Nach längerer Blogpause – die mit arbeitsvertraglichen Fragen zusammenhing, die hier auszuführen erstens langweilig und zweitens überflüssig wäre, da sie nun geklärt sind – trete ich nun wieder aktiv in den Kreis der Scienceblogger ein. Und weil dies ja irgendwie mit Kooperation zu tun hat, hänge ich mein Saison-Debüt an einer Story in der New York Times auf, die sich mit der Frage befasst, ob uns eine Neigung zur Zusammenarbeit und Hilfsbereitschaft in die Krippe gelegt wird (diese verflixte Santa-Claus-Glockenbimmelei und all der weihnachlichte Dekorationsfummel hier am Rockefeller Center schlägt leider auf mein Vokabular durch).
Aufgehängt ist der Artikel an dem neuen Buch “Why We Cooperate“, das Michael Tomasello, der Leiter der Abteilung Vergleichende und Entwicklungspsychologie des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie geschrieben hat und das vor einigen Tagen bei der MIT Press, dem Buchverlag des Massachusetts Institute of Technology, erschien.
Nun habe ich das Buch selbst noch gar nicht gelesen und muss also bei der Bewertung der Inhalte vorsichtig sein. Schließlich kommen in dem Werk selbst schon skeptische Stimmen zu Wort, wie zum Beispiel die Harvard-Psychologin Elizabeth Spelke, die es keinesfalls für bewiesen ansieht, dass Hilfsbereitschaft genetisch veranlagt ist. Aber Tomasellos Grundthese scheint in jedem Fall zu sein: Da Hilfsbereitschaft und kooperatives Handeln bereits bei Kleinkindern im Alter von zwölf bis 18 Monaten beobachtet werden kann (dazu gleich die Beispiele, laut New York Times), also deutlich bevor Kindern solche sozialen Verhaltensmuster durch Erziehung vermittelt werden, liegt eine genetisch veranlagte Komponente dieses Verhaltens nahe. Erst mal die zitierten Beispiel: Wenn 18 Monate alte Kinder einen ihnen unbekannten Erwachsenen beobachten, der Hilfe beim Öffnen einer Tür oder beim Aufheben einer Wäscheklammer braucht, wollen sie spontan helfen. Und selbst schon 12 Monate alte Kinder zeigen auf Gegenstände in ihrem Gesichtsfeld, wenn Erwachsene vorgeben, diese nicht finden zu können.
Das kann nun stimmen oder nicht, kann angeboren sein oder doch schon durch Beobachtung und Nachahmung gelernt. Darüber kann man sich – wie bei fast jedem Aspekt des menschlichen Verhaltens – sicher ausdauernd (und mnit guten Argumenten auf allen Seiten) streiten. Doch wenn es stimmt, dass Menschen generell kooperativer und altruistischer in ihrem Handeln sind als alle übrigen Primaten, selbst unsere nächsten genetischen Verwandten, dann hat dies schon etwas wortwörtlich “Augenscheinliches”:
Nur beim Menschen ist die weiße Lederhaut des Auges deutlich erkennbar – das so genannte “Weiße im Auge” ist bei uns drei mal größer als bei allen anderen Primaten, bei denen die Iris praktisch das gesamte sichtbare Auge ausfüllt.
Und das hat zur Folge, dass es bei Menschen sehr leicht ist, seiner Blickrichtung zu folgen. selbst wenn der Kopf dabei starr bleibt. Das können wir schon im Babyalter. Und dieses Signal – sowie die Fähigkeit, es zu erkennen – ist sicher sehr nützlich in einem kooperativen System, wo es als wortloses Kommunikations- und Koordinationselement, zum Beispiel beim Jagen, dienen kann.
Angeborene Hilfsbereitschaft, das wäre ja beinahe zu vorweihnachtlich schön, um wahr zu sein. Unsere Welt wäre sicher eine bessere, wenn unsere Gene uns keine Wahl ließen als hilfsbereit und rücksichtsvoll zu sein. Doch allein der Typ, der heute morgen vor mir in die U-Bahn stieg und nicht einen Moment daran dachte, noch einen Schritt weiter in den Wggon zu treten, damit ich auch noch durch die Tür passe, beweist schon, dass die menschliche Natur nicht nur edel, hilfreich und gut ist. Denn leider sind wird von dieser gleichen Natur aus auch aggressiv und egoistisch – wer mehr Beweise dafür haben will, braucht nicht lange wissenschaftlich zu forschen – ein Blick in die nächstbeste (oder -schlechteste, manchmal ist der Unterschied nur schwer zu erkennen) Tageszeitung genügt.
Kommentare (34)