Wie war das nochmal mit den unendlich vielen Affen an Schreibmaschinen, die Shakespeares Hamlet (oder meinetwegen auch auch die gesamte Weltliteratur) per Zufall produzieren würden?* Was sich drei Forscher der Carnegie-Mellon University (Pittsburgh) ausgedacht haben, erfordert zwar ein Stückchen mehr Intelligenz, aber für mich als jemanden, der sich mit Schreiben seinen Lebensunterhalt verdient, ist es nicht minder grausig: Aniket Kittur, Boris Smus und Robert E. Kraut vom Human-Computer Interaction Institute haben CrowdForge entwickelt – ein Protokoll, das es erlaubt, selbst so komplexe und kreative Tätigkeiten wie das Schreiben von Artikeln (jawohl, da bestehe ich auch weiterhin drauf: meine Tätigkeit ist komplex und kreativ) auf einen minimal involvierten und bezahlten “Arbeiterschwarm” zu verteilen. Eine grauenhafte Vorstellung für jeden Journalisten!
Das Prinzip ist das gleiche wie bei anderen Crowdsourcing-Protokollen, allen voran dem Mechanical Turk von Amazon: Eine Aufgabe wird in viele, kleine Segmente zerlegt, die meist mit geringem (und gelegentlich eher mechanischem) Aufwand zu erledigen sind, aber in jedem Fall auch nur mit ein paar Cent entlohnt werden. Der Unterschied zwischen den Turk-Jobs – die euphemistisch als “Human Intelligence Task”, kurz HIT, umschrieben werden – und den CrowdForge-Aufträgen ist, dass erstere unabhängig von den Resultaten anderer Schwarm-Arbeiter verwertet werden können (eine solche Aufgabe kann zum Beispiel darin bestehen, Objekte auf Fotos in Kategorien einzuordnen), während letztere in mehreren, nachgeordneten Bearbeitungsschritten zu einem – mehr oder weniger – homogenen Endprodukt, nämlich einem lesbaren, schlüssigen und korrekten Text zusammengefügt werden müssen.
Ich will mich hier nur auf die Beschreibung der Grundidee beschränken (bin ich blöd, für so etwas auch noch Werbung zu machen?): Der erste und sicher delikateste Schritt ist, die Aufgabe in Portionen zu zerlegen (“Partition”), die dann parallel und unabhängig voneinander bearbeitet werden können. Das mag bei einem Roman oder einer Reportage zwar schwer umsetzbar sein, denn wie soll man sich den letzten Absatz vorstellen, wenn man den Inhalt des ersten noch nicht kennt – aber bei einem Bedienungshandbuch, beispielsweise, oder einem Reiseführer, ist das schon einfacher. Im zweiten Schritt werden die so festgelegten Aufgaben dann verteilt und ausgeführt (“Map”), und im nächsten Schritt dann zum Endprodukt redaktionell zusammen geführt (“Reduce”). All diese Schritte können auch verschachtelt und/oder iterativ sein: Eine Grobgliederung wird in Abschnitten feiner gegliedert und ausgeführt, daraus wiederum eine bessere Grobgliederung entwickelt etc.
Klingt alles irrsinnig umständlich und unpersönlich, aber die Autoren (drei Männer, darum verzichte ich hier auf den Zusatz “und Autorinnen”) versichern, dass sie mit 36 Teilschritten Texte in Wikipedia-Qualität produzieren konnten, die besser bewertet wurden als vergleichbare Artikel individueller Autoren, und die dank der minimalen Entlohnung der einzelnen Mitarbeiter gerade mal ein paar Cents mehr als drei Dollar kosteten. Aua! Das Schlüsselwort ist für mich natürlich die “Wikipedia-Qualität”, aber ehe ich mich zum Thema Qualität im Journalismus auslasse, erst mal ein ganz anderer, aber wie ich finde, ebenso wichtiger Gedanke.
Keine nichtreduzierbare Komplexität in der Schöpfung
Und hier komme ich erst mal auf mein zum Einstieg bemühtes Affen-Shakespeare-Beispiel zurück. Denn jenes wird ja gerne von Evolutionsgegnern als “argumentum ad absurdum” bemüht: Ebenso, wie es absurd sei, dass eine Horde Affen mit unendlich viel Zeit so etwas wie den Hamlet produzieren könne, sei es undenkbar, dass der “pure Zufall” der Evolution den genetischen Code solcher Meisterwerke wie Bandwürmer, Seeelefanten (die hab’ ich nur wegen der vielen “e”s als Beispiel genommen) oder Menschen schaffen könnte. Und sie reden dabei gerne von der nichtreduzierbaren Komplexität in der Schöpfung, womit im Prinzip nur gesagt werden soll, dass sich solche komplexen Aufgaben eben nicht in beliebig viele kleinere Schritte zerlegen lassen, sondern dass dafür ein intelligenter “Masterplan” nötig ist.
Egal, wie sehr ein Vergleich mit CrowdForge hier hinken mag: Ich sehe darin sehr wohl einen Beweis, dass sich selbst scheinbar so kreative Aufgaben wie das Ausdenken von Geschichten in beliebig kleine und ohne außergewöhnliche Intelligenz zu bewältigende Teile zerlegen lässt. Ob’s mir gefällt, ist eine andere Frage, und dass davon keine Meisterwerke zu erwarten sind, vielleicht noch eine weitere. Aber bitteschön: Wer hat den jemals behauptet, dass das Leben ein “Meisterwerk” sei? Etwas, das nicht verbessert werden kann? (Jaja, ich weiß, das ist ja genau, was die Kreationisten denken – aber die nehm’ ich hier mal wirklich so ernst wie sie es verdienen, nämlich gar nicht.) Ich bin zwar kein Techniker, aber ich würde vermuten, dass wir Menschen, unter rein mechanischen Aspekten, bestenfalls Wikipedia-Qualität erreichen.
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