Dienstags lese ich die New York Times, wegen ihrer wöchentlichen Wissenschafts-Beilage, immer mit besonderem Interesse – und manchmal auch mit großem Vergnügen. Das aktuelle Interview mit dem CalTech-Physiker Sean Carroll ist zwar nur kurz, aber durchaus aufhellend. Zumindest für Nicht-Fachleute, wie mich.

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Anlass ist sein neues Buch From Eternity to Here (ein Wortspiel mit dem Originaltitel des James-Jones-Bestsellers “Verdammt in alle Ewigkeit” = “From Here to Eternity”), in dem es um das Wesen der Zeit geht – und um die Frage, warum wir den Fluss der Zeit nicht umkehren und die Vergangenheit ändern können.

Ohne diese Frage hätten wir auf ganze Bücherregale voller Science-Fiction-Literatur verzichten müssen; aber eine so simple Antwort, wie Carroll sie dann gibt, macht ebenso viel Eindruck wie die Lektüre des Klassikers “Die Zeitmaschine” von H.G. Wells:

The arrow of time comes from the increase of entropy, meaning that the universe started out organized and gets messier as time goes on. Every way in which the past is different from the future can ultimately be traced to entropy. The fact that I remember the past and not the future can be traced to the fact that the past has lower entropy.
Der Zeitpfeil kommt durch die wachsende Entropie, will heißen, das Universum begann organisiert und gerät mit fortschreitender Zeit durcheinander. Alles, was die Vergangenheit von der Zukunft unterscheidet, kann letztlich auf Entropie zurückgeführt werden. Die Tatsache, dass ich mich an die Vergangenheit erinnern kann und nicht an die Zukunft, lässt sich auf die Tatsache zurückführen, dass die Vergangenheit eine geringere Entropie hat.

Denn vor allem als Nicht-Physiker vergisst man leicht, dass unser Universum eben nicht – wie es aus menschlicher Sicht scheint – zunehmend ordentlicher wird, im Gegenteil:

The universe started out highly organized and has been becoming more random and chaotic ever since (…) the universe is like a mechanical toy that started all wound up, and has been winding down for the last 14 billion years.
Das Universum begann hochorganisiert und wurde seitdem immer zufälliger und chaotischer (…) das Universum ist wie ein mewchanisches Spielzeug, das am Anfang voll aufgezogen war und seit den vergangenen 14 Milliarden Jahren langsam ausläuft.

Und obwohl wir wissenschaftlich gesehen nur Stäubchen im Kosmos seien, bräuchten wir uns nicht minderwertig zu fühlen: “You are allowed to feel small”, meint Carroll – man habe das Recht, sich klein zu fühlen. “Anstatt uns dafür zu schämen, wie klein wir sind, sollten wir beeindruckt davon sein, dass wir es verstehen können. Die Regeln der Natur sind letztlich unsere Regeln, und wenn wir versuchen, sie zu verstehen, dann lernen wir etwas über uns selbst.”

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Kommentare (4)

  1. #1 pogobi
    20. April 2010

    “Anstatt uns dafür zu schämen, wie klein wir sind, sollten wir beeindruckt davon sein, dass wir es verstehen können. Die Regeln der Natur sind letztlich unsere Regeln, und wenn wir versuchen, sie zu verstehen, dann lernen wir etwas über uns selbst.”

    Meine Standartantwort auf die Frage, wie ich es als Atheist aushalte 😉

  2. #2 BreitSide
    20. April 2010

    Danke auch für die Übersetzung!

    Das finde ich eine große Höflichkeit gegenüber den Lesern. Nicht jeder ist spät abends in der Laune zum Übersetzen, auch wenn er dazu in der Lage wäre.

    Bin mal gespannt, wann die ersten Kreatos aufschlagen:

    – “wie ein mewchanisches Spielzeug” – also muss es einen Mechaniker geben!
    – Leben heißt doch höhere Ordnung!
    – Kristalle haben doch auch eine höhere Ordnung (und deswegen so tolle Heilwirkungen…)!

    Ich hoffe, ich habe jetzt nicht die Schlagwörter für die Suchmaschinen geliefert…:-)

  3. #3 derari
    21. April 2010

    Mein Favorit ist “Was bringt es dir denn, dich selbst so klein und unbedeutent zu machen?”

  4. #4 ka
    22. April 2010