps because many of the same authors were involved, the conclusions offered there (and here) are consistent with a parallel assessment conducted in support of Stern, et al. (2006). Both assessments build from the second assessment of the IPCC where the observation that global mean temperature is rising was statistically confirmed (IPCC, 1995). The IPCC concluded in its third assessment that increased concentrations of greenhouse gases (most notably carbon dioxide) were driving the warming and that climate impacts were beginning to be observed (IPCC, 2001).
In its fourth assessment, the IPCC attributed observed impacts to anthropogenic sources (IPCC, 2007b) and the reported the statistical significance of anthropogenic sources of warming observed on continental scales (IPCC, 2007a).

Das Kontroverse am Copenhagen Consensus ist eben nicht die Klimatologie, sondern die Ökonomie: Nicht die Umweltwissenschaft sollte damit beeinflusst werden, sondern die Umweltpolitik. Und zwar mit einem künstlich geschaffenen Dilemma, in dem a) die verfügbaren Mittel a priori limitiert wurden und b) kurz-, mittel- und langfristige Ziele (die in der Politik, wie auch in der Wirtschaft, unterschiedlich geplant und budgetiert werden) vermengt wurden.

Doch selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Triage-Ratschläge, die unter diesen Prämissen gefunden wurden, das Bestmögliche sind, was mit wissenschaftlichen Methoden zu finden war (sag’ ich zwar nicht, aber das ist nur meine Meinung) – sie sind inzwischen so obsolet wie der Fünfjahresplan 2011-2015 für die Sowjetunion. Denn die Prämissen stimmen halt nicht mehr. Zum Beispiel die der begrenzten Mittel (50 Milliarden Dollar wurden im CC-Papier diskutiert): Allein im Wirtschafts-Notprogamm sind – wenn man der aktuellen Ausgabe des sicher eher klimaskeptischen “Economist” vertrauen darf – etwa 79 der insgesamt 787 Milliarden Dollar direkt für umweltrelevante Energiemaßnahmen vorgesehen (33 Milliarden für die Entwicklung “grüner” Stromquellen, 27 Milliarden für Energie-Sparmaßnahmen und 19 Milliarde für abgasarme Verkehrstechnologien). Hinzu kommt, im regulären Obama-Budget, eine Aufstockung des Haushalts für die Umweltschutzbehörde um 34,6 Prozent auf 10,5 Milliarden Dollar sowie 15 Milliarden Dollar jährlich (über die nächsten zehn Jahre) für das Innenministerium, das damit erneuerbare Energie-Ressourcen und “grüne” Technologien allgemein fördern soll.

Allein schon diese Summen zeigen, dass der Triage-Aspekt des Kopenhagener Gedankenspiels die Realität unterschätzt hat: Wenn der politische Wille da ist, dann kann auch mehr Geld verfügbar gemacht werden. Ob sich damit die Probleme lösen lassen – wer weiß. Sicher ist aber, dass der Vorschlag der Kopenhagener Konsentierer, sich erst mal lieber um andere Dinge zu kümmern, nicht angenommen wurde. Und allein darum ist er schon “Schnee von gestern”.

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Kommentare (8)

  1. #1 Wolfgang Flamme
    14. März 2009

    Kurz gefaßt: Alternative Investitionsprogramme wurden kurzzeitig erwogen, aber im Großen und Ganzen verworfen. Jetzt werden also die Mittel für Plan X bereitgestellt. Ob die Mittel reichen, ja, ob Plan X überhaupt der bessere ist, weiß man nicht. Sicher ist nur, daß Plan Y “Schnee von gestern” ist, sobald man auf Plan X setzt. Ist es nicht beruhigend, daß man irgendwie gar nichts falsch machen kann, egal wie man sich entscheidet?

  2. #2 Popeye
    14. März 2009

    Wenn genug Geld da ist, warum werden dan nicht endlich die Punkte auf der Liste abgearbeitet?

    “kurz-, mittel- und langfristige Ziele (die in der Politik, wie auch in der Wirtschaft, unterschiedlich geplant und budgetiert werden)?

    Wie sollte diese Planung aussehen, wenn es um Menschenleben geht?
    Durch die Gewichtung der Klimapolitik in der öffentliche Debatte, mit ihrem “durch die Erfüllung unserer langfristigen Ziele retten wir die ganze Welt”, geht die kurzfristige Rettung von hunderttausenden oder millionen Menschen irgendwie unter.

  3. #3 Jürgen Schönstein
    14. März 2009

    Nochmal: Der Copenhagen Consensus war ein Planspiel, basierend auf einer Entweder-oder-Fragestellung, die wiederum auf der Annahme beruhte, dass nur sehr knappe Mittel (50 Milliarden Dollar waren vorgegeben) für die Rettung der Welt verfügbar sind. Die Realität zeigt nun, dass diese Annahme zu pessimistisch war und dass es durchaus ein Sowohl-als-auch geben kann. Deswegen sind zumindest die Ergebnisse des Planspiels obsolet, aber es steht dem Kopenhagener Kreis ja frei, es mit den neuen Parametern mal durchzuspielen. Aber selbst dann würden Klimawandel-Leugner auf dem falschen Bein Hurra rufen, wenn sie sich den Copenhagen Consensus an die Fahnen heften …

  4. #4 Krishna Gans
    1. April 2009

    In Kopenhagen wurde eine Rangfolge aufgestellt, in welcher nach Dringlichkeit gewichtet die zu lösenden Probleme abgearbeitet werden sollten.
    Da gehörte nun Mal Klimawandel berechtigter Weise nicht zu den Top-Themen.
    Man könnte das Ganze ja mal als Modell betrachten, als Problemlösungsmodell.

  5. #5 Jürgen Schönstein
    2. April 2009

    @Krishna Gans
    “Man könnte das Ganze ja mal als Modell betrachten, als Problemlösungsmodell. “
    Klar. Und wie alle Modelle ist es eben nur so gut wie die Parameter, mit denen ich modelliere. Darum ging’s mir ja: zu zeigen, dass die grundlegenden Annahmen dieses Modells nicht mehr stimmen oder nie gestimmt haben.
    “Da gehörte nun Mal Klimawandel berechtigter Weise nicht zu den Top-Themen.”
    Moment: Die “Berechtigung” wird doch aus dem Resultat abgeleitet, das wiederum nur die Vorgaben reflektiert. Dass sich, je nach den verfügbaren Mitteln, Prioritäten verschieben, ist trivial: Wenn ich Ihnen 1000 Euro zur Verfügung stelle, um die Welt zu verbessern, werden Sie sicher andere Ideen und Prioritäten entwickeln als wenn Sie eine Million Euro hätten – und dann wieder andere mit einer MIlliarde etc.

  6. #6 Krishna Gans
    5. April 2009

    Ich sehe es so, daß unabhängig von der Geldmenge die zur Verfügung steht nach Dringlichkeit gewichtet wurde.

    Wäre mer geld im Spiel, könnte man mehr verteilen, an den Dringlichkeiten ändert das dennoch nichts.

  7. #7 Krishna Gans
    5. April 2009

    Wer Tippfehler findet, geschenkt.

  8. #8 Jürgen Schönstein
    5. April 2009

    Die Begrenzung der Mittel ist der zentrale Punkt – die Prioritäten sind davon extrem abhängig.