Witzig, dass ich in der Science-Beilage der New York Times heute gleich auf zwei Storys stoße, die eine “Weiterdrehe” einiger früherer Blogeinträge hier sein könnten. Da ist zum Einen ein Artikel über die Erkenntnis, dass im Prinzip alle Prognosemodelle für die Ausbreitung der Schweinegrippe weit unter den tatsächlichen Zahlen lagen und liegen.

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Auch die Prognose, die anhand der in meinem Blog erwähnten Dollarschein-Kampagne wheresgeorge.com erstellt wurde. Was vor allem daran liegt, dass die Ausgangsdaten über die tatsächlichen Zahlen an Fällen und deren Ausbreitung so weit neben der Realität lagen, dass am Ende auch nichts Realistisches rauskommen konnte. Aber immerhin lagen die Prognosen, wenn schon nicht hinsichtlich der absoluten Zahlen, so dann wenigstens im Hinblick auf die Ausbreitungsmuster doch noch im vertretbaren Bereich, wie es scheint …

Die zweite Story hat mit der Gefühlswelt der Tiere zu tun – und das passt irgendwie zum Posting über die missverstanden Dominanz-Ambitionen der Haushunde. Hier geht es allerdings darum, dass sich Affen offenbar Bedauern empfinden, wenn sie bei einem – von den Forschern inszenierten – Gewinnspiel die Niete gezogen haben (Fictive Reward Signals in the Anterior Cingulate Cortex, erschienen in Science am 15. Mai).

Diese und ähnliche Studien hatte sich der Times-Wissenschaftsjournalist John Tierney zum Anlass gewählt, über die Gefühlswelt der Tiere zu sinnieren. Und dazu fällt mir selbst natürlich auch Einiges ein.

Welche Bandbreite unsere Gefühle umspannen können, habe ich in den vergangenen Tagen an, besser in mir selbst verspürt – aber das ist eine andere Geschichte, die (bisher jedenfalls) nicht hierher gehört. Doch dass diese Fähigkeit zu Emotionen eine rein menschliche Domäne sein soll, habe ich als ehemaliger Hunde- und aktueller Katzenhalter nie glauben wollen – obwohl mir dabei stets bewusst war und ist, dass ich dabei eher der Versuchung des Anthropomorphismus erlegen bin.

Oder vielleicht doch nicht: Welchen wissenschaftlichen Beweis gibt es eigentlich, dass Denken und Empfinden ausschließlich dem Homo sapiens (wie der Name schon sagt) vorbehalten ist? Wäre es nicht, evolutionsbiologisch gesehen, viel stringenter, eine größere Streuung dieser Fähigkeiten innerhalb der Primaten und Säugetiere, vermutlich sogar innerhalb aller komplexerer Lebewesen zu vermuten? Wir Menschen sind ja auch ansonsten, von unserer Biologie bis hin zum Sozialverhalten, nicht so einmalig, wie uns tanzende Kakadus

und Werkzeuge benutzende Krähen schon ganz anschaulich beweisen.

Und ich will sogar noch ein wenig weiter gehen: Die Behauptung, dass nur Menschen mit der Gabe des Denkens und Fühlens ausgestattet sind, ist letztlich eine kreationistische – der Mensch als “Krone der Schöpfung”. Und selbst wenn man “Schöpfung” mit “Evolution” ersetzt, ergäbe es nur einen Sinn, wenn man von einer gezielt auf die Entstehung des Menschen hin ausgerichtete Entwicklung ausgeht. Kreationismus light, halt.

Man muss gar kein Biologe oder Paläontologe sein, um den Unsinn dieser Denkweise zu begreifen. Und dafür bietet das so zu unrecht gehypte Fossil “Ida”

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ganz gutes Anschauungsmaterial: 47 Millionen Jahre alt, zeigt es doch schon ganz überraschende anatomische Verwandschaft mit uns – man muss seine Phantasie nicht all zu sehr anstrengen, um die Ähnlichkeiten zu entdecken (jeder Grundschüler könnte mit Papier und Bleistift das Ida-Skelett in ein menschliches Gerippe “morphen”).

Und das bedeutet doch wohl nichts anderses, als dass sich im Hinblick auf die “technologische” Weiterentwicklung dieses Modells – auch wenn’s kein direkter Vorfahr ist – seither vergleichweise wenig getan. Verglichen jedenfalls mit den Wandlungen, die etwa die Wale – vom Kleinsäuger zum Großsäuger, vom Landtier zum Wasserlebewesen – oder die Elefanten durchlaufen haben. Das wird mir bei jedem Besuch in meinem Lieblingssmuseum, dem American Museum of Natural History, von neuem klar, wenn ich im vierten Stock durch die Paul and Irma Milstein Hall of Advanced Mammals gehe, die wie die gesamte Fossilienausstellung des Stockwerks, als ein einziges großes Kladogramm strukturiert ist – als eine Art Entwicklungsbaum des Lebens, wenn man so will. Am Endpunkt dieser Entwicklung stehen hier – die Elefanten und ihre Vorfahren. Und wo bitte, geht’s zu den Primaten? Gleich am Eingang der Halle, rechts ab in eine Nische …

Also: Wir sind nicht das “Ziel” der Evolution; wir teilen viele Eigenschaften, körperlich ebenso wie sozial und sogar intellektuell, mit anderen Lebewesen (nicht mal zwingend nur Säugetieren); wir gehen wie selbstverständlich davon aus, dass sich für fast alles, von unseren fünf Fingern und Zehen bis hin zum Rückgrat und der Schädeldecke, eine kontinuierliche Linie bis hinab in die frühe Entwicklungsgeschichte ziehen lässt; dass sich also auch das Denken und Fühlen entlang einer solchen Linie entwickelt haben müsste (und in graduell verschiedenen Ausprägungen daher auch auf anderen Verzweigungen des Entwicklungsbaums auftauchen könnte) scheint mir daher plausibler als das Gegenteil. Und darum bin ich mir auch weiterhin ganz sicher, dass Cookie, mein Kater, mich heute den ganzen Tag über vermisst hat und deswegen so erkennbar erfreut ist, wenn ich heute Abend nach Hause komme.

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Kommentare (4)

  1. #1 Alexander Knoll
    3. Juni 2009

    Dieses zielgerichtete Denken zum Menschen hin ist wohl wirklich auf religiöse Gedanken wie die scala naturae zurückzuführen. Ich hab auf meinem alten Blog mal darüber gewettert, dein Post freut mich also!
    Und schon Darwin schrieb über diesen Quatsch: “It is absurd to talk of one animal being higher than another” (Charles Darwin, 1837).

  2. #2 Saidiph ex omnes
    3. Juni 2009

    Naja, die Sache kann man in zwei Richtungen denken:

    1. (deine) Wir Menschen können denken, und viele Lebewesen sind ähnlich, also warum die nicht auch?

    2.(die, die man leider nur allzugerne weglässt) Das Gehirn ist eine Ansammlung von berechenbaren Synapsen, bei kleinen Ansammlungen kann man es berechnen, also muss ein Menschengroßes auch so in der Art funktionieren.

    Letzteres reduziert die Kognition und enorm große Worte wie “Denken und Gefühl” auch nur zu Aktion-Reaktion.

  3. #3 Jürgen Schönstein
    3. Juni 2009

    @Saidiph ex omnes
    Klar, dass sich Denken und Fühlen in irgend einer (von Neurologen vermutlich auch inzwschen beschreibbaren) Weise biochemisch manifestieren müssen. Und dass ein komplexeres Gehirn, mir mehr Synapsen, vermutlich anders funktioniert als ein einfaches. Aber meine Frage ist nur, ob schon jemand dne “kritische Masse” entdeckt hat, ab der die Denk- und Fühlfähigkeit sich entzündet – oder ob dies vielleicht doch eine skalierbare Fähigkeit ist, mit ausgeprägteren Funktionen beim komplexen Hirn, aber dennoch vorhandenen, einfachen Funktionen beim einfachen Hirn.

  4. #4 Willi
    26. August 2009

    Ich hab mal ne frage:

    Wie nennt man das Skelet das oben? (The link)