Dies ist kein politisches Statement. Es geht um Säugetiere – extreme Säugetiere, die sich das New Yorker American Museum of Natural History zum Thema einer neuen Sonderausstellung erkoren hat, die an diesem Wochenende eröffnet wird. Zugegebener Maßen war ich auch erst mal skeptisch, als ich den Titel sah – erinnert im ersten Moment eher an eine Zirkus-Freakshow, mit der größten Frau der Welt oder dem dicksten Mann oder der Jungfrau mit vier Beinen oder so. Aber ich finde, dass die besten Präsentationen immer die sind, die zwar viele Antworten geben können, aber auch viele neue Fragen anregen. Und hier war es die Frage, was man eigentlich unter “extrem” verstehen soll.

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Dass das wie ein Einfamilienhaus große Indricotherium (Foto links), das in seinen lebensnahen Dimensionen an den Eingang der Show gestellt wurde und das das bisher größte Landsäugetier (20 Tonnen Lebendgewicht, lebte vor 34 bis 23 Millionen Jahren) aller Zeiten war, ebenso an einem extremen Skalenende stehen würde wie (gleich daneben ausgestellt) Batonoides vanhouteni (Foto unten), ein mausähnlicher Zwerg, etwa so klein wie eine Wespe und so leicht wie eine Dollarnote (lebte vor etwa 50 Millionen Jahren), wird jeder noch leicht begreifen.

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Aber sind nicht alle Säugetiere irgendwie extrem? Sie sind beispielsweise in der Lage, ein biologisch fremdes Wesen ganz ohne den Schutz einer Eischale in ihrem Körper “auszubrüten”, ohne es durch ihr Immunsystem schon im Embryonalstadium zu zerstören (naja, zumindest die Placentatiere – Beuteltiere müssen ihren Nachwuchs im Embryonalstadium gbären und außerhalb des Körpers ausreifen lassen).

Extrem im Vergleich zu was, muss man immer fragen. Im Vergleich zu uns wirken viele Lebewesen extrem: Hirsche mit riesigen Geweihen, Wale mit Beinen (und später dann ohne), fliegende Fledermäuse mit eingebautem Sonar etc. – aber vielleicht sind ja wir Menschen das extremste Säugetier von allen? Zweibeiner mit unterentwickeltem Fell und in hochkomplizierten Gesellschaften lebend – der Nacktmull schickt seine Grüße! Überproportional wuchernde Hirne und aufrechter Gang sind auch ganz schön extrem, wenn man mal drüber nachdenkt. Verglichen damit sind Hörner und Geweihe schon fast wieder normal, weil sie sich so oft und unabhängig voneinander entwickelt haben. Selbst bei Nagetieren gab es einen Hornträger: Ceratogaulus rhinoceros, ein ausgestorbener Verwandter des Biberhörnchens (Aplodontia rufa), trug zwei knochige Hörner auf seiner Nase.

Im Prinzip, so lernt man aus der Ausstellung, ist jedes Säugetier (und eigentlich jedes Lebewsen, wenn man den Gedanken mal weiter spinnt), auf seine eigene Weise “extrem”. Was das Extreme dann wiederum zu etwas ganz Normalem macht.

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