Am Dienstag brauche im immer etwas länger, die New York Times zu lesen – der Science-Teil vedient halt immer ein bisschen mehr Aufmerksamkeit. Obwohl ich auch nicht immer alles lese – die Buchrezension von Dr. Abigail Zuger hätte ich vermutlich übersehen, wenn sich mein Blick nicht zufällig an folgender Passage verfangen hätte:
science should represent truth, not wishful thinking. When good data fly in the face of beloved theory, the theory has to go.
Ein in der Tat (be-)merkenswertes Zitat.
Das neue Buch “The Trauma Myth” von Harvard University) hat zwei parallele Leitfäden: zum einen schildert es Susan Clancys Forschung über die Folgen von sexuellem Missbrauch an Kindern, aber zum zweiten beschreibt es auch, wie sie mit ihrer Arbeit – ein Forschungsprojekt während ihres Aufbaustudiums Mitte der 90-er Jahre , das zu dem Resultat kam, dass die Traumatisierung durch sexuellen Missbrauch nicht etwa gleich im Kindesalter beginnt, sondern erst mit einer langen Verzögerung eintritt, wenn sie so weit heran gewachsen sind, um die Vorgänge voll zu begreifen – in einen Gegensatz zu etablierten wissenschaftlichen und auch gesellschaftspolitischen Auffassungen geriet. Sie habe sich trotz der Warnungen, das “dominante theoretische Rahmenwerk” nicht herauszufordern, nicht über die Resultate ihrer eigenen Forschungsarbeit hinwegsetzen wollen. Mit entsprechenden Konzequenzen: Sie sei “zum Paria in Laien- und Akademikerkreisen” geworden, schreibt die Rezensentin (selbst Ärztin an einem New Yorker Krankenhaus und gelegentliche freie MItarbeiterin der New York Times) über Susan Clancys Erfahrungen.
Ich habe das Buch selbst nicht gelesen, und selbst wenn, wäre es natürlich nur eine Seite der Medaille. Ich selbst sympathisiere ja gerne mit den Underdogs, die sich mit dem “Establishment” (egal auf welchem Gebiet) anlegen – aber das heißt ja nicht, dass jeder, der anerkannten wissenschaftlichen Auffassungen widerspricht, gleich moralische Überlegenheit genießen kann. Aber andererseits erinnere ich mich aus meinem eigenen Studium nur all zu oft an einen grenz- und manchmal auch vollwertigen Dogmatismus, vor allem bei Professoren, die stur an ihren alten Theorien festhielten, selbst wenn neuere Forschung zumindest eine Modifikation ihrer Modelle etc. erfordert hätte. Womit ich bei der Frage bin, die mich seither beschäftigt: Dass Wissenschaft nicht still steht und sich stetig weiter entwickelt, ist sicherlich mehr als nur ein akademisches Credo; aber kann man das gleiche auch von den Forschern, den Wissenschaftlern selbst sagen – vor allem, wenn sie es endlich ins “Establishment” geschafft haben?
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