Fang’ ich jetzt an, hier den Wissenschaftskritiker zu mimen? Keine Bange, und die Formulierung der Überschrift ist schon sehr bewusst gewählt – denn es ist tatsächlich nicht so, dass Wissenschaft “befriedigen” muss. Nicht jedes wissenschaftliche Resultat gibt uns ein Gefühl der inneren Wärme, wie ein Teller Erbsensuppe an einem heißen Wintertag – ich könnte mir vorstellen, dass die Quantenmechanik voller Erkenntnisse ist, die selbst einen Physiker nicht wirklich zufrieden macht. Die Befriedigung, die uns eine umfassende, schlüssige und plausible Antwort gibt, ist keine wissenschaftliche Qualität – sie stillt ein rein menschliches Bedürfnis. Wie Erbsensuppe eben. Oder Hummer und Steak – und hier komme in nun auf meinen eigentlichen Anlass für diesen Eintrag.
Die heutige Ausgabe der Science Times ist ganz dem Thema Rätsel gewidmet. Und ganz hinten bin ich auf eine kleine Rätselaufgabe gestoßen, deren Antwort mich – ganz menschlich gesehen – nicht wirklich befriedigt hat, obwohl sie mathematisch-wissenschaftlich sicher korrekt war. Hier die Aufgabe:
Ein “Surf-and-Turf”-Büffet kostet nur 5,95 Dollar pro Person. Aber man muss sich – blind – für einen von 38 verdeckten Tellern entscheiden, von denen nur einer mit Essen gefüllt ist: mit Steak und Hummer im Gegenwert von 208 Dollar. Lohnt sich der Preis für den kühl rechnenden Esser? Und was wäre, wenn die übrigen 37 Teller einen Trostpreis in der Form einer Tafel Schokolade im Wert von einem Dollar enthielten? Wäre das Büffet dann sein Geld wert?
Für den Fall, dass jemand erst mal selbst eine Lösung finden will (ich vermute mal, die meisten Leser hier schaffen das im Kopf), lasse ich mal ein bisschen Platz …
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So, nun also weiter im Text – auf der Basis dessen, was die Science Times als Lösung anbietet . Die Antwort auf die erste Frage ist: Nein. Die Chancen (die gleichen wie beim Roulette, übrigens) von 1 zu 38 geben dem durchschnittlichen “Spiel” einen Wert von 5,47 Dollar (208 geteilt durch 38), das ist weniger als der Einsatz. Durch den “Trostpreis” hingegen steigt dieser Wert auf rund 6,45 Dollar (5,47 Dollar plus 37/38 des einen Schokoladen-Dollars), also lohnt sich der Einsatz. Q.e.d.
Aber ich wette, dass selbst ein Statistiker an diesem zweiten Schoko-Büffet in der Realität keine Freude hätte. selbst wenn der an der Rechnung keinen Pferdefuß finden kann. Denn es ist eine statistische Berechnung, die nur in großen Aggregaten aufgeht – also beispielsweise, wenn ich hundert Mal hintereinander spielen würde (was soll man aber mit all der Schokolade anfangen), oder wenn ich mit hundert Freunden komme und wir uns dann die Portionen teilen (für 208 Dollar müsste man schon eine Menge Steak und Hummer kriegen, und bei reichlich Schokolade als Nachtisch würde wohl jeder satt und zufrieden nach Hause gehen). Aber als einzelner Spieler habe ich eigentlich nur zwei mögliche Resultate zu erwarten: Mit großer Wahrscheinlickeit krieg’ ich für meine knapp Sechs Dollar Einsatz eine Tafel Schokolade, die ich überall sonst für einen Bruchteil des Geldes kaufen könnte – oder ich lande den Haupttreffer und habe dann einen überhäuften Teller mit Hummer und Steak, der zwar 208 Dollar wert wäre, aber vermutlich für meinen Appetit zu viel ist (abgesehen davon, dass ich selbst in den teuren Steakhäusern Manhattans für ein Viertel des Geldes meinen Bauch mit einer üppigen Portion Surf & Turf und einem guten Glas Wein füllen könnte). Beides sind keine wirklich attraktiven Resultate – selbst wenn sie rein rechnerisch beinahe vernünftig scheinen könnten.
Mal davon abgesehen, dass ich sicher bin – hab’s jetzt auf die Schnelle nicht nachgeschaut – dass in irgend einer Schublade der Ökonomen/Spieltheoretiker ein Modell liegt, das solche Präferenzniveaus berücksichtigt und eine wissenschaftlich präzisere Lösung des Problems anbieten könnte: Für meine Argumentation lass’ ich’s jetzt mal dabei, dass die obige Lösung die “wissenschaftliche” ist – und unbefriedigend. Rein menschlich gesehen findet man die Antwort falsch.
Und genau so geht’s ja vielen “Wissenschaftskritikern” – mein Bauch bleibt durch die wissenschaftliche Antwort der Evolutionstheorie, Relativitätstheorie, Quantenmechanik, was auch immer … unbefriedigt. Und weil ich es nicht nachempfinden kann, muss es irgendwie falsch sein. Aber wie gesagt, Wissenschaft muss nicht immer befriedigend sein; manchmal ist sogar das Gegenteil besser: Je weniger die Antwort “gefällt”, desto mehr motiviert sie, der Frage weiter nachzugehen. Und das ist Wissenschaft.
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