Im Jahr 2090 wird mein Sohn 90 Jahre alt sein und sich hoffentlich, dank voraussichtlich besserer medizinischer Versorgung, bei bester Gesundheit finden. Und dann könnte er seinen Enkeln vielleicht von den guten alten Zeiten erzählen, als Deutschland noch keine Wüste war … Denn wenn sich die bisherigen Erwärmungstrends fortsetzen, dann wird das, was wir bisher “gemäßigte Breiten” nannten und wo wir uns, abgesehen von ein paar verregneten Sommern oder schneematschigen Wintern, bisher noch ganz wohl fühlen, zu einem Streifen der Dürre. Dies berichtet ein Paper, das der Klimaforscher Aiguo Dai vom National Center of Atmospheric Research (NCAR) in der aktuellen Ausgabe der Wiley Interdisciplinary Reviews: Climate Change (die Ausgabe ist, während ich dies schreibe, leider noch nicht Online, wird’s wohl aber für die Leser schon sein) veröffentlicht hat. Seine Prognose für das Jahrzehnt 2090 bis 2099 im Bild:
Und nur zum Vergleich, wie die Verhältnisse aktuell aussehen:
Die Details zu dem Paper musste ich, da es – wie schon gesagt – online noch nicht verfügbar war (und vermutlich eh’ nur wieder per Abo zu kriegen wäre, das ich sowieso nicht habe) aus dieser Veröffentlichung der National Science Foundation entnehmen, die Aiguo Dais Arbeit am NCAR finanziell unterstützt. Demnach rechnet der Forscher, der sich dabei auf 22 Computermodelle sowie eine Reihe bereits publizierter Paper stützt, ab 2030 mit einer deutlichen Austrocknung in weiten Teilen Europas, Asiens und Australiens. Zum Ende des Jahrhunderts werden dann vor allem die Bevölkerungszentren in Europa, Nord- und Südamerika, Afrika und Südostasien im wörtlichen Sinn auf dem Trockenen sitzen. Nordeuropa, Alaska und Russland werden zwar durch diese Klimazonenverschiebung eher profitieren und feuchtere Zeiten erleben, aber das wird, so das Paper, den Wasserverlust in den mittleren Breiten nicht ausgleichen können:
“The increased wetness over the northern, sparsely populated high latitudes can’t match the drying over the more densely populated temperate and tropical areas,
Die erhöhte Feuchtigkeit in den nördlichen, dünn besiedelten hohen Breiten kann mit dem Austrocknen über den dichter bevölkerten gemäßigten und tropischen Regionen nicht mithalten“
erklärt Dai. Und stützt sich dabei nicht nur auf die möglichen Ergebnisse modellierter Prognosen, sondern auch auf harte Fakten, die er selbst für die Zeit seit den 70-er Jahren erhoben hat: Demnach hat sich der Teil der Erdoberfläche, auf dem Dürre herrscht, in dieser Zeitspanne schon verdoppelt, und die Wasserführung “einiger großer Flusssysteme” sei zurück gegangen.
Sicher, wie alle Prognosen und Modelle hängt auch diese “Hochrechnung” von vielen teuflichen Details ab, die nicht immer alle präzise vorhersagbar sind. Die Entwicklung der Kohlendioxid- und anderer Emissionen, beispielsweise. Und nichts wäre wünschenswerter, als dass die Folgen, vor denen Klimaforscher warnen, durch veränderte Ausgangsbedingungen (verringerte Abgasbelastungen, beispielsweise) gemildert oder gar verhindert werden. Aber das setzt voraus, dass die Risiken des status quo erst mal erkannt werden. Und das ist der Hauptzweck solcher Modelle. Alles andere wäre Hellseherei.
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