Jawohl. Und das ist sogar wissenschaftlich erwiesen und peer-reviewt. War also doch für was gut, dass ich als Schüler nie meine Hausaufgaben abgeschrieben, sondern vielmehr (so ab der neunten Klasse) gänzlich darauf verzichtet hatte, sie zu erledigen … Aber mal im Ernst: Der Erziehungswissenschaftler Young-Jin Lee von der University of Kansas hat, gemeinsam mit Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology das Abschreibe-Verhalten von MIT-Studenten mit ihren späteren akademischen Leistungen verglichen. Und um es kurz zu sagen: Studenten, die ihre Physik-Hausaufgaben lieber abschreiben (was sich, dank des Online-Verfahrens MasteringPhysics.com, offenbar recht gut an der viel zu schnellen und komplett fehlerlosen Erledigung präsenterter Aufgaben erkennen ließ), fallen später im Semester um bis zu zwei Noten in ihren Leistungen ab. Die Arbeit ist aktuell in Physical Review Special Topics: Physics Education Research erschienen und hier als pdf-Dokument nachzulesen.
Ha, ruft da der alte Hausaufgaben-Verweigerer in mir (der es dennoch zu einer Abi-Note von 1,5 gebracht hat – nicht gerade Genie-Material, aber doch vorzeigbar, denke ich), das ist doch vermutlich eher andersrum: Es schreiben eh’ nur die ab, sie den Stoff sowieso nicht raffen. Allerdings handelt es sich hier um MIT-Studenten, die im Hinblick auf ihre Physikkentnisse und -Fähigkeiten schon stark vorgefiltert wurden, ehe sie sich hier einschreiben konnten. Die Leistungsschwächen seien daher in der Tat am besten als Folge des fehlenden Stoff-Erwerbs durch Abschreiben statt selbst Nachdenken zu erklären, wenn man den Autoren folgen darf. Ich werde jetzt nicht jeden einzelnen Aspekt des Papers hier nacherzählen (kann ja jeder, der will, selbst nachlesen), aber den Satz auf Seite 5 des (insgesamt 11 Seiten langen) Fachartikels sollte man sich als Student oder Erziehungsberechtigter eines solchen vielleicht doch mal hinter den Spiegel klemmen:
… contrary to the typical belief of American students that innate ability … is the principal determiner of exam success, doing all assigned work is a surer route to exam success than innate physics ability.
Entgegen dem typischen Glauben amerikanischer Studenten, dass eine angeborene Veranlagung der Haupt-Determinator für Prüfungserfolg sei, ist das Erledigen aller Aufgaben ein zuverlässigerer Weg zum Prüfungserfolg als eine angeborene Physik-Begabung.
Da steht zwar “amerikanische Studenten”, aber ich denke, dass solche Vorstellungen auch den deutschen Studenten nicht gänzlich fremd sein dürften. Und das kann ein fataler Irrtum sein: Rund 20 Prozent der regelmäßigen Abschreiber brechen den Kurs völlig ab (was auch unter Umständen einem Studienabbruch gleichkommen kann) – über Dreimal mehr als die normale Abbrecherquote von 5,9 Prozent.
Abschreiben ist also nicht nur moralisch falsch, sondern auch – selbst wenn einem manchmal ganz anders scheinen mag – eine sehr schlechte Erfolgsstrategie.
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