Na, das klingt doch wie die moralischen Belehrungen zahlreicher Eltern- und Großelternegenerationen an ihre vom allzu leichten Leben verwöhnten Sprösslinge. Wer hätte gedacht, dass sich so etwas tatsächlich mit einem wissenschaftlichen Paper belegen lässt, das sogar in den Proceedings of the Royal Society B publiziert wurde: Greater effort boosts the affective taste properties of food, oder in eben jenen schlichten Worten, die ich für die Überschrift gewählt habe: Hart verdientes Brot schmeckt besser.

Nur dass halt das “Brot” in diesen Versuchen zuckerige Lösungen mit unterschiedlichem Geschmack und Kalorienwert waren, und die “harte Arbeit” darin bestand, dass Labormäuse einen Hebel bis zu 15 Mal drücken mussten, ehe sie einen kargen, kalorienarmen Tropfen mit 2 Prozent Polycose (die mein Wörterbuch als “ein Gemisch aus Glukose-basierenden Oligosacchariden” bezeichnet) erhielten; für eine viel besser schmeckende und auch kalorisch höherwertige Dosis mit fünf Prozent Saccharose hingegen mussten sie nur einmal drücken.

Ich will jetzt nicht jedes Detail des Versuchsaufbaus beschreiben, sondern gleich zum Resultat kommen: Wenn Mäuse erst mal gelernt hatten, dass man sich die Polycose-Lösung schwer verdienen muss, verzehrten sie später – bei arbeitsfreier Auswahl zwischen der Saccharose- und der Polycose-Lösung – nicht nur etwa die doppelten Mengen der kargen Kost als vor dem Versuch, sondern taten dies auch mit sicht- und anhand ihres Leck-Verhaltens auch messbar größerem Genuss.

Ergibt das biologisch einen Sinn? Sollte nicht generell eine Präferenz für leichter verfügbare Kalorien bestehen? Und welchen Sinn hätte es, ausgrechnet die magere Nahrung zu bevorzugen, die doch umso mehr Mühe bei der Beschaffung macht und in der Energiebilanz folglich noch ungünstiger abschneidet? Das lasse ich die Autoren Michela Gallagher und Alexander Johnson, beide vom Department of Psychological & Brain Sciences der Johns Hopkins University, am besten selbst beantworten:

In evolutionary terms, such mechanisms could benefit survival under conditions of scarcity when the chances of acquiring food are probably related to increased foraging effort. An increase in palatability accruing to lower value foods under such conditions would serve a dual purpose, both to boost consumption and to confer greater learning connected to the prevailing cues in the environment.
Unter Evolutions-Gesichtspunkten könnten solche Mechanismen dem Überleben unter Bedingungen des Mangels zuträglich sein, wenn die Chancen, Nahrung zu finden, wahrscheinlich mit einen erhöhten Sammelaufwand zusammen hängen. Eine gesteigerte Schmackhaftigkeit, die minderwertigeren Nahrungsmitteln unter solchen Bedingungen zuwachsen, könnte gleich dem doppelten Nutzen dienen, sowohl die konsumierte Menge zu steigern als auch einen größeren Lerneffekt aus den vorherrschenden Signalen der Umwelt zu vermitteln.

Aber reden wir hier nun von Menschen und Mäusen? Oder sind diese Laborergebnisse für uns erst mal von fraglicher Natur, da wir als Menschen sowieso viel komplexere Ernährungsgewohnheiten haben, bei denen bestimmte Nahrungsmittel letzlich nur noch aus kulturellen Gründen (ich nenne als ein Beispiel nur mal die koscheren Vorschriften für Juden) bevorzugt oder abgelehnt werden können? Eine berechtigte Frage, wie Alex Johnson zugab, aber eine, die erst noch untersucht werden müsste:

As our study did not delve into human behavior its difficult to speculate whether preferences in humans would override the effect we have seen in our mice. The study is an interesting one, but from our perspective all we can state is that effort is able to alter the value of food by taste, this may be true for humans, though this has not been examined.

In anderen Worten: Schwer zu sagen, vielleicht – oder vielleicht auch nicht. Aber interessant wär’s schon, vor allem für all jene, die sich mit Abspeckkuren herumplagen: Wenn die Karotten und der Magerqark so richtig sauer verdient werden müssten (was ja schon mal eine Menge zusätzlicher Kalorien verbrennt) und dann der Appetit darauf größer wird als auf das daneben liegende Schnitzel mit Pommes, dann müsste es doch mit dem Abnehmen endlich klappen, oder?

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Kommentare (5)

  1. #1 KommentarAbo
    5. November 2010

  2. #2 miesepeter3
    5. November 2010

    Wie sagt der Volksmund so schön?

    Hunger ist der beste Koch!

  3. #3 Schreibhals
    5. November 2010

    “Wenn die Karotten und der Magerqark so richtig sauer verdient werden müssten (was ja schon mal eine Menge zusätzlicher Kalorien verbrennt) und dann der Appetit darauf größer wird als auf das daneben liegende Schnitzel mit Pommes, dann müsste es doch mit dem Abnehmen endlich klappen, oder?”

    Es sei denn, es liegen andere Ursachen vor. Wie eine pathologische Fresssucht (soll es ja geben) oder bestimmte Auffälligkeiten im Stoffwechsel (es gibt durchaus hinweise, dass Fettzellen, die einmal da sind, den Hormonhaushalt beeinflussen) oder ähnliches.
    In diesen Fällen würde die Auffoderung nur unnützes Leid über einige wenige Leute bringen und niemanden helfen.

  4. #4 H.M.Voynich
    6. November 2010

    @miesepeter3:

    Cibi condumentian est fames.

    Ich kannte es zuerst von Engelbert Humperdinck, weil die Erwachsenen aus irgendeinem Grund glaubten, “Hänsel und Gretel” wäre eine Oper für Kinder.

  5. #5 miesepeter3
    6. November 2010

    @H.M.Voynich

    Ob Hunger nun der Koch oder die Würze ist, ist wohl egal. Essen schmeckt meist besser, wenn man hungrig ist. Und jeden Tag Torte mag auch nicht jeder.
    Vielleicht schmeckt den Mäusen das karge Essen besser, wenn sie sich hungrig gearbeitet haben? Ich fürchte, soviel Feinschmeckerei ist den meisten Menschen heutzutage abhanden gekommen, jedenfalls dort, wo es Essen im Überfluß gibt.