Das Thema “Stereotype” beschäftigt Blogger und Leser ja schon seit einigen Tagen (hier, hier und hier nachzulesen); im Folgenden geht es aber nicht um Geschlecht, sondern um Ethnie (Amerikaner verwenden hier ja ganz unbekümmert das Wort “Race”, das mit “Rasse” nicht ganz eindeutig übersetzt wird, denn unser Wort “Rasse” bezieht sich ausdrücklich NICHT mehr auf Menschen; der Begriff, den wir verwenden, entspricht dem englischen “breed”). Und zwar nicht, wie meistens, um die “Fremdwahrnehmung”, sprich Vorurteile gegenüber anderen ethnischen Gruppen, sondern darum, wie man seine eigene Gruppe wahrnimmt. Und da gibt es eine messbaren Diskrepanz zwischen dem, was man darüber sagt und dem, was man empfindet.
Leslie Ashburn-Nardo, Psychologie-Professorin an der Indiana University – Purdue University Indianapolis, hat für ein Paper im Journal of Social Issues die Diskrepanz zwischen der expliziten Identifizierung mit der eigenen Gruppe (Weiße vs. Afroamerikaner) und der impliziten, d.h. unbewussten Wahrnehmung getestet. Leider enthält der Abstract nichts zur Methode, und auch keine quantifizierten Ergebnisse. Darum muss ich mich auf das verlassen, was diese Pressemitteilung über Frau Ashburn-NardosResultate sagt:
In her study Ashburn-Nardo found that African Americans consciously reported that they favored their own race, identified with their own race and felt very good about themselves at a rate much higher than whites. However when tested on non-conscious feelings, that was not the case. African Americans favored their race less and less strongly identified with their own race than whites.
Mit anderen Worten: Schwarze Amerikaner haben offenbar die negativen Stereotype, denen ihre Vorfahren – und sie selbst, machen wir uns nichts vor – ausgesetzt waren und sind, so weit verinnerlich, dass sie trotz aller Bekenntniss selbst nicht an die Gleichwertigkeit (oder was immer man als semantischen “Normalfall” ansetzen will) glauben.
Und ich denke auch, dass dieses Problem nicht nur auf Afroamerikaner beschränkt ist. Diskrminierungen sitzen fast überall tief, selbst wenn sie an der Oberfläche überwunden oder verringert scheinen. Der “self-hating Jew” ist ein häufig gebrauchter Begriff in der politischen Diskussion in Amerika, und dem Feminismus wurde oft angelastet, dass er gerade in seinem – manchmal nur auf Sprache (!) begrenzten – Gleichseinsbestreben genau dieses tiefer sitzende Minderwertigkeitsgefühl erst fixiert hat. Und zumindest sollte man sich nicht auf die Schulter klopfen, wenn die jüngste Meinungsumfrage eine “Gleichstellung” gefunden zu haben scheint:
People might suffer more from experiences with prejudice than they are able to report via questionnaires
meint Leslie Ashburn-Nardo. Es sei etwa so, als ob ein Arzt einen Patienten nur fragt, wie es ihm geht, anstatt sich durch Messung von Puls, Blutdruck etc. zu vergewissern, dass die Angabe “danke, gut” auch stimmt.
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