Erst mal den “Klimaskeptiker-Köder” vorweg: Es muss nicht der vom Menschen verursachte Klimawandel sein, um den sich die rund 27 Millionen Einwohner des Südwestens der USA und der benachbarten mexikanischen Provinzen die größten Sorgen machen müssen. Was nicht heißen soll, dass die globale Erwärmung keine Auswirkungen auf den Wasserhaushalt der Region – der im Wesentlichen vom Colorado River abhängt – haben wird; im Gegenteil: Als Folge der Klimaänderungen rechnen Wissenschaftler mit einer Verringerung der Wassermenge des Colorado-Systems irgendwo zwischen sieben und 20 Prozent bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. Aber eine andere, lokalere und ebenso, sondern antropogene Ursache scheint etwa ebenso dramatischere Wasserverluste zur Folge zu haben: Staub, der durch den Menschen (vor allem die Landwirtschaft und die Industrie) in die Luft geblasen wird, hat die Schneeschmelze im Einzugsgebiet des Colorado-Oberlaufs über die vergangenen 150 Jahre um etwa drei Wochen nach vorne verlegt – mit dramatischen Folgen für den Wasserhaushalt: Die Wasserführung des Colorado hat sich dadurch seit Beginn der massiven Siedlungsaktivität in der Region im Schnitt um fünf Prozent verringert. Dies ist das Resultat einer Studie, die unter der Leitung von Tom Painter (Hydrogeograph des Jet Propulsion Laboratory der Nasa und Professor an der University of California in Los Angeles) durchgeführt wurde und als Paper in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences erschienen ist.
Warum der Staub die Schneeschmelze beeinflusst, ist eigentlich ganz leicht nachzuvollziehen: Schnee reflektiert etwa 80 Prozent des einfallenden Sonnenlichts, was ihm eine erstaunlich lange Lebensdauer selbst bei intensiver Einstrahlung verleiht. Wenn jedoch der dunkle Staub auf der weißen Schneedecke landet, dann reduziert sich diese Reflexion, die absorbierte Energie lässt den Schnee dann wesentlich schneller abschmelzen.
Das allein erklärt zwar die vorgezogenere Schneeschmelze – aber wieso reduziert das dann auch die Wasserführung des Flusses? Ist es nicht egal, ob die Schmelzwässer sagen wir mal Ende März statt Mitte April in den Stauseen des Colorado ankommen? Simple Frage – simple Antwort: Nein. Denn allein schon die Tatsache, dass in diesem semiariden Klima dann auch die winters durch die Schneedecke geschützte Vegetation früher wieder den atmosphärischen Einflüssen ausgesetzt ist, erhöht die Verdunstung durch pflanzliche Transpiration – die Forscher schätzen, dass allein durch diesen Effekt etwa 323 Millionen Kubikmeter Wasser zusätzlich dem Colorado entzogen werden. Das entspricht etwa dem Gesamt-Wasserverbrauch des Großraums Los Angeles in 18 Monaten!
Aber erschwert wird die Wasserversorgung zudem durch ein etwa 90 Jahre altes Verteilungssystem, das den Anliegerstaaten bestimmte Kontingente zu bestimmten Zeiten zuweist (die sowieso schon nicht mehr adäquat sind: die Wasserschöpfungsrechte übersteigen die historische mittlere Wasserführung des Flusses bereits um zehn Prozent, wie im PNAS-Paper zu lesen ist) – frühere und rapidere Schmelzwasser-Schübe können einige der Nutzer im wörtlichen Sinn auf dem Trockenen sitzen lassen.
Kommentare (3)