Aus der Debatte über die Tigermutter halte ich mich vorsorglich raus (obwohl ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die heftigste Empörung hier nicht etwa von Eltern kam, die – wie ich selbst – solche Dressurakte ihrer Kinder sowieso nie in Erwägung ziehen würden, sondern von jenen, die sich in ihren eigenen Dressurversuchen übertrumpft sahen). Aber dank der New York Times und ihrem aktuellen Artikel Nourishing Nests Lift These Birds to a Higher Perch bietet sich mir die Gelegenheit, hier eine Lanze für geduldige, fürsorgliche und (im wörtlichen Sinn) vorbildliche Erziehung zu brechen. Vorgeführt am Beispiel der in Neukaledonien heimischen Geradschnabelkrähe.
Diese Krähen sind als ausgezeichnete Werkzeugmacher und Problemlöser bekannt, die es in dieser Hinsicht sogar mit Schimpansen (und ein paar Leuten, die ich tatsächlich kenne) aufnehmen können. Ehe ich weiter schreibe, erst mal ein sehr populäres Video, das die Krähendame Betty beim Basteln eines Angelhakens zeigt:
Zurück zum Thema Erziehung: In gleich zwei Papern – eines in Animal Behavior, ein zweites in Learning & Behaviour – beschreibt die Psychologin Jennifer Holzhaider mit ihren Kollegen von der University of Auckland (Neuseeland), was sie für die Bedingung dieser unglaublich scheinenden Begabung halten: Neben einem für einen Vogel generell und selbst innerhalb der Rabenvögel außergewöhnlich großen Gehirn ist es vor allem die Sozialisierung der Jungvögel.
Geradschnabelkrähen pflegen ihren Nachwuchs für mindestens ein Jahr, und selbst danach werden sie noch gelegentlich von den Eltern gefüttert. Die Eltern geben ihren Jungen so viele Gelegenheiten wie möglich, beim Fertigen von Werkzeugen zuzuschauen. Und sie beweisen das tierische Äquivalent von Geduld, wenn die Kleinen sich dabei anfänglich – womit die ersten paar Monate gemeint sind – eher ungeschickt anstellen. Kurz: Sie benehmen sich wie das, was ich auch bei Menschen als “gute Eltern” bezeichnen würde (man möge mir diesen Lapsus in Antropomorphismen verzeihen, aber die drängen sich geradezu auf).
Und was dabei heraus kommt, sind eben keine hochspezialisierten Nachahmer, sondern – immer noch antropomorphisch betrachtet, ich geb’s zu – kreative Problemlöser, die Gelerntes auch auf völlig andere Situationen übertragen können und, wie die Krähe Betty, sogar Erfindungsreichtum beweisen. Tigermütter denken vielleicht, solche Eltern hätten einen Vogel – aber wenn ich’s recht bedenke, wäre das gar nicht so schlecht.
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