Sag ich mal so, auch wenn’s vermutlich – schon rein sprachlich – erst mal keinen Sinn zu ergeben scheint. Aber so ließe sich eine Studie über Krankheit am Arbeitsplatz interpretieren, die von Claus D. Hansen und Johan H. Andersen, zwei Experten der Klinik für Berufskrankheiten am dänischen Regionalkrankenhaus Herning durch Auswertung von knapp 12.000 Datensätzen dänischer Arbeitnehmer erstellt und in der aktuellen Ausgabe des Journal of Epidemiology and Community Health veröffentlicht wurde. Grob vereinfacht fanden die beiden heraus, dass Leute, die sich krank ins Büro schleppen (vielleicht, weil sie sich für unentbehrlich halten, oder weil sie’s zuhause nicht aushalten), lediglich ihr Risiko erhöhen, später kräftig auf die Nase zu fallen und dann wochen- wenn nicht monatelang wegen Krankheit auszufallen.
Dabei geht es nicht nur um die verschleppte Grippe oder so, die einen dann doch von den Beinen holt: Hansen und Andersen fanden heraus, dass Personen, die sich an mehr als sechs Tagen in einem Jahr krank an ihren Arbeitsplatz begeben hatten, im folgenden Jahr ein um 53 Prozent höheres Risiko hatten mehr als zwei Wochen lang durch Krankheit auszufallen; das Risiko, für mehr als zwei Monate krank zu werden, stieg sogar um 74 Prozent. Diese Werte waren übrigens von Einflussfaktoren wie etwa bestehenden chronischen Erkrankungen oder einer Vorgeschichte längerer Krankheiten bereinigt.
Natürlich höre auch ich hier so viele Nachtigallen trapsen, dass es schon wie eine Step-Revue klingt. Was sagt mir ein um 53 oder um 74 Prozent erhöhtes Risiko, wenn ich (da ich nur den Abstract lesen kann) keine Ahnung habe, wie hoch das Risiko überhaupt ist? In meinen 24 Berufsjahren war ich bisher nicht ein einziges mal länger als eine Woche krank (und das schließt sogar ein gebrochenes Bein ein), und ich kenne genug Kollegen, für die das Gleiche gilt. Welche Rolle spielen dabei arbeitsrechtliche Regelungen für Krankentage und Lohnfortzahlung? Meinen alle Befragten überhaupt das Gleiche, wenn sie von “krank” reden? (Dass es unterschiedliche Auffassungen gibt, ab wann man krank ist, dürfte jeder schon selbst gemerkt haben.)
Aber selbst wenn man mal alle Bedenken so stehen lässt, bleibt eine grundsätzliche Beobachtung: Es gibt einen messbaren Zusammenhang zwischen dem Nicht-Akzeptieren von Krankheit und der Gefahr, dass man dann irgendwann mal um so länger ausfällt. Und das sollten sich vor allem zwei Gruppen merken: Zum einen all jene, die sich für so unentbehrlich halten, dass sie glauben, sich nicht mal einen Tag der Krankheit leisten zu können. Zum anderen aber vor allem Arbeitgeber und eventuell sogar ganze Wirtschaftssysteme, die Krankentage für etwas ansehen, das dem Arbeitnehmer eigentlich gar nicht zustehen dürfte. Und da muss ich hier in New York gar nicht sehr lange suchen, um so etwas zu finden: In den USA ist Lohnfortzahlung, wie wir sie in Deutschland kennen, praktisch unbekannt – statt dessen können sich Arbeitnehmer glücklich schätzen, wenn sie pro Monat einen halben Tag (maximal also sechs Tage im Jahr) als “sick day” oder, damit’s nicht so morbid klingt, als “Paid Time Off” (PTO) gewährt bekommen.
Aber warum (aus deutscher Sicht) in die Ferne schweifen? Laut diesem Artikel in der WELT Online trauen sich auch die deutschen Arbeitnehmer kaum noch, wegen Krankheit zuhause zu bleiben …
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