Die Diskussion, ob es nun einen globalen Erwärmungstrend gibt oder nicht, wird ja nicht zuletzt bei meinem Scienceblogger-Kollegen Georg Hoffmann auf Primaklima mit erstaunlicher Geduld (seinerseits) und Hartnäckigkeit (bei nahezu allen Kommentatoren) geführt. Und dort gehört sie auch hin. Aber ich will hier an dieser Stelle meinen geographischen Senf dazu geben, und – wie schon in früheren Beiträgen – zeigen, dass dies keine theoretische Diskussion um Klimacharts und Messmethoden ist, sondern dass sich eine globale Erwärmung auch an konkreten, in der Natur beobachtbaren Veränderungen nachvollziehen lässt. Und als Belege wähle ich heute mal das verstärkte Auftauen der Dauerfrostböden und die ans Katastrophale grenzende Ausbreitung des Bergkiefernkäfers in den Wäldern der nordwestlichen USA, namentlich im und um den Yellowstone-Nationalpark.
Es taut sich was im Dauerfrost
Dass es zwischen dem Klima und der Verbreitung der arktischen Permafrostböden einen Zusammenhang gibt, muss ich jetzt nicht hoffentlich erst noch belegen. Und dass die obere Schicht dieser Böden gemäß der Definition nicht dauergefroren ist, sondern in den Sommermonaten in einer “aktiven Schicht” auftaut, wird man mir hier jetzt sicher auch erst mal glauben können. Gut. Nun zum Klimawandel: Die Sorge besteht, diese Böden könnten bei anhaltender globaler Erwärmung in größerer Tiefe als bisher auftauen, was nicht nur zu einer verstärkten Freisetzung des im Eis gebundenen Boden-Kohlendioxids und Methans (beides sehr aktive Treibhausgase) führen würde, sondern auch arktische Infratstruktureinrichtungen – Straßen, Pipelines, aber auch Gebäude – gefährdet.
Die Frage ist nun: Taut der Dauerfrostboden in zunehmender Tiefe auf, und wie kann man das beweisen? Die bisherige Messmethode, eine Sonde in den Boden zu stecken, bis man auf die Eisschicht stößt, ist ebenso simpel wie unpräzise. Doch die Doktorandin Katy Keller, gemeinsam mit ihren Professoren Joel Blum (Geologe) und George Kling (Biologe; alle drei von der University of Michigan) kamen bei ihrer Feldarbeit rund um die Toolik Field Station in Alaska auf die Idee, mal nach chemischen Markern für frisch aufgetauten Boden zu suchen.
“Wir bemerkten, dass sich die Bodenchemie dramatisch veränderte, wenn man unter die Bodendicke kam, die typischer Weise im Sommer auftaut. Material, das nicht aufgetaut war, seit es vor 10.000 bis 20.000 Jahren von Gletscher deponiert wurde und nun anfängt aufzutauen, reagiert stark mit Wasser, dem es nun zum ersten Mal begegnet. Dieser Boden ist viel reaktiver als höhere Bodenschichten, die jeden Sommer mit Bodenwasser interagieren.”
Joel Blum
Was sie konkret fanden, haben sie in einem Paper für die Zeitschrift Chemical Geology zusammengefasst: In frisch aufgetautem Permafrost ist das Verhältnis von Kalzium zu Natrium und Barium und der Anteil des Strontium-Isotops 87SR gegenüber 86SR niedriger. Und diese Werte, die anhand von Wasserproben ermittelt wurden, die Kling über elf Jahre hinweg gesammelt hatte, lassen sich in den Bächen und Flüssen nachweisen. Laut Kling zeigen sie “signifikante Veränderungen von Jahr zu Jahr, die konsistent mit dem sind, was man durch eine zunehmende Auftautiefe erwarten würde”.
Die Käfer-Katastrophe im Kiefernwald
Man tut dem Bergkiefernkäfer eigentlich sehr Unrecht, wenn man ihn als Schädling bezeichnet: Ohne ihn wäre die Küstenkiefer (Pinus contorta) vermutlich längst von Fichten und Tannen verdrängt worden, die im Schatten der Kiefern prächtig gedeihen und ihnen Konkurrenz machen. Doch da der Käfer, der unter der Borke der Küstenkiefer lebt und letztlich zum Tod seines Wirtes führt, diese koniferen Usurpatoren ihres Schattenspenders beraubt, gibt er damit paradoxer Weise der Küstenkiefer eine faire Chance, ihre Bestände zu verteidigen. Anders sieht die Sache bei der weißstämmigen Kiefer (Pinus albicaulis) aus, deren Lebensraum eigentlich oberhalb 2500 Meter und damit außerhalb der Komfort-Zone des Bergkiefernkäfers liegt und die daher auch keine Strategien im Umgang mit dem Parasiten entwickeln konnte.
Beobachtungen in den Gebirgsregionen um den Yellowstone-Park haben gezeigt, dass die Käfer gleich doppelt von einem Erwärmungstrend profitieren: Mehr Exemplare überleben die früher für sie viel zu kalten Wintermonate, und zudem erlauben die wärmeren Sommer, dass die Käfer ihren gesamten Lebens- und Reproduktionszyklus nun schon in einem einzigen Jahr durchlaufen – zusammen genommen führte dies zu einer Bergkiefernkäfer-Explosion Explosion der Bergkiefernkäfer-Population (sehe nebenstehende Tabelle, die dem Bericht über Effective monitoring as a basis for adaptive management: a case history of mountain pine beetle in Greater Yellowstone Ecosystem whitebark pine entnommen ist, einem von zahlreichen einschlägigen Reports, die auf der Website des Greater Yellowstone Coordinating Committee publiziert sind).
Ein neuerer Bericht, der auf einer Luftbildauswertung der Region basiert und erst vor wenigen Wochen der Kommission vorgelegt wurde (und wohl aus diesem Grund noch nicht auf der Website zu finden ist), dokumentiert das Ausmaß der Schäden:
Laut diesem Bericht ist fast die Hälfte (46 Prozent) der weißstämmigen Kiefern in der Region stark gefährdet, andererseits sind nur fünf Prozent der Bestände befallsfrei. Diese Kiefer ist aber essentiell für das Ökosystem: Ihre Samen sichern als Nahrungsgrundlage das Überwintern der roten Eichhörnchen, die wiederum eine kritische Nahrungsreserve für die Grizzlybären der Region bilden. Und das resultiert nicht nur in einer Gefährdung der Bärenbestände, sondern auch der Menschen, da die Petze dann vor der Winterruhe ihre Nahrung zwangsläufig in niedrigeren Höhenlagen suchen müssen, die dichter von Menschen besiedelt sind.
Okay, die potenziellen Todesfälle, die der Klimawandel via intensivierter Kontakte zwischen Mensch und Bär verursachen kann, sind sicher eine zu vernachlässigende Größe, verglichen mit den zu erwartenden Konsequenzen von Stürmen und Fluten. Aber diese Beispiele sollen nicht nur zeigen, dass diese ökologischen Konsequenzen längst real sind (worauf ich ja schon, wie oben bereits erwähnt, mehrfach hingewiesen habe) und dass sie eine ernst zu nehmende Warnung aussprechen. Sie sollen auch all jenen widersprechen, die da so gerne behaupten, wir könnten den Auswirkungen der globalen Erwärmung durch erhöhte Deiche und sonstige technologische Anpassungsleistungen entgegen wirken. Den Kiefern und Bären würde dies beispielsweise nicht viel helfen.
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