Wer kann am besten beurteilen, wie sehr jemand leidet – der Patient selbst, oder Ärzte und Pflegepersonal? Die Frage könnte – und wird – sich jeder stellen, der das Gefühl hatte, dass ihm der Arzt/die Krankenschwester nicht wirklich glaubt, wie schlecht es ihm doch geht. Dass sie durchaus berechtigt ist (und dass es eine Diskrepanz zwischen dem gibt, was Patienten und was Fachleute glauben), zeigt dieser Artikel im Science-Teil der heutigen Ausgabe der New York Times, der seinserseits durch einen Artikel im New England Journal of Medicine aufgeworfen wurde. Aber sie ist offenbar nicht leicht zu beantworten, denn zwischen den Einstufungen, die das Fachpersonal – hier ging es um Patienten in Krebs-Chemotherapie – und die Betroffenen selbst vornehmen, klaffen konsistent enorme Lücken, wie die nebenstehende Grafik aus dem NEJM-Artikel zeigt.
Für die unterschiedlichen Einschätzungen gibt es natürlich eine Reihe nachvollziehbarer Grïunde, die im Artikel auch gewürdigt werden: Zum Beispiel die Notwendigkeit, die Folgen und Nebenwirkungen zu objektivieren – will heißen, Ärzte und Pflegepersonal neigen ganz erwartungsgemäß dazu, den Zustand eines Patienten mit dem anderer in ähnlicher Situation zu vergleichen. Und was einem selbst als hundsmiserabel erscheinen mag, könnte ja noch milde im Vergleich zu dem sein, was mein Zimmernachbar durchmacht. Aber andererseits kann diese relativierende Unterschätzung dazu führen, dass die realen Folgen der Nebenwirkungen – die ja bei einigen Medikationen bis hin zu Suizid-Gedanken und -Handlungen reichen kann – stark unterschätzt wird. Und sie können dazu beitragen, dass in klinischen Studien die tatsächliche Wucht der Nebenwirkungen unterschätzt wird.
Ich finde den Vorschlag, den der NEJM-Autor Dr. Ethan Basch vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York macht, eigentlich ganz praktisch: Beides erfassen.
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