Moment mal, meine ich das wirklich? Dem populären Fernseh-Dr. House – der, nebenbei bemerkt, auch unter Scienbloggern seine Fans findet – unterstellen, dass er ein falsches Bild der Wissenschaft, oder wenigstens der Medizin vermittelt? Mit Einschränkungen – ja! Nicht, dass ich die Serie um den misanthropischen Doc, als sie hier vor sechs Jahren im Fernsehen anlief, nicht als erfrischend und provokant genossen hätte. Und vielleicht spielt meinerseits eine gewisse Übersättigung (allein der Kabelkanal Bravo zeigt am Wochenende immer sechsstündige “House”-Marathons, zusätzlich zu den neuen Folgen, nebst regelmäßigen Wiederholungen, auf dem Originalsender Fox) dabei eine Rolle, dass ich sogar schon bei den Vorschau- und Programmhinweis-Spots weiterzappe. Aber nach längerer innerer Einkehr (irgend was kann doch mit mir nicht stimmen, dass ich diese beliebte und mehrfach preisgekrönte Show um einen durch und durch wissenschaftlich gesinnten Mediziner an einem Klinikum im Umkreis der Princeton-Universität nicht mag) kam ich zu dem Schluss, dass ich das Bild der Wissenschaft, wie es hier vermittelt wird, immer mehr als ein Zerrbild empfinde.
So, und nachdem ich mich nun als Serienmuffel und Spaßverderber geoutet habe, will ich auch begründen, wie ich zu solch einem Eindruck – und um nichts mehr handelt es sich hier! – kommen konnte. Ich habe die Serie nicht wissenschaftlich analysiert, und vermutlich auch eine ganze Anzahl von Folgen inzwischen verpasst, aber aus dem, was ich gesehen habe, kristallisierte sich als erster und augenscheinlichster Reibungspunkt heraus, dass bei allem wissenschaftlich verbrämten Rahmen hier fast immer die Intuition den Durchbruch bringt. Und zwar die Intuition des “außerhalb der Norm” denkenden Einzelgängers, der sich gegen die zumeist konventionell – d.h. auf wissenschaftlichen Konsens begründeten – Auffassungen seiner Kollegen durchsetzt. Natürlich gehört auch ein gutes Maß an Kreativität zum wissenschaftlichen Prozess, aber wenn hier der Eindruck vermittelt würde, dass der Gegen-den-Strom-Schwimmer grundsätzlich der überlegenere Denker ist, dann würde dem kollektiven Wahrheitsfindungsprozess der Wissenschaft ein Bärendienst erwiesen.
Und wenn man noch ein bisschen weiter nachdenkt, dann findet man noch ein paar weitere Elemente, die sonst eher als anti-wissenschaftlich (speziell in der medizinischen Wissenschaft) einzustufen wären. Allen voran das größte aller Missverständnisse, das sich auch die Anhänger alternativer Heilmethoden stets ans Banner heften wollen: Wer heilt hat recht! Und genau das ist die Maxime, nach der Dr. House lebt. Es geht ihm nämlich grundsätzlich nur darum, recht zu haben. Die Dramaturgie vieler Folgen dreht sich zentral um die inneren Zwiste, die den Einzelgänger House befallen, wenn er befürchten muss, mal nicht recht zu haben. Letztlich sind die Storys immer irgendwelche “Wettbewerbe” darum, wer die bessere Antwort hat – und entschieden wird in der Regel dadurch, dass der Patient/die Patientin gesundet. Das kann man natürlich auch anders sehen (nämlich so, dass sich die bessere Idee letztlich durchsetzt), aber kombiniert damit, dass es fast immer die unkonventionellste aller Lösungen ist, entsteht der Eindruck, dass die konventionelle wissenschaftliche Methode dem wahren Problemen nicht gewachsen ist.
Ein weiteres (und mit dem eben gesagten keineswegs immer kongruentes) Missverständnis ist, dass Medizin alles heilen kann. Das muss wahrscheinlich aus TV-dramaturgischen Gründen, will heißen, dem Anspruch des Zuschauers auf ein Happy-End, der Normalfall sein; nur gelegentlich will man hinnehmen, dass der Held sein Ziel verfehlt. Doch egal, wie schwer und mysteriös die Krankheit – fast immer weiß Dr. House am Ende eine Antwort. Und das ist in der Realität leider nicht der Fall; manchmal sind Mediziner selbst dann machtlos, wenn sie die Ursachen erkannt haben.
Und scheinbar im kompletten Widerspruch dazu meine – vorerst – letzte Beobachtung: Mediziner wissen auch nicht, was sie tun. Wieso, hatte ich nicht eben behauptet, die Message der Serie sei, dass sie alles heilen können? Klar. Aber die Dynamik der meisten Episoden wird durch ständiges Raten einer Ursache und Verwerfen derselben geprägt. Nach meiner eigenen, nicht repräsentativen und unstatistischen Erkenntnis muss House sich in einer Durchschnittsepisode mindestens dreimal selbst revidieren. Und jedes Mal war er sich absolut sicher, dass er im Recht war …
Für Zuschauer, die auch nur im Ansatz mit der wissenschafttlichen Methode vertraut sind, wäre all dies bestimmt kein Problem (sonst wäre sie bei den Sciencebloggern auch nicht so beliebt, vermute ich). Letztlich ist die Serie ein Unterhaltungsfernsehen, und kein Bildungsprogramm. Doch es kann nichts schaden, sich zumindest ein paar Gedanken darüber zu machen, wo und wie selbst eine so wissenschaftsbasierte Handlung ins Gegenteil uminterpretiert werden kann.
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