Diese nicht ganz wörtlich gemeinte Frage schoss mir schon manchmal durch den Kopf, zuletzt bei meinen Anmerkungen zum neuen Stephen-Hawking-Buch “The Grand Design”, in dem eine göttliche Ursache des Universums als nicht nötig befunden wird. Sind “Gott” und “Wissenschaft” auch nur irgendwie vereinbar? Ich bin kein Historiker und kein Philosoph, schätze aber, dass sich die Kluft, die zwischen einer religiösen und einer wissenschaftlichen Weltsicht zu bestehen scheint, im frühen 17. Jahrhundert aufgetan und seither stetig erweitert hat. Dass ausgerechnet ein Domherr und Doktor des Kirchenrechts, Nikolaus Kopernikus, und ein päpstlicher Protegé namens Galileo Galilei im Zentrum dieses scheinbar antireligiösen Konflikts standen, verleiht dem Ganzen eine besondere Pointe.
Aber ist diese Diskrepanz zwischen Religion und Wissenschaft, die uns Scienceblogger auch immer wieder zu beschäftigen und zu ärgern scheint, quasi systembedingt? Steht Religion als Glaubenssysten zwangsläufig im diametralen Kontrast zur Wissenschaft, deren Grundmuster aus Zweifeln und Fragen besteht? In der Praxis, ganz gewiss: Anhänger des Kreationismus, und speziell des Junge-Erde-Kreationismus, lehnen die wissenschaftlichen Erklärungen zur Entstehung der Welt, und vermutlich zur Naturwissenschaft generell, ganz explizit ab. Die Vertreter des “Intelligenten Design” sind da nur ein bisschen subtiler, da sie ihre “Argumente” in eine wissenschaftlich anmutende Form kleiden, aber am Ende läuft es auch hier darauf hinaus, dass das Nicht-Beweisbare (in diesem Fall die Existenz eines Schöpfers) und damit immanent Nicht-Wissenschaftliche des ID als unvereinbar mit dem wissenschaftlich gefestigten Erklärungsansatz der Evolutionslehre befunden wird.
Ich würde mich selbst als einen Agnostiker bezeichnen – ich sehe keine Beweise, dass es einen Gott gibt, und es ist mir letztlich auch egal, wenn es einen gäbe. Ich bete keinen an, aber es stört mich nicht, wenn andere zu ihren Göttern beten – so lange sie ihren Glauben und ihre Religion niemandem anderen aufzwingen wollen. Dass mich das in einen gewissen Gegensatz zu Atheisten stellt, die sicher sind, dass es keinen Gott gibt, ist mir bewusst, und ich kann mir stundenlange Diskussionen darüber ausmalen, warum ein Atheist meine Position für falsch halten muss. Aber beruhend auf der Erkenntnis, dass es praktisch unmöglich ist, die Nicht-Existenz von etwas absolut zu beweisen, ziehe ich meine Position vor.
Nun aber zu der Frage, die ich im Titel schon angedeutet habe und die mich als ehrliche Lernnfrage beschäftigt: Was wäre, wenn eine Religion – egal welche – grundsätzlich alle wissenschaftlichen Erkenntnisse anerkennt? Wenn es zum Credo dieser Religion gehören würde, dass die wissenschaftliche Methode der einzige Weg zur Erkenntnis ist (was auch einschließt, dass niemandem durch irgend eine Form der Missionierung, weder sanft noch gewalttätig, diese Erkenntnis aufgezwungen werden darf)? Fügen wir noch hinzu, dass diese Religion zudem unbedingt den Glauben an Gewaltlosigkeit und Gleichheit aller Individuen verlangt, obwohl das keine wissenschaftliche Position ist, die auch gewiss nicht von allen Wissenschaftlern geteilt wird. Kurz: Was wäre, wenn ihre Anhänger nur das glauben, was wissenschaftlich belegbar ist?
Und damit hier niemand denkt, dass ich hier auf das alte, abgedroschene “Argument” hinaus will, dass Wissenschaft letztlich auch nur eine Art Religion ist: Wissenschaft ist keine Glaubenssache, für Religion hingegen ist Glauben essentiell. Allein deswegen können die beiden nie das Gleiche sein.
Aber davon abgesehen: Wie würde sich – nur mal als Gedankenspiel gefragt – ein Wissenschaftler zu einer Religion stellen, die ihm immer und kategorisch recht gibt? Aber darin halt nicht das Wirken einer undifferenzierten “Natur” sieht, sondern das Handeln, den Willen eines Gottes? Vom Urknall über die Evolution bis hin zur Stringtheorie – alles glaubhaft, genau so, wie es in Papern und wissenschaftlichen Journalen beschrieben wird – aber eben weil dieser Gott es so gewollt und gemacht hat …
Ja, wäre das eine Religion, die ein Wissenschaftler zumindest dulden könnte, da sie ihm nicht reinredet und, im Gegenteil, sogar alles glaubt? Oder treibt den wissenschaftlichen Geist allein schon dieser gläubige Verzicht auf Beweise zuf die Palme? Bestünde ein Kontrast zwischen Religion und Wissenschaft auch dann noch, wenn sie sich in den Details über alles einig wären?
Als Agnostiker könnte ich mich jetzt einfach damit aus der Affäre ziehen, dass jeder sowieso glauben darf, was er will – so lange mir dieser Glaube nicht aufgezwungen wird. Was mich an Kreationismus und “Intelligentem Design” (um mal bei diesen Beispielen zu bleiben) so stört, ist gar nicht ihre religiöse Abkunft, sondern dass sie “falsch” – im Sinn von “wissenschaftliche Erkenntnisse ignorierend” – sind.
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