Die gute Nachricht war, dass sich die Kreationisten bei ihrem Anlauf auf die Schulbücher in Texas nicht durchsetzen konnten: Das Begehren des Vorsitzenden der texanischen Bildungskommission, Dan McLeroy, die Richtlinien für Schulbücher dahin gehend zu ergänzen, dass alle wissenschaftlichen Theorien mit ihren “Stärken und Schwächen” zu repräsentieren seien, wurde von de 15-köpfigen Gremium mit 8 zu 7 Stimmen knapp abgelehnt. Doch nur um den Preis, dass eine Kompromissformel gefunden wurde, die dann am Ende doch ein kleines (?) Hintertürchen für die Anhänger des “intelligenten Design” offen lässt (mehr dazu in diesem Artikel in Salon.com).
Das Discovery Instiute, quasi der “Dachverband” aller Kreationisten und der Ort, an dem “intelligentes Design” und die Taktik der “Stärken und Schwächen” ersonnen wurden, um die religiös begründete Schöpfungslehre – als trojanisches Pferd, sozusagen – in die säkularen Lehrpläne zu schmuggeln, feiert diesen Kompromiss dementsprechend schon als Sieg:
“Texas has sent a clear message that evolution should be taught as a scientific theory open to critical scrutiny, not as a sacred dogma that can’t be questioned” (Texas hat ein klares Signal gesetzt, dass Evolution als eine wissenschaftliche Theorie, offen für kritische Betrachtung, gelehrt werden sollte, und nicht als ein heiliges Dogma, das man nicht in Frage stellen darf)
frohlockt Dr. John West, einer der “Forscher” des Discovery Institute, gegenüber dem Wall Street Journal (Artikel ist leider legal nur für WSJ-Abonnenten zugänglich). Ist zwar ein Strohmann, da Dogmen immer nur das exakte Gegenteil von Wissenschaft sein können, in der ja gerade das Löcher-in-die-Theorie-Schießen (fachsprachlich auch “Falsifikation” genannt) eines der fundamentalsten Prinzipien allen wissenschaftlichen Arbeitens ist – aber den sprichwörtlichen “Mann auf der Straße” kann man damit vermutlich doch beeindrucken.
Was steht nun also drin in den Richtlinien? Speziell zur Evolutionslehre werden die Schüler künftig angehalten, “die Hinlänglichkeit gemeinsamer Vorfahren zur Erklärung des plötzlichen Auftauchens, der Stasis und der Gruppensequenzen in den dokumentierten Fosilien-Funden … zu analsysieren und zu bewerten“. Klingt im ersten Moment beinahe schon harmlos, aber allein der Begriff “plötzliches Auftauchen” ist ein U-Boot für die Schöpfungstheorie, denn “plötzlich” im geologischen Sinn ist halt etwas ganz anderes als jenes umgangssprachliche “plötzlich”, das ein paar Augenblicke oder auch ein paar Tage – sieben Tage, womöglich? – bedeuten könnte. Dieses “plötzliche Auftauchen” ist einer der Schlüsselbegriffe in der ID-Literatur und ein klarer Widerspruch zur Evolutionslehre, die ja grundsätzlich von einer graduellen Entwicklung ausgeht.
Ein zweiter ID-Trojaner ist die Anweisung, dass Schüler zur “Analyse und Bewertung von Erklärungen bezüglich der Komplexität der Zelle” angeleitet werden müssen. Denn “Komplexität” ist ebenfalls ein Begriff aus dem Wörterbuch der Kreationisten, eingeführt von dem Biologieprofessor (!) und ID-Vordenker Michael Behe, der mit der Idee der “nichtreduzierbaren Komplexität” (irreducible complexity) bestimmter biologischer Strukturen – der Zelle, zum Beispiel – den Beweis für die Existenz eines Schöpfers gefunden haben will.
Momentan sind dies nur Worte auf Papier, aber im Jahr 2012 wird Texas die Aufträge für neue Schulbücher vergeben – und dann haben die Kreationisten einen Hebel in der Hand, der weit über Texas hinaus reichen wird. Der Markt und die notorisch knappen Bildungsetats sorgen dafür, dass nicht jeder Staat seine eigenen Schulbücher entwickeln lassen kann – was für Texas gut genug ist, das wird auch den Schülern in vielen anderen Staaten (mit Sicherheit Alabama, Florida, Louisiana, Missouri, South Carolina und Michigan) vorgesetzt.
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