“I like to play poker with politicians. They’re easy to beat. Sometimes in poker it’s smarter to lose with a winning hand so that you can win later with a losing hand. Politicians can’t accept that.”
Ob Politiker wirklich schlechte Bluffer sind, weil sie lieber sofort einen kleinen Vorteil einstreichen als langfristig auf größere Resultate zu setzen – wie nebenstehendes Zitat, des Profi-Pokerspielers Jack Weil (Robert Redford) aus dem Film “Havanna” behauptet – ließe sich, zumindest theroretisch, durch ein paar simple Messungen überprüfen: Ein Paper über Neural signatures of strategic types in a two-person bargaining game, das unter der Federführung des Neurowissenschaftlers Read Montague vom Baylor College of Medicine in Houston (Texas) verfasst und in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences erschienen ist, konnte nachweisen, dass einige Regionen in den Gehirnen erfolgreicher Bluffer ganz anders reagieren als in den Hirnen jener, die sich leicht über den Tisch ziehen lassen. Namentlich handelt es sich dabei um den dorsolateralen präfrontalen Cortex, der auf problemlösendes Denken und Vorausplanung spezialisiert ist, und das Brodmann-Areal Nr. 10 (auch als rostraler präfrontaler Cortex bekannt), wo unter anderem Vorstellunsgvermögen und Ziellerreichung verankert sind.
Zum Zweck dieser Studie spielten die Probanden jeweils paarweise 60 Runden eines relativ simplen Spiels: Dem “Käufer” wird zu Beginn jeder Runde der Wert eines (hypothetischen) Gegenstandes verraten; dem “Verkäufer” hingegen wird diese Information vorenthalten. Das Spiel beginnt, indem der Käufer einen “Preis” ungleich v (in diesem Fahl eine ganze Zahl zwischen 1 und 10) vorschlägt; der Verkäufer reagiert darauf mit einem Gegenangebot p. Wenn der Preis unter dem Wert v liegt, kommt der Handel zustande, und dem Verkäufer wird der Preis p gutgeschrieben; der Käufer kann immerhin noch die Differenz v-p, also den “Profit” aus dem Deal, für sich einstreichen. Andernfalls kommt kein Handel zustande, die Runde ist beendet. Doch dieses Spiel wird blind gespielt, keiner erfährt, ob es zum Deal kam oder nicht; die Teilnehmer haben also kein Feedback über ihre eigene Strategie.
Anhand ihrer Strategien ließen sich die Probanden leicht in drei Gruppen einteilen: Die “Incrementalists”, die ziemlich konsistent einen “ehrlichen” Vorschlagspreis boten – zumeist etwa die Hälfte des Wertes v, in der Erwartung, dass der Verkaufspreis dann irgendwo in der Mitte liegen werde; die “Conservatives”, deren Vorschlagspreise keine erkennbare Beziehung zum tatsächlichen Wert hatten und meist weit darunter (zum Beispiel konstant bei 1) lagen; die dritte Gruppe waren die strategischen Täuscher, die “Strategists” – und die spielten exakt nach dem Bluffer-Muster, das auch der eingangs zitierte Film-Kartenhai bevorzugte: Bei niedrigem v (und daher auch niedrigem zu erwartetem Profit) boten sie oft mehr als den “wahren” Wert – um dank dieser “vertrauensbildenden Maßnahme” dann bei relativ wertvollen Objekten einen niedrigeren Preis (und damit deutlich höheren Profit) realisieren zu können. Und das mit Erfolg: Sie schnitten, ebenso wie die Conservatives, am Ende deutlich besser ab als die Incrementalists. Clever, nicht wahr?
Aber mit Intelligenz alleine ließen sich diese strategischen Unterschiede im Verhalten nicht erklären:
IQ alone does not account for the differences in behavior, and although above average IQ seems to be a necessary condition for strategist behavior, it is not sufficient
Mit anderen Worten: Intelligenz braucht man zwar in jedem Fall für ein solches Spiel, bei dem man ja nicht nur erraten muss, was das Gegenüber denkt, sondern auch, wie das Gegenüber über einen selbst denkt, oder vielleicht sogar, wie es denkt dass man denkt wie es denkt und so weiter … Aber auch wenn die Inkrementalisten insgesamt beim – separat ermittelten – Intelligenzquotienten ein wenig schlechter abschnitten, war die Differenz doch nicht signifikant.
Die wichtigsten Unterschiede tauchten jedoch auf den funktionalen Magnetresonanz-Bildern auf: Bei den Strategisten leuchtete das Brodmann-Areal 10 besonders stark auf, während bei den Inkrementalisten eine erkennbar geringere Aktivität im rechten dorsolateralen präfrontalen Cortex beobachtet wurde. In anderen Worten: Die Hirne erfolgreicher Bluffer funktionieren anders. Was aber dann immer noch die Frage aufwirft:
It remains to be seen how a given individual finds herself in one group or the other: is strategic ability inherent, or can we train individuals to more easily identify strategic solutions by emphasizing the use of schematic representations and counterfactual analysis? Is strategic ability context dependent?
Ist es eine Veranlagung, oder wird dieser Gebrauch des dorsolateralen präfrontalen Cortex gelernt? Und kann es sein, dass man zwar ein guter Bluffer ist, wenn’s ums Geschäft geht, aber vielleicht in einem anderen Kontext, zum Beispiel in gesellschaftlichen Situationen, leicht durchschaut werden kann? Aber wie auch immer, schreiben Montague und seine Kollegen: Das Spiel funktioniert sowieso nur, wenn es genügend Dumme ähem, Ehrliche zum Ausnehmen gibt:
Whatever the case, opportunities for strategic deception of this sort are possible only because of the existence, and in fact likely relative prevalence, of people with the tendency to be honest even when such honesty is not in their interest.
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