Wissenschaft macht sicher am meisten Spaß, wenn sie überrascht – wenn sie Resultate zeigt, die überkommene Vorstellungen entkräften. Aus diesem Grund ist mein Blick auch auf der Studie “Are Foreign IT Workers Cheaper?” hängen geblieben, die von den Wirtschaftsprofessoren Henry C. Lukas und Sunil Mithas, beide von der Robert H. Smith School of Business der University of Maryland im Journal Management Science, herausgegeben vom Institute for Operations Research and Management Sciences INFORMS, veröffentlicht wurde. Das Überraschende an der Studie – in deren Abstract leider nur wenig Details enthalten sind; auch die Pressemitteilung geizt mit Daten – ist ganz simpel: Entgegen der vor allem von Einwanderungsgegnern immer vorgetragenen Behauptung, dass ausländische Arbeitskräfte (“Gastarbeiter” nannte man die früher) niedrigere Gehälter akzeptieren und dadurch das Entlohnungsniveau für Einheimische senken, werden in den USA, zumindest im Bereich Informationstechnologie, die Ausländer besser bezahlt als ihre vergleichbar qualifizierten Inlandskollegen – und zwar (diese Zahl habe ich aus einem Artikel, der auf Mithas’ Website verlinkt ist), in der Größenordnung von fünf bis neun Prozent mehr.

Das, was ich über diese Studie weiß, ist – wie schon gesagt – sehr dürftig. Ich kann also nicht einschätzen, wie die Zahlen, die zwischen 2000 und 2005 anhand von 50.000 Teilnehmern einer Umfrage des Journals erhoben wurden, einzuschätzen sind: Waren da wirklich genug Ausländer drunter, um signifikante Aussagen zu machen; waren es (wie ich vermute), freiwillige und ansonsten unbelegte Angaben, die einen Bias enthalten können (vielleicht neigen die ausländischen Kollegen, die hier per Visum oder Daueraufenthalts- und Arbeitsgenehmigung – Green Card genannt – arbeiten, eher dazu, sich “in die eigene Tasche zu lügen”); ist das Kriterium der “Vergleichbarkeit” überhaupt gegeben, wenn allein schon die ausländische Herkunft eine zusätzliche Qualität von Sprachkenntnis und kulturellem Hintergrund mit sich bringen kann etc. Aber unabhängig von all dem – allein schon die Tatsache, dass die Studie (in der es vor allem auch um die Auswirkungen der Visapolitik auf das Gehaltsniveau geht) eben nicht die Erwartung eines Lohndrücker-Effekts bestätigt, rechtfertigt einen entsprechenden gedanklichen Vermerk für die Zukunft.

Die Einwanderungsgegner wird das natürlich nicht zum Schweigen bringen. Nur werden sie jetzt vermutlich über die Ungerechtigkeit lamentieren, dass Ausländer besser bezahlt werden als die eigenen Landsleute.

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Kommentare (6)

  1. #1 Le Webbaer
    14. Mai 2010

    Nur werden sie [“Einwanderunsgegner”] jetzt vermutlich über die Ungerechtigkeit lamentieren, dass Ausländer besser bezahlt werden als die eigenen Landsleute.

    Das wäre unamerikanisch und, äh, vllt eher europäisch.
    Ein Kumpel von mir hat dort als SAP-Berater einige Jahre gewirkt, Zitatprobe: Die Amerikaner wollen sich nicht anstrengen mit tiefem Denken. [1]
    IdT, eher untypisch, aber immerhin als Erklärungsmodell tauglich.

    MFG
    Wb

    [1] “In der Masse dümmer, in der Spitze besser.” wäre noch zu kolportieren. 🙂

  2. #2 Jürgen Schönstein
    14. Mai 2010

    @Webbaer

    Die Amerikaner wollen sich nicht anstrengen mit tiefem Denken. (…) “In der Masse dümmer, in der Spitze besser.”

    Ist schon erleuchtend, so ein krasses Vorurteil gleich mit der entlarvend mageren Quelle – “ein Kumpel von mir hat dort als SAP-Berater einige Jahre gewirkt” – serviert zu bekommen. Nee, ich lebe seit nunmehr zwei Jahrzehnten (muss das in meinem Blogprofil mal aktualisieren, das hat auch schon ein paar Jahre hinter sich) in den USA, habe hier meine Freunde, meine Familie, und keiner ist dümmer als meine Freunde und/oder Familie in Deutschland. Mein Beitrag bezog sich zwar auf US-Verhältnisse, war aber an Einwanderungsgegner überall gerichtet – auch in Europa. Von denen soll’s ja einige geben:
    https://nachrichten.t-online.de/migration-ablehnung-von-einwanderern-in-deutschland-am-groessten/id_14212230/index

  3. #3 Le Webbaer
    14. Mai 2010

    Wb auch schon mal da gewesen :), die eigentliche Aussage war, dass der IT-Bereich eine Besonderheit darstellt, da in diesem Nichtamerikaner einen guten Ruf haben und diesen auch oft oder immer wieder bestätigen.
    In anderen Bereichen siehts anders aus.

    Hieraus hleich ein Einwanderungsthema zu machen, Ihre dbzgl. Einstellungen scheinen klar, Arizona?, höhö, passt nicht – so der Webbaer.

    MFG
    Wb

    PS: In D Immigration auch “ein wenig” problematisch, aber Wb nicht in D, oder sehr selten da in den letzten 3 Dekaden.

  4. #4 Jürgen Schönstein
    14. Mai 2010

    @Webbaer
    Jürgen Schönstein manchmal nicht versteht, was le Webbaer meinen. Klare Sätze formulieren manchmal sicher problematisch, aber Versuch wäre lohnenswert. Nicht wahr?
    Beste Grüße von Yoda …

  5. #5 Wb
    15. Mai 2010

    “die eigentliche Aussage war, dass der IT-Bereich eine Besonderheit darstellt” (Selbstzitat)

    Die Staaten legen halt ein wenig Wert auf die Qualität der Einwanderung, wenn man mal die Südgrenze aussen vor lässt. “Arizona” war der Verweis auf eine aktuelle US-amer. Debatte.

    Wb also meinen, dass die Argumentation mit den ITlern [1], die sich erklärtermassen “an Einwanderungsgegner überall gerichtet – auch in Europa” richtet, nicht gut [2] greifen tut.

    MFG
    Wb

    [1] die kleine Anekdote war natürlich nur ein Eindruck, die Erstreaktion auf diesen Artikel war schon ein wenig lau 🙂
    [2] Europa bekanntlich nicht selektiv i.p. Immigration

  6. #6 miesepeter3
    17. Mai 2010

    Als in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts Gastarbeiter in größeren Mengen nach Deutschland kamen, haben diese in keiner Weise das Lohnniveau der deutschen Arbeitnehmer “gedrückt”. Im Gegenteil. mit ihrer Arbeit haben sie dafür gesorgt, dass die Unternehmen die gestiegene Nachfrage der Märkte befriedigen konnten, mehr Gewinn machten und letztendlich die Arbeitnehmer mit der einen oder anderen Lohnerhöhung (inkl. der Gastarbeiter) beglücken konnten.