Nein, nicht nur eines. Weihnachtszeit ist die Zeit, wenn hier in Amerika (aber natürlich nicht nur hier) die jahreszeitliche Dunkelheit durch massiven und gelegenntlich kreativen Einsatz von Glühlampen ausgetrieben wird. Und so eindrucksvoll es auch oft aussieht (mein Foto zeigt den weihnachtlich hell illuminierten Riverwalk in San Antonio, Texas), der Grinch in mir fragt sich oft, was da an zusätzlicher Energie konsumiert wird (eine gaaanz vorsichtige Überschlagsrechnung sagt mir, dass Privathaushalte für ihre weihachtliche Lightshow mindestens 30 bis 50 kWh zusätzlich verbrauchen, und wenn nur jeder fünfte Haushalt sich diese Festtagsillumination im Dezember leistet, addiert sich das auf 690 bis 1150 Millionen Kilowattstunden) – und tröstet sich dann damit, dass es ja immer mehr Energiesparlampen und -Lämpchen gibt (in Europa sogar per Verordnung), durch die der Verbrauch in Zukunft bestimmt deutlich gesenkt wird. Eine “frohe Botschaft” würde man das wohl nennen …
Ja, wenn ich da nicht vor einigen Tagen einen Artikel im New Yorker über das Effizienz-Dilemma gelesen hätte, der diese Energiesparträume schneller abstürzen ließ als Milzbrand im Rentiergespann den Weihnachtsmann. Es geht darin um das nach dem britischen Ökonomen William Stanley Jevons (†1882) benannte Jevons-Paradox, das er in seinem Standardwerk The Coal Question (auf Seite 104ff) sinngemäß so formuliert hat – je effizienter man mit Energie umgeht, desto größer der Anreiz, mehr davon zu verbrauchen:
It is wholly a confusion of ideas to suppose that the economical use of fuel is equivalent to a diminished consumption. The very contrary is the truth.
Naja, was weiß so ein Ökonom aus dem 19. Jahrhundert schon über die Energiewirtschaft des 20. und 21.? Schließlich verheizen wir nicht mehr nur Kohle, und unsere Energieeffizienz ist exponentiell höher (ich zitiere jetzt mal aus dem New-Yorker-Artikel): Die Babylonier mussten – laut einer Schätzung von William D. Nordhaus – 41 Stunden lang arbeiten, um sich genug Lampenöl für 1000 Lumen-Stunden zu verdienen, das entspricht einer 75-Watt-Birne, die eine Stunde lang brennt. Zu Zeiten der amerikanischen Revolution, also gegen Ende des 18. Jahrhunderts, war die gleiche Lichtleistung mit Kerzen zu erzielen, deren Preis man in fünf Stunden und zwanzig Minuten erarbeiten konnte. Mit moodernen Leuchtstoffröhren kostete dies in den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts gerade mal noch den Gegenwert einer knappen halben Sekunde! Aber das heißt halt nur, dass die Energie billiger wurde – aber nicht, dass der Verbrauch insgesamt deswegen fallen muss. In Losing our Cool rechnet Stan Cox vor, dass zwischen 1993 und 2005 beispielsweise die in den USA nahezu ubiquitären Klimaanlagen im Schnitt mit 28 Prozent weniger Strom auskamen – aber der Gesamtverbrauch für den Betrieb der Air-Conditioner stieg in dieser Zeit um 37 Prozent.
Dabei muss man gar keine gedanklichen Volten drehen, um dem Paradox auf den Grund zu kommen: Energieeffizienz senkt die Betriebskosten, was den Betrieb wiederum finanziell attraktiv macht – zum Beispiel für Verbraucher, die bisher aus Kostengründen abstinent waren – und damit die Nachfrage insgesamt steigert. Eigentlich fast ein ökonomischer Gemeinplatz: Sinkende Preise regen die Nachfrage nach fast allem an, von PCs (die ersten IBM-Modelle hatten noch fünfstellige Anschaffungspreise) bis Urlaubsreisen (“Neckermann macht’s möglich”). Paradox wird’s eigentlich nur, wenn das Ziel eine Senkung der Gesamtnachfrage nach Energie sein soll. Mit einem simplen Marktmodell, das lediglich die Parameter Angebot, Nachfrage und Preis kennt, ist dieses Dilemma ja schon leicht nachvollziehbar. Aber es verrät auch schon eine simple – den Marktgläubigen allerdings sicher grauenhaft erscheinende – Lösung: Energie ist anscheinend zu billlig, um zum Sparen anzuregen. Folglich … sollten die Preise steigen. Das schmerzt zwar, vor allem in einer Volkswirtschaft wie den USA, die sich dank niedriger Energiepreise leisten kann, mit nur vier Prozent der Weltbevölkerung 25 Prozent der globalen Rohöhlförderung zu verbrauchen. Aber wenn’s ums Sparen geht, kann offenbar kein Preis zu hoch sein. Oder?
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