Selbst als Nicht-Fußballfan habe ich mitbekommen, dass die WM 2010 wohl diejenige sein wird, deren Schiedsrichter-Fehlentscheidungen noch lange Diskussionsstoff liefern werden. Wie ich einem Artikel im aktuellen PLoS ONE entnehmen kann, ist es nicht unbedingt nur Unfähigkeit oder gar Parteinahme (schon gar nicht die von den Fans meist spontan diagnostizierte Amaurosis), wenn der Schiri ein Foul falsch pfeift – es kann auch einfach nur daran liegen, dass er, wie so viele Menschen auf der Welt, gelernt hat, von links nach rechts zu schreiben.
Denn daraus, so schreiben die Autoren um Alexander Kranjec, Postdoc am Institut für Neurologie der Medizinischem Fakultät der University of Pennsylvania, leite sich eine entsprechende Präferenz für Bewegungen ab, die von links nach rechts verlaufen:
Although data suggests that brains are wired with some default preferences for left-to-right motion, there is enough evidence in populations that read right-to-left languages (e.g. Hebrew and Arabic) to conclude that perceptual and motor habits associated with the development of literacy influence how we think about canonical representations of events [3]-[6]. Thus readers of left-to-right languages are more likely to put a circle on the left when asked to draw a simple event like “the circle pushes the square” [7] and to rate goals scored from left-to-right as more beautiful than goals scored in the opposite direction [8].
[3] Tversky B, Kugelmass S, Winter A (1991) Cross-cultural and developmental trends in graphic productions. Cognitive Psychol 23: 515-557. FIND THIS ARTICLE ONLINE
[4] Chatterjee A (2001) Language and space: some interactions. Trends Cogn Sci 5: 55-61. FIND THIS ARTICLE ONLINE
[5] Maass A, Russo A (2003) Directional bias in the mental representation of spatial events. Psychol Sci 14: 296-301. FIND THIS ARTICLE ONLINE
[6] Dobel C, Diesendruck G, Bölte J (2007) How Writing System and Age Influence Spatial Represenations of Actions: A Devleopmental, Cross-Linguisitc Study. Psychol Sci 18: 486-491. FIND THIS ARTICLE ONLINE
[7] Chatterjee A, Maher LM, Heilman KM (1995) Spatial characteristics of thematic role representation. Neuropsychologia 33: 643-648. FIND THIS ARTICLE ONLINE
[8] Maass A, Pagani D, Berta E (2007) How Beautiful is the Goal and How Violent is the Fistfight? Spatial Bias in the Interpretation of Human Behavior. Soc Cognition 25: 833-852. FIND THIS ARTICLE ONLINE
Ohne jetzt jedes Detail der Studie auszuführen, die mit zwölf Studentinnen und Studenten der Uni-Fußballteams der University of Pennsylvania durchgeführt wurde: Dreh- und Angelpunkt des Tests war, dass ihnen Fotos von insgesamt 143 Zweikampf-Situationen mit zwei Spielern, von denen einer ganz klar im Ballbesitz war, vorgespielt wurden und sie innerhalb von drei Sekunden entscheiden mussten, ob ein Foul vorlag oder nicht. Der Trick: Den Testpersonen wurde jedes Bild in zwei nahezu identischen Versionen vorgeführt, die sich nur dadurch unterschieden, dass das zweite Foto ein exaktes “Konter” (also spiegelbildlich) des ersten war; durch den Mix der Bilder wurde vermieden, dass beide Fotos jeweils zu nahe bei einander vorkamen und der Beobachter den Spiegelungstrick erkennen konnte.
Figure 1. Average number of fouls called with two example stimuli and the standard left diagonal system of control.
(A) The mean number of fouls called is greater for left-moving pictures. (B) In the left diagonal system, the referee (REF) will generally observe a play (PLAY1 & 2) unfold from right-to-left in the attacking third of the field. For the assistants (ASST1 & 2), attacking play will always unfold from left to right. These opposing perspectives should lead to referees having a lower threshold for making fouls calls relative to assistants in the attacking half of the field.
Mit anderen Worten: Bei ansonsten exakt gleichem Geschehen erkannten die Testpersonen im Schnitt drei zusätzliche Fouls (insgesamt 66,5 statt 63,3) nur deshalb, weil der wahrgenommene Spielverlauf von rechts nach links lief, anstatt im ästhetisch bevorzugten links-rechts-Schema. Nicht viel, mag man denken, aber genug, um den Verlauf eines Turniers – und, wenn man daran denkt, dass wegen Fußball schon Kriege geführt wurden, sogra den Verlauf der Weltgeschichte – ändern kann.
Doch eines sollte man zur Ehrenrettung der Schiris hier noch ausdrücklich erwähnen: Da sie ja nicht nur (wie einTtennis-Schiedsrichter, beispielsweise) nahezu bewegungslos an einem Punkt am Spielfeldrand verharren, sondern mitten drin im Geschehen sind und dies daher schon zwangsläufig nicht aus einem einzigen Winkel betrachten, müsste sich der links-rechts-Bias auf beide Teams gleichermaßen verteilen. Der Haken ist halt nur, dass es oft nicht mehr als eine einzige – zufällig verteilte – Fehlentscheidung braucht.
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