Wenn mir jemand erzählen würde, dass die Schuhgröße eines Mannes etwas darüber sagen kann, ob er lieber Zartbitter- oder Vollmilchschokolade mag, oder dass die Augenfarbe einer Frau darüber entscheidet, ob sie trockenes oder feuchtes Klopapier bevorzugt, würde ich erst mal an einen (schlechten?) Scherz denken. Und genau so dachte ich erst mal, “das kann doch nicht wirklich ernst gemeint sein!”, als ich ein Paper las, das in einer der kommenden Ausgaben des Journal of Consumer Research erscheinen wird: The Last Name Effect: How Last Name Influences Acquisition Timing. Darin geht es in der Tat darum, dass der Anfangsbuchstabe des Nachnamens eine Rolle dabei spielt, ob und wie schnell Personen auf Sonderangebote und sonstige “günstige Gelegenheiten” reagieren. Untersucht wurde dieser Zusammenhang von Kurt A. Carlson, McDonough School of Business der Georgetown University in Washington, und Jacqueline M. Conard von der Massey Graduate School of Business (Belmont University, Nashville).
Und hier erst mal gleich die einzige Grafik der Studie (die ich aus Urheberrechstgründen hier nicht verlinken oder gar anhängen darf – sorry!), die den Zusammenhang zwischen der Position des Nachnamens-Initials im Alphabet und der Reaktionszeit auf “Schnäppchen” zeigt:
Hoppla, das sieht ja wirklich nach einem Zusammenhang aus?!? Erst mal mehr zu den Details der einzelnen Studien:
In einem ersten Test wurde Teilnehmerinnen und Teilnehmern eines MBA-Studienganges das Angebot unterbreitet, bis vier Freikarten für ein Spitzenspiel der Basketball-Frauenliga zu bekommen, und zwar auf der Basis “wer zuerst kommt, mahlt zuerst” – sprich: Freikarten wurden nach Reihenfolge des Eingangs der Antwort-Email vergeben. Im Schnitt brauchten die 76 Glücklichen, die sich Karten sichern konnten, 22,7 Minuten für ihre Bestellung. Doch die Reaktionszeit war bei Studentinnen und Studenten, deren Nachname mit einem Buchstaben im hinteren Drittel des Alphabets anfängt (dieser Buchstabe konnte anhand des standardisierten Mail-Adressystems der Uni leicht ohne weitere Rückfragen ermittelt werden), um fünfeinhalb Minuten kürzer als bei den Komilitoninnen und Komilitonen, deren Namen im ersten Drittel das Alphabets aufgelistet würde. Dieser Effekt, der eine deutliche negative Korrelation zwischen Position im Alphabet (beginnend bei A, versteht sich) und Zugriffsgeschwindigkeit zeigt, bleibt auch bestehen, wenn die Namen dabei für die generell ja nicht gleichförmige Verteilung im Alphabet (es gibt gewiss weniger Nachnamen mit X, Y und Z als mit A, B und C) “bereinigt” wurden.
Studie 2 versuchte, diesen Namenseffekt mit einer etwas veränderten Versuchsanordnung (in der zudem auch ein “Preis”, in Form von Arbeitsaufwand, gefordert wurde) zu verifizieren. Hier wurde 280 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (Frauenanteil: 51,2 Prozent, Durchschnittsalter 39,1 Jahre) als Belohnung für die Ausfertigung eines Fragebogens die Chance versprochen, an der Auslosung für einen 500-Dollar-Geldpreis teilzunehmen. Ein weiterer, mindestens ebenso wichtiger Aspekt dieser Versuchsreihe war, den vor allem bei Frauen – immer noch – häufig anzutreffenden Effekt der Namensänderung (durch Ehe) zu berücksichtigen. Die Frage war: Spielt für diesen Namenseffekt, sofern er sich bestätigt, der Anfangsbuchstabe des aktuellen Nachnamens eine Rolle, oder ist der Geburtsname entscheidender? Die Antworten hier: Wiederum waren die Namensträgerinnen und -träger aus vom Ende Alphabets schneller – aber nur, wenn dabei die Geburtsnamen berücksichtgt wurden. Der aktuelle Name spielte bei den überwiegend (98 Prozent) weiblichen “Umbenannten” für diesen Effekt absolut keine Rolle, der Geburtsname hingegen war signifikant. Ha, könnte man sagen, ist doch klar: Es hat nichts mit dem Namen zu tun, sondern Frauen sind einfach schnellere Schäppchenjägerinnen. Nö, versichern Autorin und Autor: Die Korrelation von Geschlecht und Bereitschaft zum Zugreifen sei nicht nachweisbar.
Schnäppchenjäger stehen weiter hinten (im Alphabet)
Was haben wir also bisher gelernt: Je weiter unten man auf einer alphabetisch geordneten Namensliste steht, desto schneller greift man zu, wenn sich ein günstiges Angebot bietet. Und dies ist offenbar ein Verhalten, das in der Kindheit und Jugend (das verrät die Rolle des Geburtsnamens) geprägt wird. In einem dritten Test – den ich hier jetzt nicht weiter beschreiben will – wurde zudem geprüft, ob sich diese Varianz nicht nur in der Geschwindigkeit, sondern auch in der grundsätzlichen Neigung niederschlägt, überhaupt auf solche Angebote anzuspringen. Und in der Tat: Nicht nur, dass die XYZ-ler (wie ich sie jetzt mal nennen will) im Schnitt um eine Stunde schneller reagierten; ABC-ler waren auch bei den Nicht-“Schnäppchenjägern” – die in dieser Studie, die ebenfalls per E-Mail durchgeführt wurde, bekannt waren – stärker repräsentiert als das hintere Drittel des Alphabets. Die vierte Versuchsreihe zeigte zudem, dass zwischen der Position des Nachnamens im Alphabet und der Bereitschaft, auf zeitlich begrenzte Angebote einzusteigen, ebenfalls ein Zusammenhang besteht.
Die Erklärung, die Carlson und Conard anbieten, wirkt zumindest auf mich plausibel: Da zum Beispiel in Schulen oft in alphabetischer Reihe vorgegangen wird (auch, wenn es etwas zu verteilen gibt), können sich all jene mit einem “frühen” Namen fast von alleine drauf verlasssen, dass sie “dran” kommen. Wer jedoch weiter unten auf der alphabetischen Liste steht, lernt sehr schnell, dass ihm weniger Auswahl und Zeit bleibt, eine Entscheidung zu treffen – und fällt sie entsprechend schneller.
Tja, jetzt bleibt mir nur noch die Frage: Und warum schaffe ich es dann nie, Konzertkarten zu erwischen, die oft innerhalb der ersten Stunde schon ausverkauft sind? Wo doch mein Nachname mit “S” anfängt, dem 19. Buchstaben im Alphabet? Da müssen die Zyskowskis, die Yunyings, die Xueys (alles Namen aus dem örtlichen Telefonbuch) mal wieder noch schneller gewesen sein …
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