Daran, dass in den Ozeanen zu viel Müll schwimmt, ist leider nicht zu zweifeln. Wer’s nicht glaubt, kann ja mal nach einem mittleren Sturm einen Strandspaziergang unternehmen und das Treibgut anschauen, das da so angespült wird. Doch die Story vom großen Müllteppich im Pazifischen Ozean, der durch den Nordpazifikwirbel zusammengetrieben wurde, ist offenbar doch – zum Glück – stark übertrieben. Auf der englischsprachigen Wikipedia ist von einer “area the size of the state of Texas to one larger than the continental United States” die Rede (die deutsche Wikipedia ist da schon erheblich zurückhaltender), und angeblich soll die Menge an Plastik bereits die Menge an Plankton überschreiten. Doch die Meeresbiologin Angel White von der Oregon State University kam zum Ergebnis, dass die Ausdehnung des Müllteppichs – und dessen angebliche Verdopplung alle zehn Jahre – krasse Überschätzungen sind:
“The amount of plastic out there isn’t trivial. But using the highest concentrations ever reported by scientists produces a patch that is a small fraction of the state of Texas, not twice the size.”
Die Plastikmenge da draußen ist zwar nicht trivial. Aber selbst wenn man die höchste bisher von Wissenschaftlern festgestellte Konzentration zugrunde legt, kommt man auf einen Teppich, der nur einen Bruchteil der Fläche von Texas ausmacht, nicht die doppelte Fläche.
erklärt sie in einer Mitteilung der Universität. Was, wie gesagt, nicht heißen soll, dass das Problem nicht existiert: Selbst ein Bruchteil von 695.621 Quadratkilometern (die Fläche von Texas) ergibt noch einen ziemlich großen Müllteppich.
“Ohne Zweifel ist die Menge an Müll in den Weltmeeren Besorgnis erregend”, schreibt die Meeresbiologin White. “Aber solche Übertreibungen untergraben die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft. Wir haben Daten, die uns erlauben, vernünftige Schätzungen zu machen, wir brauchen keine Hyperbel. Angesichts der beobachteten Konzentrationen von Plastik im Nordpazifik ist es einfach unpräzise zu sagen, dass Plastik an Gewicht das Plankton übertrifft, oder dass wir einen exponentiellen Zuwachs an Plastik beobachtet haben.” Selbst in der dichtesten Konzentration des Müllteppichs sei tatsächlich nur weniger als ein Viertausendstel der Oberfläche mit Müll bedeckt.
Aber nur weil die Menge und Fläche geringer als befürchtet sind, gibt es noch keinen Grund zur Entwarnung. Denn erstens ist, wie schon gesagt, auch so noch zu viel Müll in den Meeren, zweitens kann das Plastik bei seiner Verwitterung toxische Substanzen freisetzen – und drittens ist es, wenn es erst mal im Meer treibt, praktisch unmöglich, den Müll wieder einzusammeln. Denn dabei würden auch große Mengen von Phyto- und Zooplankton mit abgeschöpft und damit der Nahrungskreislauf der Meere empfindlich gestört. Zudem würde der Aufwand einer solchen “Plastik-Fischerei” 250 mal mehr Energie erfordern als zur Herstellung des Plastiks selbst nötig waren.
Was anders herum bedeutet, dass die wichtigste Aufgabe hier die Prävention sein muss: “Da es einfach zu teuer ist, das Plastik wieder zu entfernen, müssen wir unsere Bemühungen darauf konzentrieren zu verhindern, dass noch mehr Müll unsere Ozeane verseucht”, warnt die Angel White. Und da ist im Prinzip eine Botschaft, die sich auch andere hinter die Ohren schreiben sollten: Nur weil ein Problem sich erst mal als kleiner denn befürchtet entpuppt hat, heißt das nicht, dass dann ja wieder alles in Ordnung ist – im Gegenteil: Dann muss man sich um so mehr bemühen, es auch klein zu halten.
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