Witzig, dass ausgerechnet heute meine Scienceblogger-Kollegen Jörg Rings und Florian Freistetter etwas zum Thema “Wissenschaft und Medien” gepostet haben – denn ich komme gerade vom wohl größten Medienrummel, den ich jemals aus Anlass einer wissenschaftlichen Publikation erlebt habe. Es geht um die Entdeckung von Darwinius masillae, einem 47 Millionen alten Fossil eines frühen Primaten aus der Grube Messel … ach, was mach’ ich mir die Mühe, hier Details zu beschreiben: Könnt Ihr alles im Fernsehen oder in den Zeitungen oder auch sonstwo sehen. Eben wegen des Rummels …
Und hier hab’ ich mein Problem: Ist es wirklich OK, wenn wissenschaftliche Ergebnisse nicht nur in einer peer-reviewten (Online-)Publikation erscheinen, sondern zeitgleich – in anderen Worten: GLEICHZEITIG – in einem eigens dafür produzierten Dokumentarfilm sowie in einem simultan von “Ghostwritern” geschriebenen Buch über diese Entdeckung gefeiert wird? Und dann auch noch seine eigene Website bekommt? So geschehen mit “The LInk” – denn natürlich ist Darwinius massilae kein “missing link” – weil’s ja gefunden wurde, also logischer Weise nicht mehr “missing” ist. Huch wie clever …
Sorry, ich bin nach dem Rummel etwas angefressen – vielleicht, weil ich es nicht gewöhnt bin, bei wissenschaftlichen Verkündigungen von Kamerateams und Organisatoren mit Kopfhörerikrophonen abgedrängt zu werden. Aber ehrlich gesagt auch, weil ich sicher bin, dass mit solchen Stunts der Wissenschaft ein echter Bärendienst erwiesen wird. Seit wann behaupten Wissenschaftler, dass eine Entdeckung – zudem noch eine, die ihre Erwartungen erfüllt – “alles verändern wird” (The Link – This Changes Everything” ist der Titel der Dokumentation, die demnächst auch im ZDF zu sehen sein wird)? Wer kam darauf, dass dies “der wichtigste Fund seit 47 Millionen Jahren” – ein weiterer Slogan der TV-Produktion – sein muss? Was soll man von Wissenschaftlern halten – ich nenn’ jetzt absichtlich keine Namen, aber zum Nachlesen hab’ ich hier nun wirklich genug Links hinterlassen – die als erstes mal an die Film- und Buchrechte zu denken scheinen? Welchen Sinn hätte einen wissenschaftliche Diskussion über das Paper noch, wenn es schon längst mit populären Medien in ein Massenprodukt verwandelt wurde?
Wenigstens bin ich mit diesen Fragen nicht alleine, wie ich gerade sehe – die New York Times hat heute ein Stück im gleichen Sinn veröffentlicht. Und dabei einen Begriff geprägt, den ich prompt für meine Überschrift geklaut habe: das “Mediazän” – die Wissenschaft im Medienzeitalter.
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