So, nun habe ich tatsächlich die zweite Folge des Jeopardy-Wettbewerbs Mensch-gegen-Computer angeschaut, und nach der liegt der Blechdenker Watson tatsächlich so weit vorne, dass er aller Voraussicht nach gewinnen wird. Was, wie ich schon in meinem ersten Posting schrieb, ja auch mit großer Plausibilität zu erwarten war. Womit die Leistung der Ingenieure nicht geschmälert werden soll: Die Geschwindigkeit und Treffergenauigkeit, mit der das System nicht nur die gelegentlich verklausulierten Fragen beantwortet (dankenswerter Weise werden immer Watsons drei Top-Antwortmöglichkeiten nebst ihrer erwarteten Trefferwahrscheinlichkeiten eingeblendet – oft liegt sie bei über 90 Prozent) und dann wieder in eine gesprochene Antwort umsetzt, die natürlich als Frage formuliert sein muss – all das ist schon bewundernswert. Aber ist Watson deswegen schon “intelligent”?
Nun, wenn man dabei “Intelligence” – wie im Englischen durchaus üblich – rein im (nachrichtendienstlichen) Sinn von Informationssammlung und -Auswertung versteht, dann in jedem Fall. Doch dies ist eine sehr eingeschränkte Bedeutung des Begriffs, und wird, vor allem in der Verbindung “military Intelligence”, oft als Oxymoron belacht. Nach dem etwas schwammigen, aber intuitiv als “mehr als nur Wissen” verstandenen Intelligenzbegriff wäre Watson hingegen eher ein Idiot Savant. Denn tatsächlich ist die Begabung dieses Computersystems sehr spezialisiert: Es kann sehr schnell aus den Schlüsselwörtern der Frage auf eine (stochastisch) relevante Antwort kommen – und ist darin vermutlich besser als mancher Mensch, der sich oft über den Sinn der Frage zu viele Gedanken macht, ehe er über die Antwort nachdenkt. Aber eine Bedeutung hat diese Antwort für ihn nicht. Er bevorzugt Antworten nicht, weil sie für ihn einen Sinn ergeben, sondern weil sie mit größter Wahrscheinlichkeit alle Vorgaben der Frage erfüllen.
In dieser Hinsicht ist Watson etwa ebenso schlau wie sein schachspielender Vetter Deep Blue, ebenfalls von IBM. “Neunzig Prozent seiner Züge sind Müll”, hatte mir Joseph Hoane vom Deep-Blue-Entwicklungsteam am Rande des Kasparow-Duells im Mai 1997 verraten:
“Wenn ich den Computer fragen könnte, warum er einen Zug gemacht hat und eine sinnvolle Antwort bekäme, dann wäre er intelligent – aber er ist halt nur ein Rechenwerkzeug. Was uns vom Computer unterscheidet: Wir genießen das Spiel, er nicht.”
Auf die Idee, sich zu fragen, ob es einen Sinn hat, was er da tut, würde auch Watson nicht kommen (und schon gar nicht, im Falle einer Niederlage, auf mörderische Rachegedanken wie der wohl berüchtigste aller Computer, HAL 9000 aus 2001- Odyssee im Weltraum). Vermutlich würde er die Frage nicht mal verstehen – sein MIT-Vordenker START jedenfalls gab sich, als ich ihn fragte, was man unter Intelligenz versteht, ziemlich konsterniert (wenn ich mir diesen Antropomorphismus mal gestatten darf):
Abbildung: Cryteria (Own work) [CC BY 3.0], via Wikimedia Commons
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