Vor einigen Tagen erreichte mich eine E-Mail von einem Studenten namens Tobias Lohf. Er hatte mit einigen Freunden den Ehrgeiz entwickelt, Bilder aus dem Weltall zu machen – und zwar mit minimalem Budget. Den YouTube-Clip, den er der Mail angehängt hatte, fand ich faszinierend. So faszinierend, dass ich Tobias Lohf bat, mir doch das Projekt mal zu schildern, damit ich es hier als einen Gastbeitrag einstellen kann. Und hier ist nun sein Bericht:
Getrieben von der Fotoleidenschaft und dem Interesse, sich gemeinsam einer technischen Herausforderung zu stellen, haben wir (Marcel Dierig, Tobias Lohf, Tristan Eggers, Tobias Stodieck, Marvin Rissiek) ein spektakuläres Projekt umgesetzt.
Wir haben uns folgendes vorgenommen:
Die Erde aus dem All zu filmen!
Aber wie ist dies möglich?
Zunächst einmal mussten wir Ideen sammeln. Die Herausforderung bestand ganz eindeutig darin, die Kamera auf eine entsprechende Höhe zu bringen, die extrem kalten Temperaturen zu überleben und letztlich das Equipment wieder zu bergen. Und das alles muss mit einem Studentenfreundlichen Budget umgesetzt werden. Man kann annehmen, dass dies nicht möglich ist. Aber doch, ist es!
Nach kurzen Überlegungen war uns klar, wenn wir mit der Kamera hoch hinaus wollen, dann geht dies nur mit einem Wetterballon. Diese erreichen Flughöhen von 20.000-30.000m. Damit hätten wir die Troposphäre überschritten und sind sogar durch die halbe Stratosphäre hindurch.
Das Transportmittel stand also fest. Die Aufnahmen sollte eine GoPro HD Kamera liefern. Diese hat einen großen Blickwinkel von 170° und ist für Extremsport ausgelegt. Für uns genau das richtige, wie gut, dass schon einer von uns stolzer Besitzer dieser Kamera ist.
Im Dauertest haben wir feststellen müssen, dass die Kamera mit dem internen Akku gerade einmal für 1,5h filmt. Uns war die tatsächliche Flugzeit allerdings nicht bekannt. Um auf Nummer sicher zu gehen, mussten wir die Laufzeit erhöhen. Schließlich soll sich die Kamera nicht auf halber Höhe abschalten und die Landung sollte auch aufgezeichnet werden.
Die Lösung ist folgende: Die Kamera kann mittels mini-USB aufgeladen werden. Wenn man sie darüber also laden kann, muss auch eine Stromversorgung darüber möglich sein. Also haben wir ein USB-Kabel zerschnitten und an die stromführenden Leiter einen selbstgelöteten Batterieblock geklemmt. Dadurch hatten wir statt bisheriger 1100mA satte 9000mA. Dies ermöglichte eine Akkulaufzeit von über 10h.
Ein anderes Problem ist aber noch die Temperatur. Die Akkus sind extremen Bedingungen ausgesetzt, wobei diese Temperaturen von bis zu -60°C überleben müssen. Um dem standzuhalten, haben wir eine Styroporbox verwendet. Diese ist zum einen isolierend, zum anderen kann sie den Stoß bei der Landung abfangen. MIt einer Wandstärke von etwa 5cm war dies ohne weiteres möglich. Zusätzlich sorgten zwei Taschenwärmer für die nötige Heizleistung innerhalb der Box.
Nun sind die meisten Probleme für die Aufnahmen gelöst. Aber wie finden wir das Equipment wieder?
Dazu dachten wir zuerst an Handyortung. Man könnte ein altes Handy mit in die Box legen, und dies nachher orten lassen. Recherchen ergaben aber, dass dies nicht kostenfrei möglich ist und man Mindestvertragslaufzeiten von 12 Monaten hat. Darauf wollten wir verzichten. Dazu kommt noch, dass eine Handyortung gerade im ländlichen Bereich relativ ungenau werden kann. Und wir wollten es exakt!
Eine Alternative ist die Ortung mittels GPS-Tracker.
Ein TK102 hat all unsere Ansprüche erfüllt. Dieser empfängt GPS Daten über Satelliten und kennt seine eigene Position. Bestückt wird er nun mit einer Sim-Karte. Wenn man diese Nummer nun mit einem anderen Handy anruft, bekommt man kurze Zeit später eine SMS mit den Koordinaten zurück. Eine einfache, aber geniale Lösung.
Damit ist nun das gesamte Zubehör vollständig. Die Styroporbox haben wir nun vollständig bestückt und sind auf ein Gesamtgewicht von genau 1kg gekommen. Unser Wetterballon kann eine Traglast von 2,5kg tragen. Der Ballon musste nun aber mit einem Gas gefüllt werden. In Frage kamen Wasserstoff und Helium. Aus Sicherheitsgründen entschieden wir uns für das Helium.
Nach einer Faustformel benötigt man, um 1g zu heben, 1 Liter Helium. Wir haben uns die erforderliche Menge an Helium besorgt und damit waren die Vorbereitungen abgeschlossen.
Nach einer Starterlaubnis der Deutschen Flugsicherung stand dem Projekt nun nichts mehr im Wege. Der Start war morgens um 9.00 Uhr. Vor Ort haben wir dann den Ballon befüllt und die Box daran befestigt. Noch einmal innehalten. Läuft die Kamera auch wirklich? Okay, sie nimmt auf. Dann ließen wir den Ballon fliegen. Von da an heiß es warten und hoffen. Die Vorbereitungen waren sogfältig durchgeführt, aber der Faktor Zufall ist nicht zu vernachlässigen. Schließlich steigt der Ballon nun hoch. Hält er die extremen Temperaturen wirklich aus? Wie hoch wird er steigen und kommt er danach wieder sicher zur Erde zurück, oder landet er in einem See?
Man kann nur noch hoffen, dass alles funktioniert. Der Ballon steigt mit einer Geschwindigkeit von mehr als 4 m/s hoch. Nach einer Steigzeit von mehr als 2 Stunden erreicht er eine Höhe von 30.500m. Da dort der atmosphärische Druck so gering ist, dehnt sich der Ballon mit zunehmender Höhe immer weiter aus. Schließlich erreicht er einen Durchmesser von fast 10m, bis er platzt. Die Aufnahmen aus dieser Höhe sind atemberaubend. Von da an fällt die Box mit hoher Geschwindigkeit zurück in Richtung Erde. Ein kleiner Fallschirm bremst schließlich den Fall, sodass die Box unbeschadet landen konnte. Und zwar mitten in einer Lichtung im Sauerland. Perfekt, die Box ist unversehrt auf dem Boden angekommen. Die SMS des Trackers verrät uns die genaue Position. Der Ballon landete ca. 80km vom Startort entfernt. Die Koordinaten haben wir nur noch in ein Smartphone eingegeben und damit ließ sich der Ballon ohne Probleme finden.
Nun stellt sich die Frage, wie viel so etwas kostet. Da wir alle Studenten und Auszubildende sind, hatten wir nur ein geringes Budget zur Verfügung. Die Kamera hatten wir schon. Dazu kam dann ein Wetterballon und das Helium, sodass wir mit einer Gesamtsumme von knapp über 100€ hinkommen. Den GPS Tracker haben wir gebraucht bei ebay ersteigert und für den gleichen Preis danach wieder verkauft. Auf fünf Schultern verteilt, war dieses Projekt ohne Probleme tragbar und hat uns unvergessliche Erfahrungen und Bilder beschert.
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