Ha! Ich hatte es mir doch schon immer gedacht, spätestens seit ich als schmächtiger Teenager klimmzögerlich am Reck hing: Muskelschmalz muss irgendwie indirekt proportional zum Hirnschmalz sein. Und ein Paper, das in der Aprilausgabe von Current Anthropology erschienen ist, würde dieses Vorurteil – je mehr Muskeln, desto dumpfer – sogar bestätigen. Wenn man es nur nicht zu genau liest …
Da wäre zum einen Mal der Haken, dass der Autor, Professor Alan Walker von der Pennsylvania State University nur eine Hypothese vorträgt, deren physiologischer Nachweis Methoden erfordern würde, die, wie er selbst in seinem Schlusssatz schreibt, “vermutlich unethisch, aber mindestens sehr schwierig zu rechtfertigen und durchzuführen wären”. Und zum zweiten geht es hier bei der grauen Masse nicht um die Hirnsubstanz, sondern ums Rückenmark. Die Frage ist also gar nicht darum, was man im Köpfchen hat, sondern nur um das, was im Kreuz steckt.
Worum geht’s denn nun? Darum, dass unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, viel mehr Kraft aus ihren Muskeln holen als der Mensch (der Spruch “affenstark” kommt ja schließlich nicht von ungefähr). Walker zitiert Versuche aus den 20-er Jahren, in denen die Muskelkraft von in Gefangenschaft lebenden Schimpansen mit der junger, durchtrainierter Footballspieler verglichen wurde. Schimpansenweibchen konnten an einem kalibrierten Messgerät mit beiden Händen gleichzeitig das Äquivalent eines 567-Kilo-Gewichtes ziehen – selbst der stärkste Footballer schaffte gerade mal 221 Kilo. Im einarmigen Reißen legten Schimpansenmännchen 381 Kilo vor; die menschliche Spitzenleistung lag in diesem Test bei 94,5 Kilo. Wenn man noch berücksichtigt, dass die Affen nur etwa zwei Drittel der menschlichen Körpermasse auf die Waage brachten, dann sind unsere Primaten-Vettern mehr als viermal so stark wie wir.
Bisher wurde dies mit einem anderen Muskelaufbau und den Unterschieden in der Gelenkarchitektur bei Schimpansen erklärt, doch das scheint – zumindest nach Walkers auffassung – nicht ausreichend. Aber spätestesn seit 1993 ist bekannt, dass Schimpansen im Rückenmarksquerschnitt nur etwa Fünftel der grauen Masse besitzen – also deutlich weniger, relativ zur Körpermasse, als Menschen. Und daraus folgert Walker, wenn ich seine Erkenntnisse verkürzt wiedergeben darf), dass ein Zusammenhang mit der Steuerung der Muskulatur bestehen könnte. Mehr Nervenstränge, die zu den Muskeln führen, wären ja damit zu erklären, dass diese Muskeln bei Menschen zu kleineren – und jeweils getrennt angesteuerten – Arbeitseinheiten aggregiert wurden. Mit dem Vorteil, dass sie zu delikateren Aktionen fähig sind (jaja, das sprichwörtliche Fingerspitzengefühl). Andererseits würde daraus auch folgern, dass es schwieriger ist, mehr Kraft aus diesen Einheiten herauszukitzeln – ein bisschen so, als ob man viele kleine ein-PS-Motoren einerseits und ein mächtiges 100-PS-Aggregat andererseits vergleichen würde (dieser Vergleich stammt allerdings von mir). Wenn der Schimpanse hinlangt, dann langt er hin …
Aber das würde ja vielleicht auch erklären können, warum es offenbar immer wieder – rein anekdotische, versteht sich – Fälle gibt, in denen Gefahrensituationen jene sprichwörtlichen “übermenschlichen Kräfte” mobilisiert werden.
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