Die Sache geschah zwar schon vor mehr als 60 Jahren, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass nicht schon auch damals – in den 40-ern – diese Art von Menschenversuchen gegen dass allgemeine Anstandsempfinden (und auch gegen das allgemeine Rechtsbewusstsein) verstießen: U.S. Infected Guatemalans With Syphilis in 40’s, berichtet die New York Times in ihrer Samstagausgabe. Es geht darum, dass amerikanische Ärzte herausfinden wollte, ob sich Penicillin nicht nur zur Behandlung, sondern auch zur Vorbeugung von Syphilis-Infektionen einsetzen ließe. Und zu diesem Zweck

the National Institutes of Health, even paid for syphilis-infected prostitutes to sleep with prisoners, since Guatemalan prisons allowed such visits. When the prostitutes did not succeed in infecting the men, some prisoners had the bacteria poured onto scrapes made on their penises, faces or arms, and in some cases it was injected by spinal puncture.

– jawohl, nicht etwa ein paar durchgeknallte und an akutem Ethikdefizit leidende Forscher, sondern die staatlichen Gesundheitinstitute NIH steckten dahinter. Den Einsatz von als infiziert bekannten Prostituierten finde ich dabei schon doppelt perfide ….

Das einzig Versöhnliche an der Story ist für mich, dass sie heute, nach ihrer Aufdeckung durch die Professorin Susan M. Reverby von der Wellesley-Unversität, genug Empörung bewirkte, dass sich sowohl die US-Außenministerin Hillary Clinton als auch die Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius umgehend und öffentlich dafür entschuldigten.

flattr this!

Kommentare (13)

  1. #1 michael
    3. Oktober 2010

    Ja, manche Staaten gehen auch mit den eigenen Leuten rücksichtslos um

    von de.wikipedia.org/wiki/Kernwaffentest

    Nach einem 2010 von der Zeitung Le Parisien veröffentlichten vorher geheimen Bericht von 1998 hat Frankreich von 1960 bis 1966 Wehrpflichtige vorsätzlich radioaktiver Strahlung ausgesetzt. “Frankreich wollte erforschen, ob die Kampffähigkeit von Truppen abnimmt. […] 35 Minuten nach der Atomexplosion rückte ein Truppenteil zu Fuß und ohne Schutzkleidung bis auf 700 Meter zum Zentrum vor.” [6]

    oder der geliebte CIA

    https://de.wikipedia.org/wiki/MKULTRA

  2. #2 Randifan
    3. Oktober 2010

    Beim Nürnberger Prozess gegen deutsche Ärzte, die in KZs Menschenversuche durchführten, führten die USA den Vorsitz.
    https://www.gesch.med.uni-erlangen.de/gewissen/ausstell/aufarb/text_03.htm
    Aber aus diesen Prozess lernten keiner der beteiligten Staaten irgendetwas dazu.

  3. #3 WoDan
    3. Oktober 2010

    Das hier waren die eigenen Staatsbürger:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Tuskegee_syphilis_experiment
    Wen wundert dann das oben Berichtete?

  4. #4 rix
    3. Oktober 2010

    Ja – so viel zu dem ach so tollen Wissenschaftsbetrieb.

  5. #5 Joe Dramiga
    4. Oktober 2010

    Der längste Menschenversuch der Medizin fand von 1932 bis 1972 in den USA statt. An der Tuskegee Study waren 600 afroamerikanische Männer in Macon County, Alabama beteiligt. 399 schwarze Männer, die mit Syphilis infiziert waren und 201 uninfizierte Afroamerikaner, die als Kontrollgruppe dienen sollten, wurden in die Studie aufgenommen.

    Erst die Veröffentlichung eines Berichts über die Menschenversuche im Washington Star vom 25. Juli 1972 beendete die Studie. 28 der infizierten Männer waren inzwischen direkt an der Syphilis und weitere 100 waren auf Grund von Komplikationen, die direkt mit der Syphilis in Verbindung standen, gestorben. 40 Ehefrauen und 19 Kinder waren infiziert worden, weil eine Behandlung unterblieben war. 1997 entschuldigte sich Präsident Clinton zwar im Namen der Regierung für das Verbrechen bei den Überlebenden der Studie und ihren Angehörigen, doch ein Komitee in den USA kämpft bis heute um Wiedergutmachung an den Versuchspersonen und ihren Familien.

    https://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/die-sankore-schriften/medizin/2010-05-05/menschenversuche-im-auftrag-des-staates

  6. #6 Jürgen Schönstein
    4. Oktober 2010

    @Alle
    Die Parallele zwischen Guatemala und Tuskeegee ist kein Zufall: Beide “Studien” wurden von John C. Cutler geleitet.

  7. #7 Karl Mistelberger
    4. Oktober 2010

    Hier gibt es noch einen ausführlichen Artikel: https://www.sciencebasedmedicine.org/?p=7128

    Die makabere Geschichte: Wenn einer auf “komplementäre und alternative Medizin” macht ist der Effekt mindestens so desaströs, allerdingss findet ein Großteil der Bevölkerung nicht dabei.

  8. #8 Jürgen Schönstein
    4. Oktober 2010

    @rix
    Nein, “der Wissenschaft” oder “dem Wissenschaftsbetrieb” kann man das hier nicht einfach generell ans Bein binden, denn dort herrscht typischer Weise das Prinzip der Transparenz – Wissenschaft ist nur, was publiziert ist. Richtig ist allerdings, dass diese Versuche von Wissenschaftlern mit wissenschaftlichen Mitteln gemacht wurden.

    @Karl Mistelberger
    Den Vergleich mit Komplementär- und Alternativmedizin habe ich auch hier bei respectful insolence gefunden, aber ich finde ihn in diesem Fall unglücklich, weil er a) vom Thema ablenkt (es ging hier nicht um Alternativmedizin) und b) ignoriert, dass es in der Regel die Patienten selbst sind, die sich alternativ behandeln lassen wollen. Das kann und darf man nicht auf eine Stufe stellen mit dem, was in Guatemala und Tuskeegee gemacht wurde.

  9. #9 Karl Mistelberger
    4. Oktober 2010

    > ignoriert, dass es in der Regel die Patienten selbst sind, die sich alternativ behandeln lassen wollen. Das kann und darf man nicht auf eine Stufe stellen mit dem, was in Guatemala und Tuskeegee gemacht wurde.

    Ich meine nicht die Leute, die sich selbst alternativ behandeln lassen wollen, sondern diejenigen, die andere wissentlich anstecken:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Masernparty https://en.wikipedia.org/wiki/Pox_party oder die Leute, die Keuchhusten verbreiten, weil sie sich selbst nicht impfen lassen: https://www.sciencebasedmedicine.org/?p=6207

    Da ist kein Unterschied zu Guatemala und Tuskeegee.

  10. #10 Jürgen Schönstein
    4. Oktober 2010

    @Karl Mistelberger

    Da ist kein Unterschied zu Guatemala und Tuskeegee.

    Nochmal: Ich halte eine Relativierung dessen, was da in Guatemala und Tuskeegee gemacht wurde, durch Vergleiche mit anderen Problemen – die ich nicht kleinreden will – für nicht gerechtfertigt. Gewisse Handlungen sind einfach aus sich heraus schändlich und unentschuldbar; jeder Hinweis, dass andere ja auch schwere Fehler machen, wirkt da wie ein Rechtfertigungsversuch. Und den würde ich in diesem Fall für schlimm halten …

  11. #11 michael
    5. Oktober 2010

    @Jürgen Schönstein

    > Gewisse Handlungen sind einfach aus sich heraus schändlich und unentschuldbar; jeder Hinweis, dass andere ja auch schwere Fehler machen, wirkt da wie ein Rechtfertigungsversuch.Und den würde ich in diesem Fall für schlimm halten …

    200 Prozent Zustimmung!

  12. #12 rix
    5. Oktober 2010

    Ihr Wunschdenken ist fern jeglicher Gegenwart. Von welcher Transparenz sprechen Sie?
    Von der Transparenz bei Wissenschaftsstudien über das Paarungsverhalten der Pantoffeltierchen?

    Wissenschaft ist nur, was publiziert ist?
    Ist doch publiziert, die gute Frau Professorin hat’s doch grad publiziert, Sie tun es auch grad. Oder was denken Sie, woher hat die Frau Professorin ihre Informationen her? Aus dem Geheimarchiv der CIA?
    Nein, aus wissenschaftlichen Publikationen, die jedoch so zugenebelt wurden, dass man den wahren Charakter dieser Wissenschaftsstudien kaum mehr erkennen konnte.
    Also streichen Sie das Nein, das nicht und das generell.

    Was stehen bleibt ist:
    Der Wissenschaft oder dem Wissenschaftsbetrieb kann man das hier einfach ans Bein binden.
    Wem den sonst?

    Und hören Sie auf das “Monster of Puppets” zu verteidigen.

  13. #13 Klaus
    6. Oktober 2010

    Dazu habe ich letztens enien Bricht gelesen in dem es darum ging, dass sich Menschen mit anderen (sogar tödlichen) Krankheiten wie z.B. HIV/AIDS anstecken lassen möchten, damit das Leben für Sie einfacher ist, wlche sogar meinen, dass es solche Krankheiten gar nicht real gibt, da bis heute z.B. das HI Virus nicht isoliert wurde. Schon beeindruckend wozu der Mensch in der Lage ist.