Es geht um den Physiker Freeman Dyson (85), der auf dem Cover des aktuellen Wochenend-Magazins der New York Times mit der Frage präsentiert wird:
“Wie hat es Freeman Dyson – VEREHRTER WISSENSCHAFTLER, LIBERALER INTELLEKTUELLER, PROBLEMLÖSER – geschafft, die Umweltschützer zu erzürnen?” (Großschreibung im Original).
Die einfache Antwort ist natürlich, weil er den Standpunkt vertritt, dass die Gefahren als Folge einer Erwärmung durch steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre überschätzt würden, und weil er einer der prominentesten Mitunterzeichner jenes offenen Briefes an den UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon ist, mit dem 94 Wissenschaftler am 13. Dezember 2007 erklärten, dass es nicht möglich sei, den Klimawandel aufzuhalten sei und man ihn daher nicht bekämpfen, sondern sich als Menschheit lieber anpassen solle.
Darüber kann man sicher streiten – und tut es ja auch, wie ein schneller Blick auf Georg Hoffmanns Blog Primaklima (und auch der andere Diskussionsbeitrag hier) belegt. Doch darum soll es mir hier gar nicht gehen. Denn ich habe keine Ahnung, was die anderen 93 Wissenschaftler dazu motiviert hat, diesen Aufruf zu unterschreiben – aber nach der Lektüre des NYTimes-Magazin-Artikels wird zumindest Dysons Antrieb erkennbar: Er ist ein Widerspruchsgeist – was ja eigentlich in der Wissenschaft eher eine Tugend sein sollte.
Neue Ideen erfordern, dass man sich mit dem Alten, Bekannten anlegt. “Wenn sich ein Konsens bildet wie Eis auf einem See, dann wird Dyson sein bestes tun, dieses Eis aufzuhacken”, zitiert der Artikel den Physik-Nobelpreisträger Steven Weinberg. Aber Widerspruch aus Prinzip muss halt zwangsläufig dazu führen, dass man auch mal auf der Seite des Irrtums landet. Und wer stets nur gegen den Strom schwimmt, kommt keineswegs immer zur Quelle, sondern er kann auch mal in einem Abwasserkanal stecken bleiben.
Und damit meine Überschrift nicht falsch verstanden wird: Ich würde mich nie so weit versteigern, Dyson als einen Spinner zu bezeichnen. Aber diese Frage wird tatsächlich in dem Artikel (und wenn ich es richtig verstehe, auch von vielen seiner Freunde) aufgeworfen:
“There is the suspicion that, at age 85, a great scientist of the 20th century is no longer just far out, he is far gone – out of his beautiful mind.”
Auch darüber, ob Dyson kompetent ist, sich zu Klimafragen zu äußern oder nicht, will ich hier nicht urteilen – das überlasse ich ihm selbst. Zum Beispiel, wenn er sich mit James Hansen vergleicht:
“It is always possible Hansen could turn out to be right,” he says of the climate scientist. “If what he says were obviously wrong, he couldn’t have achieved what he has. But Hansen has turned his science into ideology. He’s a very persuasive fellow and has the air of knowing everything. He has all the credentials. I have none. I don’t have a Ph.D. He’s published hundreds of papers on climate. I haven’t. By the public standard he’s qualified to talk and I’m not.”
Und warum äußert er sich dann doch?
“But I do because I think I’m right. I think I have a broad view of the subject, which Hansen does not. I think it’s true my career doesn’t depend on it, whereas his does. I never claim to be an expert on climate.”
Das ist wohl pure Koketterie. Denn Dyson hatte sich schon 1976 in einem Artikel Gedanken gemacht, wie man den steigenden CO2-Ausstoß in den Griff bekommen könnte. Doch auch darum geht es ihm in Wirklichkeit gar nicht, sondern:
“I think it’s more a matter of judgment than knowledge.”
Den Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Denn er sagt eigentlich ganz klar, was viele “Klimaskeptiker” offenbar missverstehen: Es geht Dyson gar nicht um die Wissenschaftlichkeit, nicht um den Nachweis, dass sich das Erdklima als Folge des von Menschen verursachten CO2-Ausstoßes erwärmt – das zweifelt er gar nicht an. Und dass er damit eine Minderheitenmeinung vertritt, ist eher eine Folge seiner Persönlichkeit als seiner fachlichen Qualifikaltion – es ist ja primär der Mainstream-Konsens, der ihn, den überzeugten Gegen-den-Strom-Schwimmer, zum Gegenkurs animiert.
Man darf nie vergessen, dass Dyson zeitlebens auch ein politischer Aktivist war (wenn auch einer voller Widersprüche – er demonstrierte gegen den Irakkrieg und ist Mitglied des wissenschaftlichen Beraterpanels für das Pentagon, Jason). Über Politik kann man sich immer streiten. Man darf das nur nicht mit Wissenschaft verwechseln.
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