Ich habe mir gerade die aktuelle Ausgabe des US-Magazins Harper’s vorgenommen, das seine Coverstory dem Thema “Handys und Krebs” gewidmet hat. Und nein, keine Aufregung bitte: Obwohl die Story von dem Romanautor Nathaniel Rich geschrieben wurde, dürfte sie vieles, was meine Kollegen im Wissenschaftsjournalismus (mich uneingeschränkt eingerechnet) sonst abliefern, in den Schatten stellen. Denn erstens wird nicht nur auf Studien verwiesen, sondern diese werden auch per Fußnoten zitiert; zweitens macht er sich die Mühe, Quellen nötigenfalls nachzurecherchieren (und drittens hatte er, wie man aus einem Nebensatz erkennen kann, von der Harper’s-Redaktion mehr als ein Jahr Zeit bekommen, die Story abzuliefern – das würde ich mir nicht mal im Traum zu wünschen wagen).
Das Stück, das dabei herauskommt, lässt zwar alle Argumente für einen Zusammenhang zwischen dem zunehmenden Handy-Gebrauch und steigenden (?) Hirntumor-Raten zu Wort kommen, wägt sie aber stets gegen die wissenschaftlich solidesten Positionen ab, die zumeist klar diesen Zusammenhang negieren. Und Rich tut das in einer Weise, die Leute wie den Anti-Handy-Lobbyisten Lloyd Morgan keineswegs einfach als wissenschaftlich ignorante Spinner abtun, im Gegenteil: Morgan ist ein studierter Elektroigenieur, der selbst einen Gehirntumor überlebt hat. Sein Engagement wirkt hier ehrlich, er wird als zentrale Figur des Artikels mit respekt behandelt. Und wenn seine Bemühungen letztlich dazu führen könnten, dass mehr Geld für die Erforschung von Gehirntumoren bei Kindern – die auf dem Vormarsch zu sein scheinen, auch wenn dies epidemiologisch noch nicht vollends geklärt ist – ausgegeben wird, dann kann dies eigentlich nur im Interesse der Wissenschaft sein.
Soweit also der Lesehinweis (der sowieso nur funktioniert, wenn jemand die Zeit, die Lust und vor allem die Spendierfreudigkeit hat, um sich für 16,97 Dollar ein Harper’s-Jahresabo und damit den Online-Zugang zu den Artikeln zu verschaffen). Aber ganz ohne einen Stich ins Wespennest will ich das hier doch nicht stehen lassen. Nehmen wir mal an, dass es tatsächlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Handys und Hirnschäden gibt; nehmen wir sogar mal an, dass dieser Zusammenhang gar nicht (primär) eine Folge der Strahlung sein muss, sondern durch eine Reihe anderer Faktoren – ich spinne mal freischwebend: Durchblutungsstörungen als Folge veränderter Kopfhaltung beim Telefonieren, oder irgendwelche chemischen Ausdünstungen der Batterie-Verkleidungen, Plastik-Weichmacher in Kabelverkleidungen oder was auch immer – erklärbar wäre: Warum, um Gottes willen, muss man diese Teile überhaupt scheinbar pausenlos an seinen Schädel halten? Ob’s nun gesundheitsgefährdend ist oder nicht: Wär’s nicht für das Wohl der Menschheit besser, wenn die Dauertelefonierer (die im Bus immer hinter mir sitzen und in der Schlange vor mir stehen) wenigstens ein bisschen Angst vor Gesundheitsschäden hätten und ihre Handys wenigstens ab und zu mal abschalten würden? Vor allem die Fernplauderer am Steuer sollten sich vor den Gefahren ihrer telekommunikativen Gewohnheiten fürchten – denn die sind sehr real. Und zudem wissenschaftlich nachweisbar.
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