Hab’ ich mich manchmal auch schon gefragt, wenn mir einige Mitmenschen mal wieder ganz besonders auf die Nerven gehen. Aber die Frage ist hier, in dieser Pressemitteilung des Massachusetts Institute of Technology, ernster gemeint, als ich auf Anhieb glauben wollte. Dass es ernsthafte Projekte gibt, auf dem Mars nach Spuren von Leben zu suchen, und dass forschende Ingenieure wie Christopher Carr und Wissenschaftler wie Clarissa Lui, beide vom Department for Earth, Atmosheric and Planetary Sciences (EAPS) nicht nur theoretisch an der Suche nach extraterrestrischen Genomen (SETG) arbeiten, sondern auch, gemeinsam mit Gary Ruvkun, einem Molekularbiologen am Massachusetts General Hospital (das der Harvard-Universität angegliedert ist) am Konzept eines Detektors arbeiten, der voraussichtlich schon in diesem Herbst per Rover-Sonde den Marsboden auf entsprechende Spuren analysieren soll – das ist genau das, was ich von Wissenschaftlern erhoffen und erwarten würde.
Aber warum setzt das die Hypothese voraus, dass auch das Leben auf der Erde vom Mars stammt? Natürlich kann es so sein, genauso wie es sein kann, dass es von sonstwoher im Weltall stammt (Stichwort: Panspermie). Warum würde man beweisen wollen, dass wir vom Mars abstammen – ehe man weiß, ob es dort überhaupt jemals Leben gab?
Diese Frage hat mich dann doch zu sehr beschäftigt, also habe ich Chris Carr direkt gefragt. Und irgendwie haben wir erst mal aneinander vorbei geredet:
Let me give you an analogy: You have lost your keys in a parking lot. Where do you look? Where it is easy to look (in the light) or where it is hard (in the dark)? The classic answer is that it is silly to look for your keys in the light if they might be in the dark. But it depends where you think you lost your keys. If you think you lost them in the light, then that is a good place to start looking. By analogy, if life on Mars exists and is related to us, we should look for it directly. We would feel pretty silly if we tried to do many other things, then discovered that life there (again if it exists) was related to us and we hadn’t looked for it directly.
Ich gebe Dir dazu eine Analogie: Du hast deinen Autoschlüssel auf dem Parkplatz verloren. Wo wirst du suchen? Wo es leichter ist (im hellen) oder wo es schwerer ist (im Dunkeln)? Die klassische Antwort ist, dass es unsinnig wäre, im Hellen zu suchen, wenn die Schlüssel um Dunkeln sein könnten. Aber es kommt doch darauf an, wo man seine Schlüssel verloren hat. Wenn du glaubst, dass es im Hellen war, dann ist das ein guter Ort zum Suchen. Und analog dazu: Wenn es Leben auf dem Mars gibt und es mit uns verwandt ist, dann sollten wir direkt danach suchen. Wir kämen uns ziemlich doof vor, wenn wir alles Mögliche versucht, aber nicht direkt danach gesucht hätten.
Verstehe ich nicht: Diese Analogie setzt ja gerade voraus, dass mir erst mal ein Schlüssel fehlt – also dass er nicht auf der Erde (= im Licht), sondern irgendwo da draußen herumliegt. Was immer noch die gleiche Frage enthält: Wie oder warum wäre Leben auf dem Mars notwendig, um Leben auf der Erde zu “entschlüsseln”? Jenes “Geheimnis des Lebens”, das Kreationisten gerne als letzte Bastion verteidigen, bleibt doch das gleiche, ob es nun auf der Erde oder unter gleichen Bedingungen auf dem Mars entstanden ist …
Also nochmal nachgefragt: Soll das wirklich heißen, dass man Leben auf dem Mars finden muss (der besagte Autoschlüssel), um das Leben auf der Erde “aufschließen” zu können?
We don’t necessarily need to find life on Mars to explain life on Earth, but if there is a common ancestry then finding life on Mars (if it exists) will certainly help us explain our own origin.
Wir müssen nicht notwendiger Weise Leben auf dem Mars finden, um Leben auf der Erde zu erklären, aber wenn es eine gemeinsame Abstammung gibt, dann würde es sicher helfen, unsere Herkunft zu erklären, wenn wie Leben auf dem Mars (falls es existiert) finden.
Also suchen sie nach Leben auf dem Mars, und wenn dabei herauskäme, dass es mit dem auf der Erde verwandt ist, dann wäre es ein nettes Stück Zusatz-Erkenntnis? Auch nicht ganz, aber wir kommen der Sache näher. Noch einmal Chris Carr:
We want to look for life on Mars ancestrally related to life on Earth because 1. the hypothesis of shared ancestry is possibly true and experimentally verifiable, and 2. a positive result will be more definitive than looking for nonspecific evidence of life on Mars.
Wir wollen nach Leben auf dem Mars suchen, das mit dem Leben auf der Erde verwandt ist, weil 1. die Hypothese einer gemeinsamen Abstammung möglicher Weise wahr und experimentell überprüfbar ist und 2. ein positives Resultat viel klarer wäre als nach unspezifischen Beweisen für Leben auf dem Mars zu suchen.
Jetzt dämmert’s mir: Um nach Leben auf dem Mars zu suchen, muss man erst mal eine Vorstellung davon haben, wonach man sucht. Aber wir wissen bisher ja nur, wie Leben auf der Erde aussieht und funktioniert. Die Chance, RNA- oder DNA-basiertes Leben auch auf dem Mars wiederzuerkennen, selbst wenn es nur noch in fossilen Spuren erhalten ist, wäre also wesentlich größer, als nach fossilen Spuren von Lebensformen zu suchen, deren Aufbau (vielleicht gar nicht auf der Basis von Kohlenstoff, wer weiß) uns gänzlich unbekannt sein muss. Aber wenn wir “irdisches” Leben auf dem Mars erwarten – was mich im ersten Moment ein bisschen daran erinnert, dass zumindest in der ersten “Enterprise”-Staffel alle Außerirdischen erstaunlicher Weise perfektes Englisch sprechen – dann sollten wir auch eine plausible Hypothese haben, wie solche Gemeinsamkeiten zu Stande kommen können.
Ob nun der Mars die Erde kolonisiert hat oder umgekehrt, ist dabei gar nicht die entscheidende Frage – es genügt, wenn es eine plausible Erklärung gibt, wie der Transport von A nach B möglich war. In Form von Asteroiden/Meteoriten, natürlich. Und da haben wir zumindest schon mal den Nachweis, dass definitiv Marsmaterial zur Erde gelangt ist; wenn ich den MIT-Informationen glauben darf, ist es 100 Mal wahrscheinlicher, dass Brocken vom Mars zur Erde fliegen, als umgekehrt. Und wenn es auf dem Mars erdähnliches Leben gibt/gab – dann ist es halt viel wahrscheinlicher, dass es vom Mars zu uns kam, als von uns zum Mars. Kapiert. Und was ist mit der Panspermie? Hier gebe ich Chris Carr, den ich mit meinen Fragen lange genug genervt habe, nun das letzte Wort:
While I don’t reject that possibility, it seems there was more opportunity for interesting water chemistry on early Mars and Earth than in the Oort cloud.
Das ist eine Möglichkeit, die ich nicht ausschließe, aber mir scheint, dass es mehr Gelegenheiten für interessante Wasserchemie auf dem frühen Mars und der Erde gab, als in der Oortschen Wolke.
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