Mit sowas macht man keine Witze (falls jemand dachte, dies sei ein verspäteter Aprilscherz). Aber eine internationale Meta-Studie, für die 42 Arbeiten mit Daten von mehr als 20 Millionen Personen ausgewertet wurden, kam tatsächlich zu dem Resultat, dass das Risiko, einen vorzeitigen Tod zu sterben, bei Arbeitslosen im Schnitt um 63 Prozent höher ist als bei Beschäftigten. Und Männer trifft dieser Effekt deutlich härter als Frauen: Ihr Risiko, mit dem Lebensunterhalt auch das Leben zu verlieren, liegt sogar bei 78 Prozent; für Frauen hingegen “nur” bei 37 Prozent. Und nein, dies hat nichts damit zu tun, dass ja viele Personen möglicher Weise aus Gesundheitsgründen ihre Arbeit verloren haben:

What’s interesting about our work is that we found that preexisting health conditions had no effect, suggesting that the unemployment-mortality relationship is quite likely a causal one. This probably has to do with unemployment causing stress and negatively affecting one’s socioeconomic status, which in turn leads to poorer health and higher mortality rates.
Das interessante an unserer Arbeit ist, dass wir herausfanden, dass bestehende Gesundheitsprobleme keinen Effekt hatten, was nahelegt, dass die Beziehung zwischen Arbeitslosigkeit und Sterberisiko eine kausale ist. Dies hat vermutlich damit zu tun, dass Arbeitslosigkeit Stress verursacht und den sozioökonomischen Status negativ beeinflusst, was seinerseits zu schlechterer Gesundheit und höheren Sterblichkeitsraten führt.
(Eran Shor, Professor für Soziologie an der kanadischen McGill University und Co-Autor der Studie)

Das sollten sich alle jene markieren, die in Stammtischdiskussionen (und vermutlich auch bei ernsthaften beschäftigungspolitischen Debatten) so gerne behaupten, dass Arbeitslose eh’ nur ein faules Pack seien, das sich auf Kosten der Erwebstätigen einen feinen Lenz mache, während jene sich tot arbeiten. Der Stress, keinen Job zu haben, ist tödlicher als der Stress am Arbeitsplatz. Wer hätte das gedacht …

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Kommentare (15)

  1. #1 Grundumsatz
    5. April 2011

    Westerwelle, Sarrazin und alle anderen “politisch Unkorrekten” sei Dank.

  2. #2 mathias
    5. April 2011

    Könnte aber auch generationen nachwirken..
    https://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/100819_epigenetik_per/index
    in 2010 kam eine Studie raus, die Aufhorchen ließ..
    “Stresserfahrungen epigentisch Vererbt!”
    Wenn also der Stress, der bei Arbeitslosigkeit auf ein Individum sich negativ auswirkt, kann es sein, dass der epigenetisch vererbt wird, und noch Generationen nachwirkt.
    Dazu noch die ganze Prekarisierung in der Beschäftigung, was ständig auch den Sprung in die Arbeitslosigkeit bedeutet, den Sozialen Stress erhöht, dann Rente mit 67, und Altersarmut..
    https://www.innovations-report.de/html/berichte/studien/zweite_geht_bereits_abschlaegen_rente_172699.html
    Gute Nacht, die ganzen Reformen sorgen dafür, dass wir unser Volk bald ein Motten können..
    muss man sich da wundern, dass Stress bedingte krankenheit förmlich explodieren?

  3. #3 miesepeter3
    5. April 2011

    Tja, das alte Problem, zu Tode langweilen geht schneller, als zu Tode arbeiten.

  4. #4 KommentarAbo
    5. April 2011

  5. #5 Wolfgang
    5. April 2011

    Ist doch in der Sozialmedizin schon ewig bekannt

    arm und krank hat eine schlechtere Prognose als reich und gesund.

    als vor 90 Jahren in kleinen und feuchten Arbeiterwohnungen %uell weit mehr Kinder an Masern starben, als in situierten bürgerlichen Familien nannte man dies “Pferchungsschäden”.

  6. #6 dein_föhn
    5. April 2011

    Naja, also wirklich überraschend ist das nun wirklich nicht. Vielmehr gehört es doch zum gängigen Klischee, das (langzeit-)Arbeitslose eher einen ungesunden Lebensstil an den Tag legen. Die Stammtische dürften sich diesbezüglich wohl eher um die Gesundheitskosten sorgen, die das verursacht, als um die armen Arbeitslosen.

  7. #7 Jürgen Schönstein
    5. April 2011

    @dein_föhn
    Klar doch, Arbeitslose hängen immer nur rum, versaufen die Stütze und schnorren einander die Kippen weg … So simpel ist es eben nicht. Wetten, dass die meisten Arbeitslosen viel mehr Sorgen, Stress und schlaflose Nächte haben als die Beschäftigten? Und vor allem: Mehr als sie selbst hatten, als sie noch beschäftigt waren? (Ganz nebenbei: ich weiß aus eigener Erfahrung, wovon ich spreche.)

  8. #8 Ulrich
    6. April 2011

    Aber offensichtlich steigt die Bereitschaft für wechselseitige Hilfe unter den Arbeitslosen. Jetzt gibt es sogar schon ein eigenes “Facebook für Arbeitslose”: jobioo.com !

    Ulrich

  9. #9 Jörg Friedrich
    7. April 2011

    Jürgen Schönstein, es ist vielleicht ein klarer empirischer Befund, aber die Erklärung ist weit weniger klar. Ihre Erklärung impliziert, dass Frauen durch Arbeitslosigkeit weit weniger Stress haben als Männer, dass sich die Sorgen, die Frauen sich machen müssen, wenn sie arbeitslos werden, weit bescheidener ausnehmen als die der Männer. Das würde mich jedoch überraschen.

  10. #10 mathias
    7. April 2011

    Stress wirkt zumindest Geschlechtsspezifisch Unterschiedlich.
    Zumindest der Berufsstress, wie eine israelische Studie von 2005 nahe legt..
    Stress: Wirkt auf Frauen und Männer unterschiedlich
    https://www.medizinauskunft.de/artikel/diagnose/psyche/03_11_stress_mann_frau.php
    WANC 03.11.05
    Quelle: Journal of Occupational Health Psychology” (Band 10, Nummer 4, DOI: 10.1037/1076-8998.10.4.1)

    Wie das bei Arbeitslosigkeit ist.. darüber hab ich nun keine Studie gefunden.
    Aber zumindest gibt es Indizien, dass Männer den Arbeitsverlust als schlimmer empfinden, da sie ja meist immernoch so sozialisiert sind, dass sie Ernährer sind, und Arbeit bei Männern einen höheren Stellenwert hat..
    Aber auch der Wer der Arbeit, bzw Sinn hinter Arbeit, ist wichtig..
    “The psychosocial quality of work determines whether employment has benefits for mental health: results from a longitudinal national household panel survey”
    https://oem.bmj.com/content/early/2011/02/26/oem.2010.059030
    TP meinte zu der Studie
    https://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34370/1.html

    Alles in allem ist Stressbedingt Krankenheiten, Arbeitslosigkeit/Arbeitsbedinungen, und Kosten für Gesundheit ein ziemlich interessantes Forschungsfeld, und unsere “Reformer” haben uns Gesellschaftlich da einen Bärendienst erwiesen, mit allem was Sozialumbau usw angeht.
    Eigentlich zum Kopfschütteln, dass man da fernab der derzeitigen Forschung, immernoch an dem Wahnsinn festhält..

  11. #11 Jürgen Schönstein
    7. April 2011

    @Jörg Friedrich
    Wie auch @mathias eben schon ausgeführt hat: Die Erklärung für die Geschlechter-Diskrepanz liegt vermutlich in der tradierten Rollenverteilung. Und die schreibt dem Mann – immer noch – die Funktion des “Ernährers” zu. Ich würde sagen: Die Folgen der Arbeitslosigkeit sind grundsätzlich für Männer und Frauen gleich. Aber da sie rein zahlenmäßig (noch) mehr Männer als Frauen in der Haupt- oder Alleinverdienerrolle (und das dürfte hier schon der kritische Faktor sein: die existenzielle Bedrohung durch den Jobverlust) trifft, ist auch das Risiko eher bei Männern angesiedelt.

  12. #12 Jörg Friedrich
    7. April 2011

    Es werden aber vermutlich nur Frauen betrachtet worden sein, die zuvor eine Arbeit hatten. Bei denen dürfte es wiederum sehr unwahrscheinlich sein, dass sie sich nicht in der Ernährer-Rolle sahen und demzufolge den Job-Verlust besser wegstecken konnten. Das Gegenteil dürfte der Fall sein: Oft hat ja die Frau einen Job vor allem deshalb angenommen, weil das Geld des Mannes nicht reichte oder gar kein Mann da war – die Existenzbedrohung wäre dann für die Frau wenigstens genauso groß, wenn nicht größer. Dazu kommt, dass die Frau (gemäß überkommener Rollenverteilung, auf die ja hier abgehoben wird) ihre Verantwortung für die Versorgung von Kind und Familie weit höher sieht als das Männer tun – demzufolge dürfte die seelische Belastung durch Arbeitsplatzverlust bei Frauen weit höher sein als bei Männern.

  13. #13 Jürgen Schönstein
    7. April 2011

    @Jörg Friedrich
    Ich glaube, ich sollte es noch einmal klarer sagen: Weder mein Beitrag (für den ich es definitiv sagen kann) noch die dem zu Grunde liegende Studie (hier ist es eine Vermutung meinerseits) sollten irgendwie zum Ausdruck bringen, dass Frauen und Männer anders mit dem Stress der Arbeitslosigkeit umgehen oder die speziell weiblichen Stressfaktoren verharmlosen. Das “größere Risiko” ist auch nicht individuell zu verstehen, also nicht so, dass es einen Mann doppelt so hart trifft wie eine Frau – möglicher Weise haben Sie recht, und Arbeitslosigkeit verursacht bei einer Frau sogar noch größeren Stress. Gemeint ist das Risiko für die Gruppen “Männer” bzw. “Frauen”. Und da Arbeitslosigkeit – in den USA jedenfalls – die Männer überproportional trifft, übersetzt sich dies auch in ein größeres aggregiertes Risiko dieser Gruppe, von den Folgen der Arbeitslosigkeit betroffen zu sein.

  14. #14 Timon Ludwig
    8. April 2011

    Der Grund für die höhere Belastung von Männern durch einen Arbeitsverlust dürfte darin zu suchen sein, dass dieser ebenfalls mit einem Status- und Identitätsverlust einhergeht. Status, weil dieser in den individualistischen westlichen Kulturen größtenteils über den Beruf vermittelt wird, und Identität, weil dieser Status stark in das Selbstbild des Mannes integriert ist. Auch Frauen identifzieren sich mit ihrem Beruf – allerdings ist der Status für ihre Identität von verhältnismäßig geringer Relevanz.

    Dieser Sachverhalt hat seinen Ursprung aber nicht in “tradierten Rollenvorstellungen”: Interkulturelle Studien zeigen, dass Männer prinzipiell stärker nach gesellschaftlicher Anerkennung – auch speziel weiblicher Anerkennung – streben (nicht zu verwechseln mit Konformismus). Denn ein anderes kulturübergreifendes Merkmal ist die weibliche Präferenz eines hohen Status ihres Partners. Dieser kann durch die Anzahl besessener Schweine wie in Papua-Neuguinea oder eben durch den Beruf wie in unserern Breitengraden “kodiert” sein: Die Modulation ist kulturell, die Ursache biologisch.
    In beiden Fällen ist der Verlust ein großer, mit Stress einhergehender Angriff auf das Selbstbild des Mannes.

  15. #15 Kundrie
    29. Mai 2011

    Man darf nicht vergessen, dass Frauen erst seit wenigen Jahrzehnten in unserem eigenen Kulturkreis überhaupt die Möglichkeit zur eigenständigen Erwerbstätigkeit haben, sowie auch die Möglichkeit, Schwangerschaften selber zu vermeiden. Das ist für Frauen also noch ein relativ “junges” Feld. Frauen sind es noch nicht wirklich gewohnt, für ihre Arbeit auch bezahlt zu werden, entsprechend psychisch weniger davon abhängig.

    Nichtsdestotrotz halte ich auch die grundlegenden biologischen Unterschiede für weit ausschlaggebender als es der Zeitgeist und das Gender-Mainstreaming so wahrhaben wollen.

    Ein wichtiger Faktor für “weniger Stress durch Arbeitslosigkeit” ist für mich zum Beispiel auch, dass Frauen dadurch weniger aus ihren Sozialkontakten und Freundschaften fallen, weil die völlig anders definiert sind als bei Männern. Und Frauen darin auch eben nicht ihre Arbeitslosigkeit verbergen müssen, also sich in ihrem sozialen Umfeld weiterhin aufgehoben fühlen können. Die Artikulation von Sorgen und Problemen und das Verständnis des Umfeldes erleichtern die Verarbeitung auf jeden Fall und nivellieren die Selbstwertproblematik noch einmal zusätzlich. “Geteiltes Leid ist halbes Leid”.

    Abgesehen davon sind Frauen – meine persönliche Beobachtung – aber auch pragmatischer und suchen aktiver nach Stressbewältigungsmöglichkeiten und nicht erwerbsbezogenen, aber psychisch befriedigenden Tätigkeiten. Außerdem sind Kinder, ganz besonders für Alleinerziehende, sehr oft auch ein wichtiger weiblicher Grund, sich nicht “hängen zu lassen”. Wohingegen viele Männer aufgrund ihres Identitätsverlusts durch Arbeitsverlust auch die Last für ihr Wohlergehen noch der Partnerin aufbürden und dadurch die Familienstruktur zusätzlich belasten.

    Letztlich aber ist offensichtlich, dass die Einrichtung von “Hartz IV” in dessen bösartigen Facetten, gerade auch mit dem konstanten medialen Abwerten der Betroffenen bis hin zur Schaffung der üblichen Klischeebilder und im Zusammenspiel mit dem Abbau des solidarischen Gesundheitssystems etc. im Grunde ein massiver Krieg gegen große Teile der eigenen Bevölkerung zugunsten weniger Privilegierter ist. Das sollte bei dieser Meldung nicht vergessen werden.