Dass ich die Aufforderung “mit gutem Beispiel vorangehen” in einer Zeit voller schlechter Beispiele – exzessive Bankiers-Boni fallen mir da leider immer spontan als erstes ein – immer öfter als ein zynisches Ablenkungsmanöver auf dem Weg zum “Erfolg” sehe, gefällt mir selbst nicht. Aber nun kann ich hoffen, dass mir eine Studie, die in der aktuellen Ausgabe von Psychological Science den Glauben zurück gibt. Darin konnte die Psychologin Simone Schnall von der University of Cambridge, unterstützt durch die Doktorandin Jean Roper an der University of Plymouth und den Anthropologen Daniel M.T. Fessler von der University of California in Los Angeles, tatsächlich einen Nachweis führen, dass Menschen, die mit guten Beispielen konfrontiert werden, anschließend selbst ihr Sozialverhalten verbessern.
Das Sozialverhalten, das in dem vorliegenden Fall verbessert werden sollte, war allerding nicht mit hohem persönlichem Einsatz verbunden: Teilnehmer der Tests konnten ihren Altruismus am Ende dadurch beweisen, dass sie freiwillig nach der vereinbarten Testzeit dem Untersuchungsleiter halfen, einen weiteren Fragebogen auszufüllen. Ist sicher nicht das gleiche wie ein Baby aus einem brennenden Haus zu retten oder sein Vermögen den Erdbebenopfern in Haiti zu spenden, aber immerhin …
Soweit ich aus dem Material, in das ich hier Einsicht habe (wobei “Einsicht” vor allem im übertragenen Sinn gemeint ist: Den Artikel selbst habe ich vorliegen, aber ansonsten muss ich zugeben dass meine fachlichen Erkenntnisse nicht über die Populärpsychologie des semi-gebildeten Alltagsmenschen hinaus gehen), erkennen kann, wurde die Verhaltensänderung nur kurzfristig getestet. Nach einem ersten Test – auf den ich hier nicht weiter eingehe, weil er auch den Autoren nur als Vorlauf zu ihrem eigentlichen Versuch diente – wurden 32 Studentinnen der University of Plymouth (zwischen 18 und 26 Jahre alt) unter dem Vorwand rekrutiert, an einem einstündigen Test des Erinnerungsvermögen mitzuwirken. Als Belohnung gab es dafür einen “course credit” – sprich, die Teilnahme wurde auf das akademische Leistungspensum angerechnet.
Die Teilnehmerinnen wurden per Zufallsprinzip in drei Gruppen sortiert: Die erste Gruppe bekam einen siebenminütigen Clip aus der Oprah-Winfrey-Show zu sehen, in dem sich Musiker bei ihren Förderern bedanken – Ziel dieses Clips war, den Testpersonen ein erhebendes Gefühl (im englischen Psychologen-Jargon “Elevation”) zu vermitteln. Gruppe 2 sah einen gleichlangen Ausschnitt aus der Dokumentation “The Open Ocean” von Sir David Attenborough, der emotional eine neutrale Wirkung zeigen sollte; die dritte Gruppe hatte das Vergnügen, sich durch einen kurzen Ausschnitt aus der Comedy-Serie “Fawlty Towers” mit John Cleese belustigen zu lassen. Teil Zwei des Versuchs war ein “manipulation check”, durch den getestet wurde, ob sich dieser erhoffte Gefühlswandel durch die Clips auch tatsächich eingestellt hatte. Und in der Tat, die Oprah-Zuschauerinnen stuften sich auf dem semantischen Differential für die emotionalen Reaktionen “bewegt”, “aufgemuntert”, “optimistisch für die Menschheit”, “warm ums Herz”, “hilfsbereit” und “will ein besserer Mensch werden” deutlich höher ein als die beiden anderen Gruppen. So weit, so gut.
Doch der dann folgende Teil Drei, der eigentliche Test, war ein Täuschungsmanöver: Nach dem Clip und der Gefühlsbefragung gab die Testleiterin vor, den nun zu beantwortenden Fragenkatalog trotz mehrerer Versuche auf ihrem Computer nicht öffnen zu können. In vorgetäuschter Resignation entließ sie die Versuchsteilnehmerinnen dann aus dem Test, mit der Zusage, dass sie dennoch den vollen “course credit” dafür erhalten würden. Wenn die “Versuchskaninchen” dann Anstalten machten zu gehen, zog sie – scheinbar beiläufig – einen weiteren Fragebogen hervor, der vorgeblich zu einem anderen Studienergebnis gehörte. Ob sie denn Lust hätten, diese Fragen zu beantworten, wurden die Probandinnen dann gefragt. Als “Belohnung” winkte lediglich das Gefühl, der Testleiterin einen Gefallen getan zu haben. Und in der Tat: Testpersonen aus der Oprah-Gruppe waren deutlich stärker emotional bewegt – und deutlich (nach Minuten gemessen, mehr als doppelt) bereiter, der Versuchsleiterin auszuhelfen.
Zumindest in diesem Test-Fall lässt sich also beobachten, dass ein gutes Beispiel tatsächlich zu mehr Hilfsbereitschaft motivieren kann. Wobei man allerdings auch zugeben muss, dass die “Kosten” (i.d.F. nicht monetär, sondern in Zeit) eher gering sind. Denn genau genommen waren die Testpersonen ja sowieso für die Zeit, die sie dann zusätzlich aufwendeten, schon in Form des vollen “course credit” entlohnt worden. Durch ihre Hilfsbereitschaft haben sie sich also nicht “entreichern” müssen. Wie das Bild aussehen würde, wenn ein echter Verzicht gefordert würde, lässt sich aus dieser Versuchsanordnung noch nicht mal ahnen. Und ebenso wenig weiß man, wie lange dieser altruistische Effekt anhalten würde; ob er an die räumliche Versuchssituation gekoppelt war (und vielleicht bei Fortsetzung des 3. Teils draußen auf dem Flur schon einen anderen Verlauf genommen hätte – es ist, wie jeder Ladenbesitzer weiß, immer die größte Hürde, jemanden über die Türschwelle zu kriegen) oder – als ein “quid pro quo” – durch die Gefälligkeit der Testleiterin beeinflusst war, die einen vollen “course credit” gewährt hatte. Aber trotzdem ist nachweisbar, dass es einen messbaren Zusammenhang zwischen dem durch Vorbilder erzeugten emotionalen Zustand und der danach errachten altruistischen Handlung gibt.
Bleibt im Interesse der Menschheit nur zu hoffen, dass es mehr gute Vorbilder geben wird …
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